Sonntag, 9. April 2017

Auf Punkt und Komma kommt es an

Nun war es soweit, tatsächlich ist meine Transplantation schon ein ganzes Jahr her. Daher stand die Ein-Jahres-Punktion an. In unserem Transplantationszentrum ist es üblich, dass nach einem Jahr punktiert wird. Davon abgesehen, dass dies offenbar eine der Lieblingsbeschäftigungen dieser Klinik zu sein scheint, macht dies durchaus Sinn. Bei uns wird ziemlich schnell punktiert. Ein Jahr nach der Transplantation wird so besser nachgeschaut und beurteilt, ob die Immunsuppression so passt. Eigentlich ist dies eine freiwillige Geschichte, und ich hätte dies vor einigen Monaten noch komplett abgelehnt. Denn mein Kreatinin war traumhaft. Ich hatte ja in meinem Block Eintrag über meine Rehabilitationsmaßnahme geschrieben, dass die Chef Ärztin meinte, ich sei Klassen Beste, ich hätte mit einem Kreatinin von 0,8 den besten Wert der ganzen Gruppe. Nach meiner Schilddrüsenoperation änderte sich dies doch leider. War früher ein Kreatinin von 1,18 mein schlechtester Wert und Grund zur Beunruhigung, war ich nun schon erleichtert, wenn das Kreatinin einmal bei 1,17 war. Daher entschieden wir, dass ich die freiwillig veranschlagte Jahrespunktion durchführen lassen sollte. Am 12. April 2016 wäre es genau auf den Tag ein Jahr gewesen, dass ich dort zur Transplantation war. Ich wollte aber etwas früher nachsehen, da es ja tatsächlich auch objektiv Grund gab, die Immunsuppression einmal überprüfen zu lassen, indem man das Gewebe anschaut. Dort könnten sich viele weiße Blutkörperchen sammeln, insbesondere Lymphozyten, die den Schluss zulassen, dass eine Abstoßungsreaktion vorliegt. Schließlich fanden wir eine Woche vor dem Jahrestag einen Termin am Dienstag den 4. April. Da sollte ich mich um 8:00 Uhr auf der Station einfinden. Ein paar Tage zuvor hatte ich noch eine Blutabnahme bei der Transplantationsambulanz und wurde von meinem Arzt genau aufgeklärt, wie die Punktion laufen würde, und welche Risiken entstehen könnten. Man würde mit einer kleinen Röhre, eine Art Zylinder blitzschnell in das Gewebe eindringen, wobei in der kleinen Röhre ein kleiner Haken wäre, der sich über ein seitlich an der Röhre angebrachtes Loch ein kleines Stück von der Niere klauen würde. Dies würde aber so schnell gehen, dass man es gar nicht merkt, und außerdem würde die Stelle zuvor örtlich betäubt. Dennoch hatte ich große Angst vor diesem Ereignis, denn man macht ja schließlich alles immer zum ersten Mal, und wie schon Hans Albers sinkt, „beim ersten Mal da tut's noch weh“. Danach würde mir ein Sandsack auf die Niere gelegt, und ich sollte 24 Stunden Bettruhehaben. Am Dienstag kam ich also, nachdem ich schon um 6:00 Uhr aufgestanden war und gefrühstückt hatte, mit dem Taxi an und wurde vom Fahrer direkt auf Station gebracht. Man sagte mir aber, ich hätte mich vorher anmelden müssen, denn mein Kärtchen würde ja eingelesen werden. Das ist aber immer mit der Ziehung einer Nummer verbunden, was für blinde, die meistens mit einer Anlage ohne zwei Sinne Prinzip konfrontiert werden, ziemlich kompliziert ist. So bot sich ein Pfleger an, schnell nach vorne zu gehen und mein Kärtchen einlesen zu lassen mitsamt der Befreiung. Einige der Pfleger erkannte ich wieder, andere kannten mich noch. Zunächst einmal wurde ich von der Schwester aufgenommen, und danach durfte ich meine Tasche aufs Zimmer bringen. Dann kam ein junger Arzt im praktischen Jahr, der mich ärztlicherseits aufnehmen und untersuchen sollte. Meine Medikamente hatte ich auswendig im Kopf. Als wir gerade die Liste zur Hälfte durchgegangen waren, kam die Schwester herein und meinte, es sei so