Samstag, 25. März 2017

Blinde Frauen aus verschiedenen Ländern Vom 17. bis 19. März, also gut zehn Tage nach dem internationalen Weltfrauentag, fand ein Seminar zum Thema blinde Frauen aus verschiedenen Ländern statt. Dies war in unserem Blindenhotel, das ziemlich ländlich gelegen ist. Vor 27 Jahren war ich dort das letzte Mal. Damals hatte es noch einen eindeutigen Heimcharakter, ich erinnere mich noch lebhaft an das Jugendtreffen, bei dem wir unsere Salzstangen, Cola und andere Partyutensilien in den Klubraum schleppen wollten, und die gestrenge Heimleiterin da ziemlich deutlich und heftig etwas dagegen hatte. Damals hatten wir dennoch viel Spaß, aber da ich sowieso die Stadt bevorzuge, habe ich bislang diesen Ort nicht weiter aufgesucht. Ich bekam nur immer mit, dass sich in diesem Hotel, deren es einige deutschlandweit gibt, mittlerweile ziemlich viel getan hatte.

Blinde Frauen aus verschiedenen Ländern Vom 17. bis 19. März, also gut zehn Tage nach dem internationalen Weltfrauentag, fand ein Seminar zum Thema blinde Frauen aus verschiedenen Ländern statt. Dies war in unserem Blindenhotel, das ziemlich ländlich gelegen ist. Vor 27 Jahren war ich dort das letzte Mal. Damals hatte es noch einen eindeutigen Heimcharakter, ich erinnere mich noch lebhaft an das Jugendtreffen, bei dem wir unsere Salzstangen, Cola und andere Partyutensilien in den Klubraum schleppen wollten, und die gestrenge Heimleiterin da ziemlich deutlich und heftig etwas dagegen hatte. Damals hatten wir dennoch viel Spaß, aber da ich sowieso die Stadt bevorzuge, habe ich bislang diesen Ort nicht weiter aufgesucht. Ich bekam nur immer mit, dass sich in diesem Hotel, deren es einige deutschlandweit gibt, mittlerweile ziemlich viel getan hatte. Da ich Interesse an diesem Frauenseminar mit diesem Thema hatte, konnte ich mich nun von dieser Entwicklung überzeugen. Zu Dialysezeiten war es mir nicht möglich, mal eben schnell am Wochenende auf ein Seminar zu fahren, denn ich hätte ja dann, vorallem zu der Zeit der vier Wochendialysen, die halbe Zeit an der Dialyse verbracht, sodass sich die Anreise und Abfahrt gar nicht gelohnt hätten. Außerdem war die Dialyse in der Nähe ziemlich verschrien, es soll dort sogar einmal Würmer gegeben haben. Dies ist mir aber nur vom Hörensagen bekannt. Davon wollte ich mich jetzt nicht unbedingt persönlich überzeugen. Am 17. März ging es also los. Obwohl ich eine BahnCard 50 habe und es mir eigentlich gerne im ICE bequem mache, habe ich mich einer Gruppe Mitreisender aus meinem Ort angeschlossen. Eigentlich hatte ich gedacht, dass einige mit dem ICE fahren, sodass wir uns den Preis hätten teilen können, da eine Begleitperson ja umsonst fährt. So hätten beide nur ein Viertel des Gesamtpreises zahlen müssen. Aber die Damen, von denen mich eine anrief, erklärten mir, dass sie mit dem Regionalzug fahren wollten. Denn blinde fahren ja seit einiger Zeit bundesweit mit den Regionalzügen kostenlos. Früher gab es ein Streckenverzeichnis, oder die Fahrt war nur frei, wenn man in einem Verbund unterwegs war. Da diese Verbunde wie Fleckenteppiche über das Bundesgebiet verteilt sind, und zwischendurch immer kleine Strecken waren, die dann umständlich bezahlt, und für die extra eine Fahrkarte gelöst werden musste, hat man sich entschieden, diesen Aufwand zu beenden und die Fahrt im gesamten Bundesgebiet im Regionalverkehr kostenlos anzubieten. Von meiner Stadt zu dem anderen Ort wäre es mit einem ICE auch nicht schneller gegangen. Allerdings mussten wir bereits sehr früh losfahren, da um 13:00 Uhr bereits die Kennenlernrunde mit Kaffee und Kuchen anberaumt war, und 1 Stunde später der Besuch einer Moschee geplant war. Daher bat ich die Frau, die mich kontaktierte, dass sie mir vielleicht, da sie etwas früher am Bahnhof ankommen würde, eine Brezel belegt mit Gelbwurst mitbringen möge. Sie würde eine Viertelstunde früher ankommen und hätte daher noch genügend Zeit, mir diese Brezel zu besorgen. Aufgrund meiner Blindheit hätte ich es nicht geschafft, diesen Stand zu finden, mich selbst