Dienstag, 20. Juni 2017

Am liebsten würde ich streiken oder demonstrieren

Neulich habe ich bei jemandem geklagt, dass mir der Rücken weh tut. Dies könnte wahrscheinlich mit meiner neuen Zahngeschichte zusammenhängen und vor allem damit, dass ich ja einmal das Pfeiffer'sche Drüsenfieber gehabt hatte. Somit gehen bei mir solche Entzündungen schnell auf die Gelenke. Prompt bekam ich zur Antwort: bei mir hat sich auch ein Nerv eingeklemmt, ich habe den Orthopäden nicht aufsuchen können. Ich frage mich immer, warum dann alle Menschen so tapfer herumspringen, wenn sie noch wesentlich schlimmere Dinge haben als ich. Bin ich nur eine Memme, die wesentlich weniger aushält? Am letzten Wochenende war ich auf dem deutschen Humanistentag, wo es um ein menschliches Zusammenleben ging, zum Beispiel im Hinblick auf Einwanderung, Umwelt, Frieden etc. Wir wurden von ein paar Leuten gebeten, uns doch dazu zusetzen, man wolle noch etwas diskutieren. Ich wurde allerdings nur gefragt, ob denn auf diesem Kongress auch etwas zum Thema Blindheit und Behinderung gebracht worden wäre? Die muslimischen Teilnehmerinnen mit ihren Kopftüchern beschwerten sich bei ihren Beiträgen, dass sie nur auf dieses Attribut reduziert würden. Ich hätte wahrscheinlich auf die mir gestellten Fragen schlagfertig antworten sollen: ich bin jetzt nicht in meiner Eigenschaft als blinde sondern als Mensch hier. Denn auch ich werde ausschließlich auf meinen Blindenstock reduziert. Dies ging sogar einmal so weit, dass zwei Menschen mit völlig unterschiedlichem Körperbau und unterschiedlicher Frisur und Haarfarbe in meiner Universitätsstadt laufend miteinander verwechselt wurden, nur, weil beide einen weißen Stock hatten. Ich beklagte mich im Nachhinein darüber, dass ich schon wieder alleine da saß, nachdem die erste Neugierde befriedigt war, und sich alle dann wieder nur miteinander unterhielten, obwohl man uns doch extra dazu gebeten hatte. Dazu gab es gleich wieder viele Erklärungen, warum andere solche scheu haben, warum andere solch große Unsicherheit haben, und warum andere so sind. Es wird sehr viel Hirnschmalz darauf verwendet, um die Motivation der Mehrheit zu ergründen, wohingegen mein beschissenes Gefühl wegen der chronischen Ausgrenzung keine sonderlich große Rolle spielt. Das mit den Berührungsängsten leuchtet mir sowieso nicht ein, wo ich doch von jedem einfach ungefragt angefasst werde. Wenn ich anderen Menschen gegenüber unsicher bin, würde ich Ihnen nicht zu nahe kommen, wie manche das bei mir aber tun. Ich würde sie auch nicht gleich mit Du anreden, wie mir das häufig mitten auf der Straße passiert. Soweit kann es also mit der Unsicherheit nicht her sein, es sei denn, ich funktioniere wirklich total anders als der Rest der Menschheit. Ich war neulich mit einer Bekannten, die ich über meine Assistenz wieder traf, im Café. Sie hat zugegebenermaßen wahrscheinlich wesentlich mehr an Erkrankungen als ich, und sie hat auch sehr viel davon erzählt. Einige Frauen hatten sich ungefragt an unseren Tisch gesetzt, da es nicht mehr viel Platz gab. Irgendwann sprang eine der Frauen auf und schrie uns an: "jetzt ist aber mal Schluss mit den Krankheiten." Meine Bekannte hatte, da sie richtig in Fahrt kam, ihre Stimme immer lauter werden lassen, ohne dies zu merken, da sie die Sachen emotional sehr mitgenommen hatten, die sie erlebt hatte. Ich selbst habe auch eine Menge erlebt, allerdings habe ich mich nicht sonderlich angestrengt, mich durchzusetzen, meine zahlreichen Erlebnisse, Schicksalsschläge und Erkrankungen in gleicher Quantität und Qualität vorzutragen, sonst wäre wahrscheinlich das ganze Café mit den nurmehr drei Tischen ausgeflippt, wenn zwei chronisch schwer Kranke ihre Geschichten ausgepackt hätten. Ich hätte es besser gefunden, wenn die Damen vielleicht vorher einmal etwas gesagt hätten, so in etwa: „Bitte seien Sie etwas leiser, wir müssen zwangsläufig alles mithören, wir haben leider kein Interesse an all ihren Erkrankungen und Operationen.“ Außerdem hätte ja auch der diensthabende des Cafés, wobei es sich hier um ein Wohnprojekt -Café handelte, der obendrein auch noch ein Bekannter von mir war, zu uns kommen können und sagen: „Hallo ihr beiden Mäuse, seit mal etwas leiser, die anderen beschweren sich schon, Eure Gallen-OPs interessieren die Leute nicht sonderlich. Könntet ihr vielleicht etwas Eure Stimme runterfahren?“ Als ich hinterher zu ihm ging und mich beschwerte, wie diese Frau sich uns gegenüber aufgeführt hatte, meinte er nur, es hätten sich noch mehr beschwert, und es sei einigen anderen Gästen ebenfalls übel aufgestoßen, dass wir so ausgiebig und ausführlich über unsere Erkrankungen gesprochen hatten. Meine Bekannte hat sich dann ebenfalls bei ihm beschwert, dass dies allerhand sei, und dass die anderen froh sein könnten, wenn sie gesund sind. Ich habe schon häufiger erlebt, dass mir andere Leute erzählten, wie schwer ist dieser oder jener hätte, was er alles durchgemacht hätte, der Arme, sei schon mit 40 in Rente gegangen usw. Wenn ich mich zum Beispiel beklagte, dass andere dauernd über ihre Erkrankungen erzählen, mir hingegen aber selbst kaum zuhören, hieß es nur: „das musst Du verstehen, der ist halt auch krank, die ist halt auch allein, die hat sonst niemanden.