weit, ich solle jetzt in den Ultraschallraum gebracht werden, dort könnte ich mich umziehen. Ich durfte dort meinen Schlafanzug anziehen, es seien nur Frauen anwesend, die Punktion würde von einer Ärztin durchgeführt. Ich war sehr froh, denn es war die Ärztin, die ich schon vom letzten Jahr her kannte, und die sehr gut im Ultraschall war und außerdem noch sehr nett. Ich fand es schön, dass ich kein Operationshemd anziehen musste, nachdem ich ja danach noch 24 Stunden in diesem Gewand hätte verbleiben müssen. Nach längerem Warten kam dann die Ärztin. Ich war schon ziemlich aufgeregt, freute mich aber, dass sie mich noch wieder erkannte. Die örtliche Betäubung tat weniger weh als erwartet. Was am meisten weh tat war, als sie mit einer kleinen Röhre die Haut herunterdrückten, um die Stelle einzuzeichnen, nachdem man sie mit dem Ultraschall als die beste Stelle für die Punktion ermittelt hatte. Danach drückte die Ärzte mit einem Skalpell testweise in die Haut, aber es tat immer noch weh. Nach 5 Minuten wiederholte sie dies, und ich dachte, dies sei nur der Test, ob die Stelle schon taub sei. Ich monierte, dass es immer noch weh tut. Ich hörte dann ein Geräusch, das sich wie eine Spielzeugpistole anhörte, und sie sagte, so würde sich dann das Gerät für die Punktion anhören. Schon bat sie die Schwester um dieses Gerät und legte eine Platte aus Plastik auf die Punktionsstelle. Ich hatte schon Angst, da ich den Stich mit dem Skalpell vorher noch gespürt hatte. Dann hörte ich das Geräusch wie aus einer Spielzeugpistole, und es war schon vorbei. Das war alles, es hat überhaupt nicht weh getan. Sie hatte zuvor mit dem Skalpell schon einmal den Stichkanal gebohrt, durch den sie dann mithilfe des Gerätes das Gewebe holen wollte. Ich war wirklich überrascht, dass ich nicht einmal den leisesten Schmerz spürte. Dann kam der sogenannte Sandsack, wobei das Wort "Sack" wirklich irreführend ist. Es handelt sich hier um ein Kirschkernkissen großes Gebilde, das auf die Niere gelegt wird. Nachdem die Schwester die Stelle noch etwas abgedrückt hatte, legte sie diesen sogenannten Sandsack darauf und bannt mir ein Leibchen um, eine Bauchbinde, die sie zuvor aufgrund meiner zierlichen Figur etwas zu schmal ausgewählt hatte. Mit einem Sandsack dazwischen hätte ich überhaupt keine Luft mehr gekriegt, denn auch ohne Sandsack war diese Bauchbinde viel zu kurz gewesen. So nahm sie eine riesengroße, die wesentlich bequemer war. Ich wurde dann so liegend ins Zimmer zurückgefahren. Nun sollte ich 4 Stunden so auf dem Rücken bleiben, danach würde noch einmal ein Ultraschall gemacht, der Sandsack würde dann entfernt, und ich müsste noch weitere 20 Stunden im Bett bleiben. Ich dachte eigentlich, das Schlimmste hätte ich überstanden. Weit gefehlt, die 4 Stunden waren wirklich die Hölle in Dosen. Die Betten waren wirklich nicht sehr bequem, und ich bekam, die ich nicht gewohnt bin, solange auf dem Rücken zu liegen, höllische Rückenschmerzen auf der linken Seite, die sich von ganz oben bis nach ganz unten zogen. Nach einer Weile musste ich auf Toilette, und eine Schwester kam, die ich schon vom letzten Jahr her kannte. Ich bat sie, ob sie mir eine Schüssel geben könnte. Sie stellte mir die Schüssel hin, und ich machte eine Brücke. Ich dachte, sie würde den Rest erledigen, da schimpfte sie schon, ich solle doch gefälligst meine Hose auch noch runterziehen. So ginge das ja schließlich nicht, das müsse ich schon selbst machen. Dann fragte ich sie, ob ich richtig auf der Schüssel säße, und sie meinte, das müssen die Patienten schon selbst beurteilen, drehte sich um und ging unfreundlich davon. Ich war