anzustellen , mein Frühstück zu organisieren und dann zum Infopoint zu finden. Außerdem war auch noch ein Kaffee dabei, ein "COFFEE TO GO", wie man ja heute neudeutsch sagt, also ein Kaffee zum Davonlaufen. Er war aber ganz gut. Ich war relativ früh da und hatte daher Zeit, mich doch noch in eine Beckerkette zu setzen, um meine 500 Punkte einzulösen, und gemütlich für 5,00 EUR einen Cappuccino zu trinken und ein Teilchen zu essen. Das Teilchen schmeckte so grauenvoll, dass ich einmal hinein biss und es liegen ließ. Ich hatte Mühe, mit Todesverachtung diesen einen Bissen überhaupt hinab zu würgen. Hätte ich jetzt etwas gesehen, hätte ich die Frau in der Schlange ansprechen können, damit sie nicht extra beim Brezelstand für mich ansteht, um mir eine Brezel zu kaufen. Wir hatten auch keine Handynummern ausgetauscht, sonst hätte ich ihr sagen können, dass ich bereits beim frühstücken bin, dann hätte ich mir auch etwas herzhaftes geholt, da ich aber wusste, dass ich eine Brezel bekomme, habe ich dieses süße Ding gewählt, das mir dann noch nicht einmal schmeckte. Das mit dem Brezelstand sollte noch Relevanz bekommen, denn ich stand am Infopoints und wartete verzweifelt, da ich ja keine Handynummer hatte und relativ schnell in Panik gerate. Wenn man nicht sieht, und der andere einen eigentlich auch noch gar nicht persönlich kennt, man also darauf angewiesen ist, dass die andere Person den Stock wahrnimmt, ist das schon ein bisschen ein Risikospiel. Die Frau sprang auf mich zu und meinte, sie würde noch anstehen. Eine andere blinde Frau war auch noch da, zwei andere blinde Frauen wollten schon vorgehen, wir würden dann alle mit dem Zug fahren, die beiden anderen blinden Frauen würden aber eine Station später aussteigen, um zum Hotel zu laufen. So mussten wir aber noch warten, bis unsere sehende Begleitung mit meiner Brezel und dem Kaffee vom Brezelstand zurück kam. Wir hatten aber genügend Zeit, den Zug zu erreichen. Dennoch waren wir etwas knapp dran. Eine der blinden Frauen sagte, wir müssten auf Gleis acht, wobei die sehende Frau versehentlich in den Zug auf Gleis neun einstieg. Alle Züge fuhren ans gleiche Ziel, doch manche hielten an jedem Zwetschgenbaum, andere fuhren etwas zeitgünstiger durch. Die Fahrdauer würde 2 Stunden unterschiedlich lang sein. Ich bin immer etwas unmobil, da ich ja zusätzliche Behinderungen habe. Daher war ich ziemlich unsicher, und wir stiegen also in den Zug ein, wobei die Begleitperson mich führte, weil die andere Frau alleine klarkam. Die Begleitung meinte, sie würde mit der anderen Frau schon einmal einen Platz suchen, und dann meinte sie noch etwas scherzhaft, sie würde mich jetzt hier stehen lassen, bis wir angekommen sein. Ich wusste schon, dass das ein Scherz war, aber ich fand ihn ziemlich blöd. Ich fühlte mich so, als sei ich eine Idiotin. Solche Scherze macht man eigentlich nur mit Kleinkindern, um sie zu ärgern. Die anderen beiden hatten wir bereits verloren, da wir die normale Treppe zum Bahnsteig nahmen, während die anderen beiden Damen mit der Rolltreppe hochfuhren. Ich wartete und wartete, allmählich beschlich mich schon die Befürchtung, dass die Begleitung ihre scherzhafte Bemerkung tatsächlich wahr machen würde. So dachte ich, wer so blöd daher redet, der hat mal eine Lektion verdient. Ich ging also in die Richtung, in die die Frauen gegangen waren. Auf einmal hörte ich, wie eine der beiden schrie: „wir sind im falschen Zug, raus, raus!!!" So sprang ich eben auch aus dem Zug, ich dachte, Glück gehabt, dass Du nach vorne gekommen bist. Der Zug stand immer noch, aber der andere, mit dem wir hätten fahren müssen, war bereits weg. Dann rannte unsere Begleitung aufgeregt am Bahnsteig entlang und schrie, sie hätte mich gesucht. Ich sagte ihr, dass sie doch behauptet hätte, sie würde mich bis zum Zielort stehen lassen, woraufhin sie meinte, dass dies ein Scherz gewesen sei. Ich sagte ihr, dass ich das weiß, aber solche Scherze nicht mag. Der Zug wäre so oder so weg gewesen, selbst wenn ich an Ort und Stelle stehen geblieben wäre, hätte sie