“ Mein Hinweis, dass ich auch krank sei, dass ich auch allein bin, dass ich auch das Bedürfnis habe, über meine Erkrankung zu erzählen, wurde dann immer beflissentlich übergangen. Auch mein Hinweis, dass auch ich frühberentet sei, dass auch ich schon einiges mitgemacht hätte, blieb ungehört. Es heißt dann immer: „der andere hat ja schon so viel mitgemacht, der musste ja so in seinem Leben kämpfen.“ Wenn ich dann sage, aber ich auch, dann wird dies ignoriert. Wenn andere Leute schwierig sind, dann wird das immer damit entschuldigt, dass sie ja schon so viel mitgemacht hätten. Wenn ich als schwierig bezeichnet werde, würde dies niemand mit Hilfe meiner Erlebnisse in die richtige Relation setzen oder irgendwie mit meinen vielen Erkrankungen, verpassten Möglichkeiten und Chancen oder mit meinem Kampf um ganz normale Dinge im Leben erklären. Als ich einmal mit dem Taxi nach Hause fuhr, fragte ich den Taxifahrer, ob er schnell bei einem Obstgeschäft anhalten könnte, da meine Assistentin anstatt acht nur vier Äpfel eingekauft hätte. Da meinte er, das dürfe er nicht, er hätte keine Zeit, und das ginge eben jedem mal so, dass er nicht genügend zu Hause hätte. Dabei können Nichtbehinderte einfach mit dem Fahrrad fahren oder tun sich leichter, zu Fuß irgendwohin zu gehen. Ein paar Wochen später holte mich ein anderer Taxifahrer desselben Unternehmens ab, setzte mich ins Auto und meinte, es sei eine Rollstuhlfahrerin mit dabei, sie würden aber noch beim Metzger vorbeifahren, da er für sie noch einiges einkaufen müsste. Ich nutzte die Gelegenheit, mir bei diesem besonders guten Metzger auch einige Sachen mitzunehmen. Dann kommandierte die Frau, sie müsse jetzt auch noch zum Becker, sie bräuchte noch Brötchen. Nachdem sie mich zu Hause abgeliefert hatten, fuhren sie dann auch noch zum Becker. Ich fragte ihn beim nächsten Mal, ob sie alles bekommen hätten, und warum er denn mit ihr zu Metzger gegangen sei, schließlich hätte ich auch schon Lebensmittel gebraucht, und man habe mir gesagt, das ginge nicht. Da meinte er, die Frau sei doch schließlich alt, sie sei an der Dialyse, und sie säße im Rollstuhl. Ich sagte ihm, ich sei auch behindert, ich könne zwar laufen, doch würde ich nicht sehen, wo ich hinlaufe und bräuchte daher auch Hilfe beim Einkaufen, da ich die Produkte ja nicht alleine finde. Und an der Dialyse sei ich auch gewesen, und das schon als junge Frau, wenn ich überhaupt je so alt würde wie diese Frau, wäre ich wohl noch ganz anders dran. Da meinte er, es ärgere ihn, dass diese Frau einen Enkel hätte, der nichts für sie täte, und daher würde er ihr helfen. Ich sagte ihm, dass auch ich schließlich darum kämpfen müsste, dass mir Leute helfen, und dass ich auch allein stehend sei, und dass man mir meine Behinderung halt einfach nur nicht so ansieht. Das hat aber nichts genützt. Auch die Art meiner Einschränkung ist schon stark genug, aber hier wird immer mit zweierlei Maß gemessen. Sogar in unserer Familie gibt es Menschen, die noch kränker sind, wenn ich aber dann sage: „das, was ich habe, ist aber auch schon genug Anführungsstriche, dann heißt es immer von Verwandten, Freunden und Bekannten: „bei jedem ist das, was er hat, schon genug.“ Wenn also einer nur einen Ticken mehr hat als ich, dann ist er furchtbar krank, geschlafen wach auf wohingegen das, was ich habe, nichts anderes ist als das, was eben jeder andere auch hat. Jedes Erlebnis wird von allen anderen Menschen zwanghaft positiv umgedeutet. Als ich neulich eine Assistentin erzählte, dass ich nach meinem zweijährigen Vertrag als fest angestellte im Berufsförderungswerk nicht mehr weiter arbeiten konnte, da ich auf den Pendelbus am Morgen angewiesen gewesen war, und erst jetzt nach fast 20 Jahren eine Straßenbahn dorthin fährt, jetzt, wo ich frühberentet bin und nicht mehr arbeiten kann, meinte sie nur: „Besser spät als nie.