wirklich in Tränen, da ich dachte, schon wieder habe ich so eine Person erwischt, die so wenig hilfsbereit ist. Ich konnte nur loslegen, nachdem ich mich fast in eine aufrechte Position gebracht hatte. Das hätte ich eigentlich nicht tun dürfen, denn ich hätte ja liegen sollen, ohne die Bauchdecke anzuspannen. Nach einer Weile kam die Schwester zurück, und ich sagte ihr, dass ich fast blind sei. Das wusste sie aber noch. Als sie mir dann half, mich zu säubern, stellte sie fest, dass im Urin Blut war. Das kann nach einer Punktion passieren, denn die Niere blutet ja, und dies geht dann mit dem Urin nach draußen. An sich ist dies kein Problem, es können sich aber Gerinnsel bilden, die dann die Blase verstopfen, und in diesem Fall müsste dann ein Spülkatheter gesetzt werden, um die Blase mit Wasser durch zu spülen, damit sich die Koagel auflösen. Die Stationsärztin kam und erklärte mir, ich müsse viel trinken, ich solle jetzt diese Flasche hier ganz leer machen, und dann stellte sie mir gleich die nächste hin. Ich hatte zuvor die Schwester gefragt, was wir tun könnten, mein Rücken Täter höllisch weh. Ich hatte eigentlich erwartet, dass die Schwester mir sagt, dass dies bei allen Patienten so ist, und dass sie daher eine Möglichkeit hätte, oder dass sie dafür ausgerüstet seien, und sie mir einen Keil oder ein besonderes Kissen bringen könnte. Stattdessen meinte sie nur lapidar, sie müssen liegen bleiben, das ist so, sie dürfen nicht aufstehen. Das wusste ich ja, meine Frage zielte auch nicht darauf hin ab, ob sie eine Ausnahme machen könnte und Gnade vor Recht ergehen lassen würde, sondern darauf, ob sie vielleicht eine Abhilfe hätte. Ich beklagte mich bei der Ärztin und meinte, ich hätte von der Krankenschwester schon einen Vorschlag erwartet, woraufhin die Ärztin meinte, das hätte sie tun müssen. Sie bat die Schwester, die hereinkam, mir doch ein weiteres Kissen zu bringen. Außerdem gab sie mir Novamintropfen gegen die Rückenschmerzen, da mir ja nichts anderes übrig bleiben würde, als die 4 Stunden auszuhalten. Ich habe einfach aufgrund meines schlechten Sehens keine gute Haltung und einen etwas verzogenen Rücken, daher fällt es mir extrem schwer, auch nur kurze Zeit auf dem Rücken liegen zu bleiben. Das Schmerzmittel half wenig, denn der Schmerz saß ja ziemlich tief. Die Ärztin versprach mir, sollte ein Katheter gelegt werden müssen, würde ich eine leichte Narkose bekommen, denn ich habe eine ziemlich enge Harnröhre. Selbst bei einer normalen Blasenspiegelung habe ich daher höllische Schmerzen. Die Aussicht, dies nun über mich ergehen lassen zu müssen, trübte meine Stimmung erheblich. Nach einer Weile kam ein Pfleger, anhand dessen Akzent ich feststellte, dass er wohl aus Spanien war. Ich sprach ihn auch darauf an, und so sprachen wir eine Weile miteinander auf Spanisch. Dies freute mich sehr, und er lobte auch mein Spanisch. Er meinte, angeblich würde ich besser Spanisch sprechen als er Deutsch, ich konnte dem nicht widersprechen, weil ich dazu zu lange hätte überlegen müssen, wie ich das genau formuliere . Er meinte, Deutsch sei wesentlich schwieriger, da musste ich ihm allerdings zustimmen. Sein Deutsch war wirklich sehr gut, besser als mein Spanisch, was ich aber, wie gesagt, nur sehr umständlich hätte ausdrücken können. Er hatte wahrscheinlich gehofft, dass ich ihm sofort widerspräche, daher brachte er den Einwand an, dass Deutsch ja schließlich wesentlich schwerer sei, was ich aber aufgrund meines Unterrichts bei den Rumänen tatsächlich auch aus vollem Herzen bestätigen kann. Zuvor hatte ich mit angehört, wie der spanische Pfleger auf dem Flur zu jemandem sagte, Frau hat ein Kreatinin von 1,6. Da bin ich furchtbar erschrocken. Als er dann bei mir war, fragte ich ihn, ob das stimmt, und er meinte, wenn er das so gesagt hätte, dann müsse das wohl auch so sein. Ich grübelte darüber nach, ob ich die Niere vielleicht geärgert hätte mit der Punktion, und sie daher mit einem hohen Kreatinin reagiert hatte. Denn so stark war es noch nie angestiegen. Bei der Entlassung aus dem Krankenhaus nach der Transplantation lag es bei 1,3. Irgendwann kam dann ein polnischer Pflege herein, den ich an seiner Stimme erkannte, da ich ihn ein paar Mal im Nachtdienst erlebt hatte, als ich ein Jahr zuvor transplantiert wurde. Während meiner Reha hat mir ein mit Patient erzählt, dass dieser Pfleger total super sei, was ich damals noch nicht bestätigen konnte, da ich ihn nur kurz gesehen hatte. So richtete ich ihm schöne Grüße dieses Patienten aus und meinte, dieser habe ihn so sehr gelobt. Da freute er sich sehr. Dass er wirklich ein toller Kerl war, konnte ich bald selbst sehen. Allerdings hatte ich wahrscheinlich auch aufgrund meiner Äußerung einen Stein bei ihm im Brett, da ich ihm eben dieses Kompliment des Mitpatienten mitgeteilt hatte. Außerdem hat er sich sicher gefreut, dass ich ihn gleich wieder erkannt hatte. Nach einer Weile war mir fast schlecht vor Hunger, denn ehe die zweite Ultraschalluntersuchung nicht stattgefunden hatte, durfte ich nichts essen, falls doch etwas nicht in Ordnung war, und man hätte operieren müssen. Wobei mir die Ärztin sagte, dass selbst eine größere Blutung meistens von selbst wieder verschwindet, und dass man in seltenen Fällen nur eingreifen müsste, das aber schlimmstenfalls eben dieser Katheter gelegt werden müsste. Dafür muss man aber eigentlich nicht nüchtern sein. Dies war wahrscheinlich einfach eine Sicherheitsmaßnahme. So fragte ich den Pfleger, ob ich etwas essen dürfte, und er meinte, das ginge eben nicht. Als ich dann noch mal auf die Schüssel ging, stellten wir fest, dass kein Blut mehr drin war, und zwar schon zum zweiten Mal. Mittlerweile hatte ich nämlich mindestens 2 l Wasser getrunken wie ein indischer Wasserbüffel. So sagte er mir, ich könne jetzt zum Ultraschall, man könne jetzt die Untersuchung machen. Er würde sich sofort erkundigen. Nach einer Weile kam er wieder, jetzt ginge es zum Ultraschall. Ich fragte ihn, ob er mir , da das Mittagessen sowieso schon längst ausgeteilt worden war, ein Stück Kuchen und einen Cappuccino aus der Cafeteria holen könnte. Er meinte, jetzt könne er das noch tun, aber es würde alles kalt werden, bis ich vom Ultraschall zurück sei. Später wisse er nicht, ob das noch ginge, und er dann noch die Zeit dazu hätte. So gab ich ihm das Geld und bat ihn, den Kaffee zu holen, wenn dieser dann kalt würde, wäre mir das auch egal, besser als gar keinen. Nach einer Weile erschien er dann mit beiden Dingen im Ultraschall und meinte, die Ärztin sei noch nicht da, ich könne ja den Cappuccino und den Muffin schon einmal zu mir nehmen, dann sei der Kaffee wenigstens noch warm. Ich fand das lustig, im Ultraschallraum im Bett zu sitzen und Kaffee zu trinken und Kuchen zu essen. Die Oberärztin würde gleich kommen, so wurde mir gesagt. In der Zeit, bis sie kam, hätte ich mindestens drei Stück Kuchen und drei Cappuccino vertilgen können. Als sie dann kam, streckte ich ihr meinen leeren Becher entgegen und bat sie, diesen wegzuwerfen, da ich hier ein kleines Picknick veranstaltet hätte. Langmütig nahm sie den Becher entgegen und lächelte wohl. Dann erklärte sie mir, nachdem sie den Ultraschall durchgeführt hatte, dass alles in Ordnung sei. Bei der Biopsie sei aber schon ein