“ Wenn ich zum Beispiel meinen Sozialpädagogen erzähle, dass ich zwölf Medikamente einnehmen muss, und dabei dauernd irgendetwas schief geht, weil genau die Marke des Medikaments, die der Arzt verschreibt, nicht lieferbar ist, oder genau die Firma, die genau dieses Präparat herstellt, das ich brauche, gerade Pleite gegangen ist, und ich beinahe noch mal zum Arzt rennen musste, um ein Rezept zu kriegen, wobei der Weg für mich sehr mühsam ist, meinte er, die anderen, die von dieser Firma ein Medikament haben wollten, hat dies ja dann schließlich genauso getroffen. Da kann ich mir ein Ei drauf pellen . Er meinte zwar, es täte ihm leid, da dies eine Bagatellisierung meiner Situation sei, aber er hätte andere Kunden, denen dies Freude macht, wenn er ihnen sagt, dass andere jetzt ja schließlich genau in derselben Situation seien. Nun ja, die haben wahrscheinlich nicht zwölf, mittlerweile 13 verschiedene Medikamente, wegen derer sie laufend zur Apotheke rennen müssen. Auch wenn dies nach Jammern klingt, möchte ich einfach einmal haben, dass andere einfach mal sehen, wie meine Lebensrealität ist, ohne gleich wieder, wenn es ein einziges Mal klappt, den Rest auch mit schönreden. Mir täte es einfach gut, wenn andere Menschen einfach mal Mitgefühl hätten, wenn sie mir einfach mal wirklich echten Trost spenden würden, wenn Freunde einfach mal sagen würde, das ist scheiße, und wenn mich einfach mal jemand in den Arm nimmt, ohne gleich wieder alles wegzudrücken. Früher hat man ja bei Kindern immer gedacht, wenn man die Sachen weg redet, dann glauben die das, und man hat ihre Sorgen und Nöte einfach nicht ernst genommen. Heute sagt man sogar bei Kindern, ja, das ist jetzt einfach blöd, da hast Du recht. Damit verkauft man andere nicht für dumm und lässt einfach einmal die Sache so stehen. ich habe mir schon öfter überlegt, ob ich einen Hungerstreik machen soll. Ich hätte aber zu viel Angst davor und wäre zu feige. Außerdem würde man mich wahrscheinlich zu meinem eigenen Schutz Zwangs ernähren. Und ich könnte mir nicht vorstellen, Hunger ertragen zu müssen. Wenn ich dann doch alles durchsetze, was ich hier unten auf führe, und durch den Hungerstreik bleibende Schäden hätte, hätte ich auch nicht mehr viel davon. Außerdem könnte ich mir nicht vorstellen, nichts zu essen, weil Essen ebenso etwas Schönes ist. Dennoch finde ich manchmal, dies wäre die effektivste Methode, obwohl es Erpressung ist, denn ich hätte genügend Zeit, und bis zu einem gewissen Punkt könnte keiner Zwang ausüben, solange es nicht gefährlich würde. Irgendwie habe ich das Gefühl, ich laufe und rede hier gegen eine Wand, je mehr ich darunter leide, je mehr schreibe ich darüber, und je mehr ich darüber schreibe, umso weniger wird es gelesen. Irgendwann muss ich auch mal energisch werden, und vielleicht mit mehr Nachdruck sagen, was ein jeder Mensch in so einer Situation wie der meinen braucht, und was normalerweise ein jeder in einer solchen Situation auch kriegt: Und hier sind meine Forderungen Erstens: ich möchte, dass anerkannt wird, dass es nicht allen genauso geht wie mir. Ich möchte, dass ich bezüglich meiner Erkrankungen und meines Schicksals da einsortiert werde, wo ich hin gehöre. Es gibt viele, denen es noch schlechter geht, es gibt aber viele, denen es wesentlich besser geht. Ich möchte, dass jemand dafür sorgt, dass es in meinem Umfeld aufhört, dass es immer heißt, anderen ginge es genauso. Ich verlange, dass endlich anerkannt wird, dass selbst dann, wenn es anderen in einer oder zwei Situationen genauso geht wie mir, man dies nicht vergleichen kann, da ich Jan noch zahlreiche andere Baustellen habe. Daher ist es unzulässig, mir zu erklären, andere hätten dieses oder jenes auch schon erlebt, zumal dies wesentlich leichter zu ertragen ist, wenn man nur diese eine Sache mitmacht. Andere können nicht dieselbe schwere des Lebens für sich beanspruchen und mir dann auch noch erklären, dass sie die Situation total gut meistern. Dies ist ungerecht, denn wären sie tatsächlich in meiner Lage, würden sie es auch nicht besser machen können als ich. Ich möchte, dass andere auch einmal ihre Schwächen zugeben und nicht immer so tun, als stünden sie über ALLEM IMMER viel lockerer drüber als ich, als hätten sie dasselbe Schicksal, könnten aber nur einfach besser mit allem umgehen. Ich verlange, dass andere auch mal zugeben, dass sie mit den Situationen, die ich erlebe, genauso überfordert wären wie ich. Ich möchte, dass der Satz, jeder würde anders mit der Sache umgehen, und jedem wäre etwas anderes wichtig, und jeder würde es anders empfinden, im Hinblick auf meine schweren chronischen Erkrankungen oder im Hinblick auf meine traumatischen Erlebnisse endlich gestrichen wird. Ich glaube nicht, dass es hier so viele verschiedene Bandbreiten an Reaktionsmöglichkeiten gibt, und dass alle anderen auch genauso schlecht mit all dem hätten umgehen können. Es ist KEINE individuelle Geschmacksache, was sich ein Mensch in so einer Situation wünscht, oder was jemand in so einer Situation braucht, oder wie er auf solche Herausforderungen reagiert. Ich möchte, dass anerkannt wird, dass das, was ich brauche, kein exotischer Wunsch oder kein total individuelles Bedürfnis ist, sondern gemessen an meiner Lage völlig nachvollziehbar und im Durchschnitt der menschlichen Bedürfnisse. Ich möchte mich nicht dauernd