Ergebnis absehbar, es lägen schon die ersten Resultate vor, es handele sich um eine leichte Abstoßung. Darüber war ich sehr erschrocken. So teilte ich ihr das Kreatinin von 1,6 mit, wobei sie meinte, das habe nichts mit der Punktion zu tun, ich hätte einfach Glück gehabt, dass ich jetzt gekommen sei, man könne dies jetzt noch abfangen. Ich würde einen Cortisonstoß erhalten, man würde am Dienstag, also am selben Tag noch, damit beginnen, am Mittwoch und am Donnerstag bekäme ich dann auch noch einmal 250 mg Cortison über die Vene, danach kämen noch zwei Tage mit 100 mg und danach noch zwei Tage mit 50 mg, dann könnte ich wieder ganz normal meine 5 mg einnehmen. Ich fragte sie, ob ich dann am Donnerstag wieder entlassen würde, und sie meinte, nach der Infusion könnte ich sofort nach Hause. Denn von unserer Redaktion stand ja noch unser Weihnachtsessen an, welches wir kurz vor Ostern endlich nachholen konnten. Es war mir sehr wichtig, an diesem Essen teilzunehmen, da mir das Radio riesengroßen Spaß macht. Die Bauchbinde und den Sandsack nahm die Ärztin, so dass ich mich jetzt im Bett frei bewegen konnte, jedoch durfte ich noch nicht aufstehen. Ich fragte sie, ob das erhöhte Kreatinin, dass ich ja vorher schon mit um die 1,2 hatte, durch die Schilddrüsenoperation verursacht worden sei, woraufhin sie meinte, das sei reiner Zufall, wir Menschen tendieren dazu, Dinge, die gleichzeitig geschehen, in Beziehung zu setzen und für alles eine Ursache finden zu wollen. Die gäbe es aber nicht in jedem Falle. Ich war ziemlich traurig und wartete auf die Infusion. Die Zeit Vertrieb ich mir damit, Musik und Beiträge anderer blinder Hörer mit meinem Notizgerät zu genießen, und indem ich allen über die leichte Abstoßung über WhatsApp informierte. Der Blasenkatheter war jetzt zumindest schon mal vom Tisch, umgekehrt wäre es mir lieber gewesen zu dieser Zeit, die Schmerzen vom Blasenkatheter, dafür aber keine Abstoßung. Als nach Stunden immer noch keine Infusion kam, dachte ich, die haben mich vergessen. Ich war stinksauer. Eine Krankenschwester kam herein, und ich sagte ihr, dass ich aufgrund meiner Mehrfachbehinderung sowieso schon wenig vergnügen hätte, und dass ich unbedingt am Donnerstag entlassen werden wollte, um an diesem Essen teilzunehmen. Wenn jetzt kein Cortison käme, müsste ich bis Freitag bleiben, und ein ganzer Tag würde so verschwendet. Die Schwester wollte gerade ausholen und sagen, ich solle ihr jetzt bitte zuhören, die Ärztin sei nicht mehr da usw. Da brachte sich der tolle Pfleger wieder ein und holte tatsächlich die Ärztin. Die erklärte mir sehr freundlich, dass ein Missverständnis vorgelegen hätte. Ich hätte ihr den falschen Wert weitergegeben, ich hätte kein Kreatinin von 1,6 sondern von 1,06. Dieser Wert sei zu diesem Zeitpunkt noch nicht bei ihr angekommen gewesen, aber nachdem ich ihr gesagt hätte, ich hätte ein Kreatinin von 1,6, hatte sie sich für einen Cortisonstoß entschieden. In Anbetracht der anders gelagerten Situation sei dies jedoch nicht notwendig. Daher sei auch niemand mehr gekommen, ich könne morgen nach Hause. Da meinte ich etwas verlegen, nun war doch wieder ich diejenige, die dieses Missverständnis verursacht hatte. Sie war aber sehr nett und meinte, die Hauptsache ist doch, dass alles in Ordnung ist. Es läge zwar eine leichte Abstoßung vor, es hätten sich T-Lymphozyten im Biopsat in erhöhter Zahl ermitteln lassen, doch müsse man lediglich die bestehende Medikation etwas ändern, ich bräuchte einfach mehr Advagraf. Man würde es von 8 mg auf 9 mg erhöhen. Ich war sowieso schon immer eine, die eine sehr hohe Dosis brauchte, um einen halbwegs vernünftigen spiegelhinzukriegen. So war ich erleichtert und schrieb wieder an alle, dass nun doch alles o. k. sei, ich keinen cortisonstoßbekäme und morgen nach Hause dürfte. Dann fragte ich noch den Pfleger, ob er mir mein Handy und mein Notizgerät in die Steckdose stecken könnte, und er holte sogar noch ein Verlängerungskabel mit einer Dreiersteckdose, sodass ich beide Dinge bequem einstöpseln konnte. Ich dachte, heut ist der Tag der Wünsche, am liebsten hätte ich ihn mit nach Hause genommen, da er mir wirklich jeden Wunsch erfüllen konnte. Wie der sich reingehängt hat, so etwas erlebt man wirklich selten. Wir waren schon zu dritt im Zimmer, eine der Damen war etwas komisch. Ich hatte nämlich eine Tablette zu wenig, und eine der Zimmerkolleginnen hat sich angeboten, da sie sowieso auf dem Weg ins Schwesternzimmer war, für mich nachzufragen. Da meinte die ältere Dame, „Nein, die soll klingeln, das hat ihr die Schwester extra gesagt.“ Alleine schon die Anrede fand ich unmöglich, und auch noch, dass sie sich einmischte, als mir jemand Hilfe anbot. Schließlich war dies meine Sache, ob ich die Hilfe annehmen oder ablehnen wollte. Ich hielt es für wenig sinnvoll, zu klingeln, die Schwester erst an tanzen zu lassen, ihr dann zu sagen, was ich will, so das diese wieder weggehen und mit dem richtigen Medikament wieder zurückkommen müsste. Allerdings hatte ich zu dem Zeitpunkt vergessen, dass sich an der Klingel auch eine kleine Sprechanlage befand. Diese ältere Dame, die offenbar mit 100 km/h durch die Kinderstube gerast sein musste, sprach die ganze Zeit über mich in der dritten Person per "die" , wobei ich offenbar keinen Namen hatte, den sie, im Gegensatz zu der Bemerkung der Schwester, ich solle klingeln, offenbar nicht mitbekommen hatte. Außerdem behauptete sie, man dürfe keine eigenen Medikamente von zu Hause mitbringen. Ich sagte ihr, dass die Schwester mich extra gefragt hatte, ob ich meine eigene Medikamente dabei hätte, worauf sie meinte, das habe sie nicht gehört. Ich beteuerte ihr dies, und sie winkte ab, ja, schon gut. Das fand ich ziemlich unverschämt. Wahrscheinlich war ich ihr zu beharrlich, aber ihre Märchen und Gerüchte, man dürfe dies oder jenes nicht, fand ich auch blöd. Schließlich musste ich ja wegen meiner Endometriose mein Medikament mitnehmen, das mir ja trotz der medizinischen Indikation nicht von der Kasse bezahlt wird. Daher wird sie auch im Krankenhaus nicht gestellt. Die andere Frau war aber sehr nett, ich bot ihr an, dass sie mich beim Vornamen nennt, und sie tat dasselbe, wir blieben aber beim Sie. So fand ich das passend. Wir konnten uns auch eine Weile unterhalten, ich fand sie sehr angenehm und sympathisch. Auf dem Flur hörten wir dauernd Lärm , denn im Nachbarzimmer war ein Mann, der offenbar in irgend einem Durchgangsstadium war, denn er schrie die ganze Zeit Hallo, Schwester, Hilfe usw. Es war furchtbar, auch als der freundliche Pfleger im ziemlich energisch sagte, hier seien auch noch andere Patienten, hörte er nicht damit auf. Seine Zimmerkollegen waren so von ihm genervt, dass man ihn mit dem Rollstuhl auf den Flur setzte, so das nicht nur sein Zimmer in den Genuss seiner Schreyerrei kam sondern die gesamte Station. Selbst dann, wenn die Pfleger zu ihm kamen und ihm etwas brachten, schrie er sofort wieder herum. Solche Brüller gibt es offenbar überall, denn diese Sorte von Patienten ist mir schon öfter begegnet, nachdem ich ja schon häufig im Krankenhaus war. Da ich schon so lange im Bett gelegen hatte, war ich ziemlich unruhig, genoss aber weiterhin die Hörbeiträge und die musikalischen Darbietungen verschiedener blinder