schuldig fühlen, weil es anderen ja noch viel schlechter geht, und ich trotzdem sage, dass es schwierig für mich ist. Ich möchte mich aber auch nicht dauernd schuldig fühlen, wenn ich denen, denen es wesentlich besser geht, auch mal klar mache, dass es unzulässig ist, wenn sie sich andauernd mit mir vergleichen. Ich möchte auch mal abblocken dürfen, wenn es mir zu viel wird, wenn Leute, die es schwerer haben, immer bei mir abladen, meine Sorgen aber nicht anhören, oder diejenigen, denen es besser geht, laufend ihren Mist bei mir abladen, wo ich denke, warum ausgerechnet bei mir, wo ich doch noch viel mehr auszuhalten habe. Ich möchte nicht dauernd ein schlechtes Gewissen haben, wenn ich nicht dauernd daran denke, dass für andere ein abgebrochener Zahn vielleicht auch schlimm ist, wenn ich gerade schon wieder das 100. Mal beim Zahnarzt bin, oder wenn andere mir erklären, dass sie schließlich auch Hornhautverkrümmung haben, wo ich doch fast blind bin und wahrscheinlich mit Brille noch weniger sehe als die ohne. Ich möchte, dass diese Empathieverweigerung aufhört, dass man immer nur sachlich erklärt, dass dies oder jenes doch gar nicht so passiert sei, dass das doch gar nicht so negativ gewesen sei, dass doch auch positive Dinge passieren, oder dass mir immer nur die Seite der anderen erklärt wird, ohne auch einmal empathisch auf meine Seite einzugehen. Zweitens: ich möchte, dass andere, wenn sie mir gegenüber einen Fehler gemacht haben, dies auch zugeben wie bei anderen Menschen. Sätze wie, "tut mir leid, dass /wenn dies falsch bei Dir angekommen ist," oder: "das war doch nicht so gemeint", "das war doch nur auf dieses oder jenes bezogen und nicht…", verschleiern die Wahrheit. Ich möchte, dass meine Wahrnehmung bestätigt wird, wenn ich ein Fehlverhalten mir gegenüber bei anderen moniere. Ich möchte, dass andere ihren Fehler zugeben und sich wie bei jedem anderen Menschen auch dafür UNUMWUNDEN entschuldigen, ohne mich in die Ecke zu manövrieren, als sei ich ein gnadenloses Monster, das eine Entschuldigung erzwingt, da von alleine niemand sich entschuldigt, sondern man sich erst stundenlang rausredet, und ich das Bedürfnis nach meiner eigenen Entlastung und der Einsicht anderer nie einfach mal erfüllt bekomme. Man hat einen Fehler gemacht, nicht mehr aber auch nicht weniger, ich möchte, dass andere nicht immer alles auf mich, meine Auffassung, meine Wahrnehmung oder mein Verhalten schieben, sondern die Verantwortung für ihr Fehlverhalten auf sich nehmen. Drittens: ich möchte, dass andere mir absagen, wenn sie nicht kommen, und dass sie nicht dauernd behaupten, sie hätten mir dies gesagt. Immer bin ich an Missverständnissen und geplatzten Verabredungen schuld. Wenn mir andere vergessen, etwas abzusagen, habe ich es überhört, wohingegen wenn andere meine Absage überhört haben, hätte ich es angeblich nicht gesagt. Der Fehler liegt grundsätzlich bei mir. Auf die Idee, dass der andere vielleicht auch mal einen Fehler gemacht haben könnte, kommt eine andere Person erst gar nicht. Ich möchte, dass andere zu ihren Fehlern stehen. Viertens: ich möchte, dass andere das Verhalten anderer nicht dauernd in Schutz nehmen, wenn ich erzähle, dass mich ein Verhalten einer anderen Person verletzt hat. Zum Beispiel mit meiner Begleitperson über mich in der dritten Person reden, als sei ich nicht da, mich einfach anfassen oder mich einfach beiseite schieben und mich nicht mündlich darum bitten, auf die Seite zu gehen , mich einfach duzen, mich in sozialen Situationen ausgrenzen etc. Ich möchte, dass mein Gesprächspartner zunächst mir das Verständnis meiner Gefühle spiegelt und auch den anderen bei Gelegenheit erklärt, warum mich dies oder jenes zwangsläufig verletzt. Es steht mir zu , dass andere mich hier verstehen und nicht SOFORT und reflexartig und automatisch dauernd die andere Partei in Schutz nehmen und an mein Verständnis appellieren. Wenn ich umgekehrt andere verletze, wird mir schließlich auch erklärt, warum andere ein Verhalten von mir verletzt, wobei ich wiederum anderen gegenüber nicht dauernd in Schutz genommen werde, warum ich dieses oder jenes Verhalten an den Tag lege, sondern ich muss dann dauernd an meinem Verhalten arbeiten und etwas ändern. Das Verhalten anderer wird hingegen immer mit dem Satz ab getan, die sind halt unsicher, die wissen es nicht besser, die haben halt Berührungsängste etc. Somit wird ungerechterweise nur von mir grenzenlose Toleranz gegenüber dem Fehlverhalten anderer verlangt, ohne auch einmal meine Gefühle zu verstehen. Ich möchte, dass das aufhört, dass in solchen Situationen mir immer die Welt erklärt wird, wie einem kleinen Kind, warum das nun mal so sei, dass andere halt nun mal so sind. Ich bin ein erwachsener Mensch, und ich möchte, dass meine Gefühle, die ich in diesem Moment äußere, verstanden und mitgetragen werden. Ansonsten fühle ich mich wie ein Objekt, wie ein Ding, aber nicht wie ein richtiger Mensch, wie eine richtige Person, deren Gefühle man jetzt und hier mitempfinden kann. So werde ich eher wie ein Objekt verdinglicht . Schließlich soll ich nicht verstanden werden sondern erzogen. Denn ich bin ja in der Minderheit, daher zählen meine Gefühle nicht. Die anderen brauchen und können ja angeblich nichts dazulernen, die müssen ihr Verhalten nicht ändern, das ist eben eine Tatsache, da sie in der Mehrheit sind. Fünftens: ich möchte, dass meine ständigen Schmerzen aufhören, dauernd ist etwas mit meinen Zähnen, dauernd bekomme ich ein Implantat, eine Krone, dauernd werde ich an irgendetwas operiert. Dies ist nicht mit anderen vergleichbar, denn die haben nicht so viele Baustellen auf einmal . Ich möchte, dass meine Gelenkschmerzen durch Eppstein-Barr-Virus anerkannt werden, und dass jemand dafür sorgt, dass nicht dauernd irgendetwas neues kommt, wodurch ich wieder erneut Schmerzen und Leid erleben muss. Die unsinnigen Sätze, die man sich im Fernsehen oder bei Vorträgen von Philosophen, Psychologen, Pädagogen oder Soziologen anhören muss, die totale Schmerzfreiheit gäbe es nicht, sind ein Schlag in mein Gesicht, denn ich wäre schon froh, wenn ich einfach mal weniger Schmerzen und auch mal LÄNGER RUHE hätte. Wer redet hier von totaler Schmerzfreiheit? Sechstens: ich möchte, dass die Ärzte mir jedes Symptom, dass ich anbringe, sofort glauben, wie zum Beispiel meine erhöhte Vergesslichkeit, Abgeschlagenheit, Augenflimmern (und dies nicht laufend als subjektiv störend betitelt wird sondern als selbstverständlich objektiv störend verstanden wird). Ich verlange, dass mir als Jahrgang 68 meine Symptome nicht laufend als Alterserscheinungen ab getan werden, sondern dass sie als Teil meiner schweren mehrfachen Erkrankung ernst genommen und gewürdigt werden. Siebtens: ich verlange, dass die Dinge, die mir im Internat und auch sonst passiert sind, endlich gewürdigt werden, und dass mein Lebenslauf als sehr schwer eingeschätzt wird, ohne mir laufend die soziale Schuld (wegen Fehlverhaltens) an den Ereignissen oder an meiner mangelnden Integration zu geben. Ich möchte, dass herausgestellt wird, dass dies kein Lebenslauf wie jeder andere ist, sondern dass es sich hier um einen sehr außergewöhnlich schweren Verlauf handelt. Außerdem verlange ich, dass das aufhört, dass man mir immer sagt, das totale Glück gäbe es nicht, jeder hätte doch irgendetwas, und man dürfe an das Leben nicht zu hohe Erwartungen haben. Meine Erwartungen sind extrem gering. Nur um die zwei Jahre Arbeit, Frühberentung, kaum einmal eine Übersetzung, die ich machen kann, wenig Möglichkeiten, mit anderen zu musizieren, wenig Möglichkeit, Diskussionspartner zu finden, die mich auf Augenhöhe betrachten und taktvoll meine Wissenslücken füllen , wenige Möglichkeiten der Selbstverwirklichung, kaum in den Arm genommen zu werden sondern überwiegend medizinische Berührungen zu erleben, das ist einfach zu wenig, ich verlange, dass dies als wenig anerkannt wird, und dass niemand mir unterstellt, ich wolle das absolute Glück, die totale Schmerzfreiheit und die optimalen Lebensbedingungen. Ich akzeptiere durchaus, dass es in jedem Leben viele Dinge gibt, die einem halt nicht so schmecken. Achtens: ich verlange, dass mein Wissen endlich anerkannt wird, dass ich nicht laufend bewundert werde, da man mir nicht zutraut, dass ich etwas weiß, oder dass ich bei Faktenäußerungen immer gelobt oder beurteilt werde wie ein Schulkind. Ich möchte auf Augenhöhe mit anderen Erwachsenen gesehen werden, und ich will, dass mein Wissen anerkannt wird, dass meine Beiträge als wichtig und als relevant angesehen werden und nicht als die Äußerungen von jemandem, der keine Lebenserfahrung und keine Ahnung hat. Sätze , die auf meine Wissensdarbringungen kommen wie: " weiß ich nicht, kann sein", oder (wenn meine Beobachtungen von denen meines Gegenübers abweichen): "das sind doch alles Ausnahmen", oder, dass Beobachtungen zu einer bestimmten Sache von den Leuten abgeklärt und gelangweilt kommentiert werden: "das ist doch überall so, und das findest Du überall", und das gönnerhafte Verhalten, wenn ich Wissensinhalte äußere (da weißt Du ja mehr als ICH!) , sollen unterbleiben. Zehntens: ich möchte nicht erzogen werden, dass immer dann, wenn ich über Schwierigkeiten rede, andere mir sofort betulich klarmachen, das es doch nicht so schlimm ist, dass ich doch auch immerhin positive Dinge erlebe, und das doch immerhin dieses oder jenes funktioniert, nur wenn es einmal klappt, nach dem Motto: siehst Du, die Welt ist doch gar nicht so schlecht. Ich habe anderen keinerlei Arbeitsauftrag zu irgendeiner pädagogischen Intervention gegeben, sondern ich möchte einfach nur sachlich und auf Augenhöhe meine