Kollegen, da wir eine Zeitschrift haben, in der wir all diese Dinge sammeln. Diese war zur rechten Zeit vor Antritt meines Krankenhausaufenthaltes noch gekommen, sodass ich sie herunterladen konnte. Leider war ich zu blöd, sie auf mein Smartphone zu laden, da sie nicht zu entpacken ging, aber zum Glück habe ich ja noch mein gutes altes Notizgerät. Mitten in der Nacht kam dann noch eine vierte Patientin, eine Russlanddeutsche, die obendrein auch noch ziemlich gesprächig war, sodass wir die restlichen Stunden, bis die Schwester zum Wecken kam, auch nicht wirklich schlafen konnten. Zwischendurch hörte man immer mal wieder den Mann brüllen, so das an Nachtruhe kaum zu denken war. Als ich dies meiner Mutter erzählte, da ich häufig einmal solche Begebenheiten einfach so berichte, kam sofort wieder ein Ratschlag, ich solle doch denken, schließlich sei es doch nur für eine Nacht gewesen. Dabei erzählt man so etwas einfach nur, weil man wie jeder andere Mensch eben auch von seinen Erlebnissen berichtet. Als ich im Rahmen meiner Transplantation meiner Mutter erzählte, dass das Essen so komisch schmeckte, meinte sie, mein Vater habe im Krieg nur eine einzige Frikadelle bekommen, und die sei fürchterlich gewesen, und ich solle doch froh sein, dass ich überhaupt etwas zu essen kriege. So viel emotionale Unterstützung erhalte ich von zu Hause. Allerdings löse ich solche Reaktionen meistens bei den anderen Menschen aus, die dann nicht mitschwingen oder emotional genauso reagieren wie ich, sondern die mir dann irgendwelche Tipps geben oder mir erklären, dass dies halt immer so sei, und dass man so etwas halt öfter hat, und dass man mit so etwas eben klarkommen müsse. Das weiß ich ja auch, aber ich möchte mich einfach auf Augenhöhe unterhalten können. Am Morgen kam dann die Schwester, und danach gab es Frühstück. Im Laufe des Vormittags wurde ich von einer anderen sehr netten Ärztin noch einmal zum Ultraschall abgeholt, wobei ich schon vor der Ultraschallkontrolle hiermit meine bettruhe beenden durfte. Danach wurde entschieden, dass ich tatsächlich entlassen werden konnte. Ich stand also auf und ging gemütlich ins Bad, duschte und grämte mich ein und wollte mich gerade gemütlich anziehen, als die Schwester hereinkam und meinte, mein Zimmer würde schon wieder neu belegt, sie würde mir helfen, meine Tasche zu packen. In der Hektik konnte ich all meine Kleidungsstücke im Bad gar nicht mehr alleine wieder finden, da diese auch nicht wie zu Hause an meinem gewohnten Platz lagen. So half mir die Schwester und reichte mir die verschiedenen Kleidungsstücke an, und ich beeilte mich. Dann wurde ich mitsamt meinem Gepäck ins Foyer gesetzt, wo ich dann auch gleich mein Taxi rufen konnte, nachdem mir gesagt wurde, dass die Ärztin noch einmal zu einer Besprechung zu mir kommen würde. Sie ging gerade an mir vorbei und meinte, ich sei auch gleich dran. Gleich ist aber im Krankenhaus ein wirklich dehnbarer Begriff. In der Zwischenzeit war schon der Taxifahrer angekommen. So fragte ich im Schwesternzimmer noch einmal nach, und sie riefen bei der Ärztin an. Diese kam dann auch sofort und meinte, sie habe mir doch gesagt, dass sie gleich da sei. Ich sagte ihr, das wüsste ich, aber mittlerweile sei eben bereits der Taxifahrer gekommen, und der wartet. Sie war sehr freundlich und erklärte mir noch einmal, dass es sich um eine Borderline-Abstoßung handele, dass also die Abstoßung grenzwertig sei. Ich sagte ihr, alles, was den Namen Borderline enthält, sollte man meiden, das ist immer verdächtig. Da musste sie auch lachen. Wer will schon Borderline haben, meistens ist dies eine unangenehme Diagnose, auf