Situation schildern. Ich möchte, dass die Schilderungen meiner Umstände und meiner Lebenssituation ernst genommen werden. Ich gebe hier Einblick in meine objektive Lebensrealität, in das, was ich im Alltag zu bewältigen habe, und mit dem ich konfrontiert bin. Ich habe es daher nicht verdient, dass andere mich dazu erziehen, die Dinge doch anders zu sehen oder eine andere Perspektive einzunehmen. Die anderen sind nicht meine Erzieher sondern diejenigen, die diese Schwierigkeiten ernst nehmen und emotional mit mir teilen und mich ernsthaft als Erwachsene mitfühlend begleiten. Auch wenn es positive Dinge gibt, die ich dann erwähne, wenn ich es für passend halte, macht eine Schwalbe noch lange keinen Sommer. Ich schildere mein Leben, und da tritt man mir zu nahe, wenn man die Schilderungen nicht wertfrei und mitfühlend aufnimmt, sondern dauernd versucht, meine Sichtweise zu ändern. Elftens: ich möchte auch einmal Recht haben. Ich habe kein Problem damit, auch einmal Unrecht zu haben. Ich habe aber ein Problem damit, bei unterschiedlicher Meinung prinzipiell die zu sein, die unrecht hat. Es passiert laufend, dass Leute meine Argumente mit aller Gewalt und andauernd widerlegen und dagegen reden, wobei sie dann zuweilen hinterher irgendwann doch unauffällig machen, was ich vorgeschlagen oder dargelegt habe, ohne zuzugeben, dass es von mir kam, oder sie machen es erst dann, wenn ein ANDERER es ihnen rät. Ich möchte, dass mir jemand sagt: "stimmt, Du hast recht, so hab ich das noch nicht gesehen." Das macht man mit jedem, dies ist ein menschliches Grundbedürfnis. Ich möchte nicht als rechthaberisch gesehen werden, bloß weil ich ab und zu auch einmal Recht haben möchte. Wäre es den anderen egal, wer recht hat oder nicht, müsste ich nicht so darum kämpfen. Ginge es wirklich rein um die Sache, müsste ich mathematisch gesehen auch ab und zu mal bei unterschiedlichen Informationsständen oder Ansichten über Handlungsweisen Recht haben. Es gibt keinen Menschen, der immer Unrecht hat. Ich bin in jedem Schlagabtausch der Verlierer. Wenn ich aber recht habe, und das Gegenüber keine Argumente mehr hat, drehen die Leute sich weg oder wechseln das Thema und lassen mich darauf hängen und auflaufen. Es ist eine Schande, dass man mir gegenüber nicht die Größe hat, einmal zu sagen, stimmt, Du hast recht. Stattdessen werde ich in die Rolle des Monsters gedrängt, die dauernd darauf beharrt, recht zu haben, weil ich anders nicht zu meinem Recht komme, aber nicht damit leben kann, immer der Verlierer sein zu müssen. Die Unfähigkeit, auch einmal Recht zu haben, wird dann auch noch meinem Verhalten angelastet. Der Wunsch, auch recht zu haben, gilt als Sucht nach Anerkennung. Ich möchte mich nicht dauernd schämen müssen oder ein schlechtes Gewissen haben, wenn ich darum kämpfe, AUCH MAL recht zu haben. Dass ich überhaupt darum kämpfen muss, sagt nicht nur etwas über mich aus, und auch, dass ich dauernd darum kämpfen muss, dass andere auch mal einen Fehler zugeben. Zwölftens: ich möchte, dass meine Wünsche und Bedürfnisse und meine Grenzsetzungen nicht laufend so dargestellt werden, als seien dies ganz exotische und individuelle Wünsche. Ich möchte, dass andere einsehen, dass meine Kritik an ihnen und ihrem Verhalten auch berechtigt ist, und dass sie genauso wie ich es tun muss oder musste, ihr Verhalten reflektieren und gegebenenfalls sogar ÄNDERN müssen. Ich möchte nicht, dass es dauernd so aussieht, als hätte ich spezielle Wünsche, die man sich extra umständlich merken muss, sondern ich möchte, dass andere mir bestätigen, dass mein Wunsch nach Anerkennung, danach, nicht einfach mit Du sondern auch mit Sie angesprochen zu werden, nicht einfach angefasst zu werden, nichts Individuelles sondern nachvollziehbar, logisch und angemessen ist. Ich erwarte, dass mein Bedürfnis, dass mein Leiden anerkannt wird etc., dass man nicht einfach in meiner Wohnung ohne zu fragen an alles dran geht, oder dass man nicht dauernd über meine Grenzen geht, als ein normales Bedürfnis eingesehen wird, und dass man nicht dauernd so tut, als müsste man mir gegenüber besondere Vorsichtsmaßnahmen vornehmen, damit das böse Monster nicht ausflippt, und dass man so tut, als sei ich anderen gegenüber extrem unnachgiebig, streng und unnachsichtig. Ich möchte, dass mich jemand in meinen Wünschen bekräftigt und auch die Wünsche und die Kritik, die ich ihm gegenüber äußere, als normale und berechtigte Empfindungen hinstellt, und nicht immer so tut, als müsse er bei mir ganz besonders aufpassen, anstatt einmal einzusehen, dass man bei mir nicht erst eine Gebrauchsanweisung lesen muss, um mit mir klarzukommen. Kein chronisch kranker möchte, dass seine umständliche Lebenssituation als normale Härte des Alltags betrachtet wird, die andere auch erleben, seine Leiden als ganz alltäglich hingestellt