jedem Fachgebiet. Normalerweise wird nach einem Jahr der Tacrolimus-Spiegel zwischen vier und sechs im Blut gehalten, bei mir sei er aber zu niedrig gewesen. Er schwankte bei mir meistens zwischen 4,8 und 6,0. Da ich jedoch eine Borderline-Abstoßung habe, muss auch nach einem Jahr bei mir der Spiegel zwischen fünf und sieben bleiben. Wie besprochen erhöhten wir lediglich das Advagraf auf 9 mg, und sie gab mir den Arztbrief in dreifacher Ausführung mit, einmal für den Hausarzt, einmal für mich und einmal für die Transplantationsambulanz. Warum er dann drei Tage später noch einmal mit der Post kam, verstehe ich nicht ganz. So durfte ich nach Hause fahren und war froh, alles überstanden zu haben, wenn auch eine leichte Abstoßung vorliegt, die aber zumindest so geringfügig ist, dass keine weiteren Maßnahmen erforderlich waren. Das Kreatinin war auch an diesem Tag wieder bei 1,1, diese beiden Werte waren so niedrig wie schon lange nicht mehr. Als ich nämlich kam, hatte die Transplantationsambulanz vergessen, die Blutwerte an das Transplantationszentrum zu schicken, und diese kamen dann per Fax. Da war das Kreatinin noch bei 1,19. Das höchste war einmal 1,44, schon damals hatten wir überlegt, ob wir die Jahrespunktion vorziehen, das Kreatinin hatte sich dann damals aber wieder auf 1,17 verringert. Ich kann nur hoffen, dass die Dosis von 9 mg Advagraf ausreicht, und ich nicht wieder auf 11 mg gehen muss, da dies ziemlich unangenehme Nebenwirkungen hat, wie zum Beispiel Schlappheit oder Würgereiz. Außerdem bleibt zu hoffen, dass Das Kreatinin unter der stärkeren Immunsuppression jetzt wieder besser wird und bleibt, und dass die Niere nicht weiter angegriffen wird von T-Lymphozyten oder anderen Blutzellen. Ich hoffe auch sehr, dass meine Fitness, die ich jetzt endlich wieder etwas erlangt habe, nicht durch die Erhöhung des Medikamentes wieder nachlässt. Als ich nach Hause kam, war ich total erschöpft. Keiner kann sich vorstellen, wie ermüdend vier und 20 Stunden Bettruhe sind. Ich dachte eigentlich, dass ich danach energiegeladen sein würde. Das Gegenteil war der Fall, ich sehnte mich nur noch nach meinem eigenen Bett. Wenn ich einmal so müde bin, muss ich tatsächlich ausruhen, egal, ob es Tag ist oder Nacht. Das kann man nicht überwinden oder überspielen, dann ist wirklich Bettruhe angesagt. In solchen Momenten denke ich immer, das bleibt jetzt so, aber am nächsten Tag ist dann alles wieder wie weg geblasen. Solche Erschöpfungszustände habe ich manchmal, wenn nämlich viel los war, ich mich überanstrengt oder übernommen hatte, oder wenn ich aus dem Krankenhaus wiederkam. Zum Glück dauerte dieses Gefühl diesmal nur einen Tag, und am nächsten Tag konnte ich schon wieder Unterricht bei den Rumänen geben und tatsächlich auch an unserem nachgeholten Weihnachtsessen unserer Redaktion teilnehmen. Ich kann nur hoffen, dass so schnell eine Punktion nicht mehr erforderlich sein wird, und dass das Kreatinin dauerhaft so niedrig bleibt. Die Punktion an sich war eigentlich überhaupt nicht schlimm, das Schlimmste war tatsächlich die Bettruhe und vor allem die 4 Stunden in Rückenlage. Aber das mag auch jeder anders empfinden, vielleicht würde ich das nächste Mal in einem wesentlich bequemeren Bett liegen, aber ich hoffe, so schnell gibt es kein nächstes Mal. Auch sagte ich der punktierenden Ärztin , als sie sich verabschiedete, ich hoffe, dass wir uns so schnell nicht wieder sehen. Sie war danach etwas wortkarg, ich fürchte, den Scherz hat sie nicht ganz verstanden. Aber ich glaube, die Ärzte wissen schon, wie das gemeint ist.

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