werden, oder dass sie als Alterszipperlein oder Jedermanns- Wehwehchen bagatellisiert werden. Ich möchte, dass meine Bedürfnisse als völlig normal und nachvollziehbar dargelegt werden, auch wenn ich jetzt auf so harte und ungewöhnliche Weise darum kämpfen muss. 13. ich möchte, dass mir, die ich jahrelang dafür gekämpft habe, dass meine zusätzlichen Behinderungen wie Probleme der Feinmotorik, der Wahrnehmung, ADHS und Autismus endlich anerkannt werden, Fachleute endlich genau erklären, warum ich bestimmte Dinge nicht kann, und wie genau die Mechanismen hier greifen, dass es zu diesen Problemen kommt. Es nützt mir wenig, wenn Experten mir laufend sagen, dass es gesunden und Nichtbehinderten ja schließlich genauso ginge. Jahrelang habe ich darunter gelitten, dass ich feststellen musste, dass bei mir die Dinge anders sind als bei anderen, dass ich viele Dinge nicht so kann wie andere, und dass ich mit vielen Dingen mehr Schwierigkeiten habe im Unterschied zu anderen. Ich habe also nicht jahrelang dafür gekämpft, dies endlich bestätigt zu kriegen, um nun lediglich zu erfahren, dass ich eigentlich gar kein besonders großes Problem hätte. Irgendwie muss sich dieser Unterschied, den ich schon immer bemerkt habe, ja erklären lassen, und wenn ich schon all diese Diagnosen unter großem Kampf und Anstrengung durchgesetzt habe, dann bestimmt nicht deshalb, um dann laufend WIEDER nur zu hören, dass der unterschied eigentlich gar nicht bestünde, oder wie viele andere dieselben Probleme hätten, ohne diese Diagnose zu haben. Selbst wenn es Menschen gibt, die (vielleicht wegen einer anderen Behinderung?) AB UND ZU AUCH MAL Dieselben Probleme haben wie ich, möchte ich JETZT ENDLICH einfach genauer wissen, wie es zu den Mechanismen kommt, die zu meinen Schwierigkeiten führen. Dass es hin und wieder mal jemand gibt, dem es genauso geht, und Nichtbehinderte mir gegenüber immer betonen, dass man ja auch mal einen schlechten Tag hat, mag ja sein, aber die Frage ist hier nicht, wie oft es zufällig doch mal vorkommt, dass andere auch eine Packung nicht auf kriegen, aneinander vorbeireden, Sachen nicht richtig befestigen können usw., sondern es geht ja darum, endlich Entlastung zu finden, dass es für meine zahlreich bestehenden Abweichungen zu den Fähigkeiten anderer endlich plausible und stichhaltige Begründungen und Erklärungen gibt. Es ist kein Trost, dass es anderen auch mal so geht, dadurch wird meine Erkrankung eigentlich verleugnet. Und ich habe schon zu lange damit leben müssen, festzustellen, dass etwas nicht stimmt, und wie dies jahrelang immer wegdiskutiert wurde. Jetzt, da es endlich eine Diagnose gibt, möchte ich auch, dass meine objektiv bestehenden Schwierigkeiten eingesehen und damit erklärt werden. Das hat nichts mit einer Entschuldigung oder einem Freibrief zu tun, sondern damit, dass die lange Odyssee und der lange Kampf um Erklärungen für meine Schwierigkeiten endlich ein Ende haben, und es vernünftige Erklärungen gibt, und ich mir dies alles nicht bloß eingebildet habe. Würde es anderen tatsächlich genauso gehen wie mir, hätten wir ja nie Abweichungen festgestellt, und dann hätte es auch keine Diagnose gebraucht. Ich möchte, dass dies endlich alles eintritt. So wie der verrückte Nachbar meines Bruders einmal unter einen Brief an ihn schrieb: „So wie es geschrieben steht, so wird es geschehen.“ Diese Punkte, die ich hier aufzähle, sind Grundbedürfnisse eines jeden Menschen: Anerkennung der Realität, kein herauswinden bei Fehlern oder Hintertürchen offenlassen, niemandem etwas ausreden, wegdiskutieren oder so betulich vereinzelte positive Beispiele herausstellen, siehst Du, … sondern den Abgleich der Realität vornehmen. Der Wunsch, dass andere auch von mir etwas annehmen, oder dass auch mein Leben und meine Erfahrungen nicht umsonst waren, sondern dass andere, so wie ich dies auch lebenslang tun muss, auch durch mich und an mir Erfahrungen sammeln oder ihre Einstellungen ändern oder was lernen. Ich kann ja auch nicht immer mein Verhalten so ausführen, wie ich Lust habe, und hinterher dann sagen, ich hab es doch nicht so gemeint, ich bin halt unsicher, das war doch ganz anders, tut mir leid, wenn es bei Euch falsch ankommt. Ich bin leider in der Minderheit, ich würde bei häufigem solchem Fehlverhalten mit Konsequenzen wie Ausgrenzung rechnen müssen, wohingegen meine Kritik an Verhaltensweisen anderer nichts bewirkt, da ich nicht erwarten kann, dass andere sich wegen mir ändern, sondern ich im Gegenzug immer nur die anderen zu verstehen habe. Es soll einmal hier zu bedenken gegeben werden, dass auch ich im Umgang mit Nichtbehinderten Berührungsängste habe und unsicher bin, da ich sehr lange von nicht behinderten Menschen isoliert war, da ich in Schule und Internat die entscheidenden Jahre eben nicht mit Nichtbehinderten großgeworden bin. Fehlverhalten von Nichtbehinderten wird immer damit entschuldigt, dass sie Behinderte nicht kennen und daher nicht wissen, wie sie mit ihnen umgehen sollen. Warum soll das umgekehrt nicht genauso der Fall sein? Nur ich habe in der langen Zeit, die ich mit Nichtbehinderten zu tun hatte, auf die harte Tour gelernt, was geht und was nicht geht. Ich kann auch nicht immer sagen, ich bin autistisch , tut mir leid, ich benehme mich ebenso. Auch ich musste lernen, dass bestimmte Dinge einfach nicht regelkonform sind, oder dass man bestimmte Dinge nicht macht. Ich kann aber wiederum meinerseits nicht hergehen und sagen, ich bin leicht autistisch, bitte nehmt mal Rücksicht, verwendet bitte keine Ironie, erklärt mir die Dinge bitte umständlich, benutzt nicht allzu viele Metaphern, lasst bitte nicht zu viel in Euren Erzählungen und Erklärungen weg und sagt bitte nicht zu viel zwischen den Zeilen, benutzt bitte weniger Gestik und Mimik, oder verbalisiert sie bitte extra für mich, da ich sie weder sehen noch intuitiv erfassen kann. Alleine hier ist schon ein gewisses Machtgefälle deutlich, da ich mich mehr an die Gesellschaft und an die Welt anpassen muss als andere sich an mich. Und dennoch möchte ich in meinen Bedürfnissen ganz normal behandelt werden, da ich normale Wünsche habe, auch gerne eine berufliche Laufbahn eingeschlagen hätte, und all die Dinge getan hätte, die ich bereits oben erwähnt habe. Es ist gegen die Menschenwürde, immer der Sündenbock zu sein, wie ich es oben beschrieben habe. Wenn meine Formulierungen bei anderen falsch ankommen, dann lag das an mir, weil ich mich zu derb ausgedrückt habe. Wenn ich über die Formulierungen anderer verärgert bin, liegt es auch an mir, da ich die Sätze der anderen falsch verstanden habe. Immer nur bin ich diejenige, die an mir arbeiten muss, oder die ihr Verhalten ändern soll, oder die irgendwie in Reparatur gehen muss, wohingegen mir immer gesagt wird: „Du kannst die anderen nicht ändern, Du kannst nur Dich selbst ändern.“ Ich habe keinerlei Handhabe oder keinerlei Konsequenzen, die ich anderen androhen kann, wenn sie sich nicht so verhalten, wie ich es will. Ich hingegen muss Konsequenzen befürchten, wenn ich mich nicht den Erwartungen anderer konform verhalte, da ich dann auffalle, mich blamiere, nicht ernst genommen werde, bei anderen Verärgerung hervorrufe, ausgeschlossen werde etc. das der Grund für den Konflikt vielleicht auch einmal in ungünstigen Eigenschaften oder Verhaltensweisen oder Angewohnheiten meines Gegenübers gelegen hat, und der sich vielleicht mal anders benehmen müsste, steht gar nicht zur Diskussion. Ich brauche die anderen, leider brauchen die anderen nicht mich. Somit bin nur ich von den anderen abhängig aber nicht umgekehrt, daher sehen andere keinerlei Notwendigkeit und keinerlei Leidensdruck, ihr Verhalten zu ändern. Ich fühle mich immer wie ein Tyrann, wie jemand, der andere laufend nervt oder dauernd irgendwelche Forderungen stellt, oder der andere dauernd in die Ecke und in die Enge treibt, damit sie das kriegt, was sie will. Ich wirke wie jemand, bei dem man Angst haben muss, dauernd was falsch zu machen. Aber in diesem System wird mir sozusagen diese Rolle irgendwie auch zugewiesen. Ich müsste mir eigentlich auch irgend ein Druckmittel ausdenken, einen Hungerstreik, einen Sitzstreik oder eine Demonstration. Dazu hat man dann ja eine Menge Zeit, Beharrlichkeit und Kraft und Spielraum. So bleibt genügend Zeit, meine Forderungen, die berechtigt sind, zu erfüllen. Auch wenn dies alles sehr hart herüber kommt, bin ich im Grunde tief und tot traurig. Ich hätte lieber Menschen, die mich wirklich verstehen, die Empathie und Mitgefühl mit mir haben, die mir gegenüber auch Größe zeigen, die sich auch mal entschuldigen können, die auch mal Fehler zugeben, die mir auch mal Recht geben, wo ich nicht dauernd drängen muss, wo ich nicht dauernd darum betteln oder kämpfen muss, dass sie mal etwas zu geben, oder dass sie mal etwas anerkennen oder einräumen, mit denen ich Wissen austauschen kann auf Augenhöhe, die von mir lernen, und von denen ich auch gerne lerne, die ihre Schwächen zeigen, zumindest im engsten Kreise, die auch mal eigene Missgeschicke zu geben, und die auch mal zugeben können, dass sie mit bestimmten Dingen, die auf mich zukommen, genauso schlecht fertig werden würden, die nicht immer super, toll, schlagfertig und stark sind, sondern die auch mal zugeben, dass sie auch nicht immer einen Spruch parat haben, oder auch mal sich nicht trauen, etwas zu sagen, oder die auch mal Angst haben. Kurzum, nicht nur lauter fehlerlose Monster, die so einem armen Geschöpf wie mir helfen, sondern Menschen, vor denen ich ACHTUNG haben kann, aber wo auch der Spruch: Irren ist menschlich, ebenso zutrifft.

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