mich nicht rechtzeitig in den anderen Zug bringen können. Auf einmal gesellte sich noch eine andere Frau zu uns, die beiden anderen Damen, die die Rolltreppe genommen hatten, waren im richtigen Zug. Diese andere Frau, die ebenfalls zu diesem Seminar wollte, hatte den Zug nicht wahrgenommen. Es war ein kurzer Zug, der nicht ganz bis zum Mittelaufgang gereicht hatte, sodass sie nicht merkte, dass er längst auf dem Gleis stand. Er fuhr ihr sozusagen buchstäblich vor der Nase davon. Wir entschieden also, wieder in den falschen Zug einzusteigen, der zwar ebenfalls zu unserem Zielort fuhr, aber 2 Stunden länger brauchte. Die Frauen schimpften etwas, dass sie nun 2 Stunden später ankommen würden. Ich hatte überhaupt keinen Plan, wie lang die Fahrt dauern würde, daher war ich auch nicht sonderlich enttäuscht, hatte ich doch sowieso mit einer ellenlangen Fahrt gerechnet, da wir nicht im ICE waren sondern in einem Regionalzug. Dass diese auch manchmal so schnell wie ein ICE sein könnte, hatte ich überhaupt nicht auf dem Schirm. Mir war nur wichtig, dass wir bis zur Vorstellungsrunde da sein würden. Wir würden aber am Ankunftsort den Regionalzug in die Kleinstadt nicht bekommen, von der aus wir dann noch einmal einen anderen Zug in das Dorf mit dem Hotel nehmen würden. So ging der ganze Plan durcheinander. Es war ein Taxi bestellt gewesen, welches uns ins Hotel fahren sollte. Die Begleitperson rief also im Hotel an und bat die Sekretärin, das taxiabzubestellen und uns ein Taxi zu der kleineren Stadt davor hin zu schicken. Die Sekretärin war sichtlich begeistert, sie war schon mit dieser einen bitte überfordert, wahrscheinlich hatten mehrere Damen ihren Zug verpasst. Unsere Begleitperson räsonierte die ganze Zeit darüber, wer nun Schuld war. Sie sei schuld, sie sei eine schlechte Begleitperson, und sie hätte uns in die irre geführt, und sie fing fast zu weinen an. Ich hielt mich zurück, denn ich befürchtete, dass am Ende die Schuld bei mir landen würde, wie das ja meistens der Fall ist, da ich ja auch einen kleinen, wenn auch unwesentlichen Beitrag zu dem ganzen Durcheinander geleistet hatte. Als sie dann einmal meinte, sie hätte einen Albtraum gehabt, dass ich im Zug stecken bleibe, oder sie mich nicht findet, und mit mir dann in dem Zug bleiben müsste, sagte ich ihr, selbst wenn sie mich gefunden hätte, wäre der andere Zug sowieso schon weg gewesen. Die andere Frau, die zu uns gestoßen war, erklärte in regelmäßigen Abständen, dass sie nun schon seit 2 Stunden dort wäre, wenn sie nicht den Zug übersehen hätte. Dann kamen wieder die üblichen Floskeln, was man nicht ändern könne, müsse man ebenso hinnehmen, wenn es sowieso keine Lösung gibt, sollte man sich nicht weiter aufregen. Mit der einen Frau, die zu uns gestoßen war, unterhielt ich mich sehr angeregt. Sie war blind, arbeitete halbtags als Softwareentwicklerin und hat drei Kinder. Ich fand dies sehr bewundernswert. Auch war sie geistig sehr rege, man konnte wirklich eine gute Unterhaltung mit ihr führen. Sie schien mir auch recht selbstbewusst, das merkte ich auch, als wir am Bahnsteig entlang liefen, und uns jemand anfasste, und sie sich lautstark zur Wehr setzte. Ich erklärte daraufhin, dass ich mich das nicht traue, da man mir so häufig eingeredet hat, dass ich lediglich über empfindlich sei. Sie meinte, das würde sie sich nicht gefallen lassen, da hätte sie schon ganz andere Ansprüche ans Leben. Auf der einen Seite bin ich beruhigt, dass es andere auch stört, wenn sie einfach angefasst werden. Auf der anderen Seite komme ich mir immer vor wie ein Depp, dass ich mich nicht traue, mich so lautstark zur Wehr zu setzen. In einer Selbsthilfegruppe habe ich hier auch wenig Rückhalt: Von anderen, die nicht betroffen sind, höre ich meistens, das es doch nicht so schlimm ist, und die anderen es doch nur gut meinen. Von anderen blinden höre ich dann wiederum, ich solle mich doch durchsetzen, sie könnten doch das schließlich auch. Wie schön für die! Ich hatte einen ganz anderen Sozialisationshintergrund. Ich weiß noch, dass mich einmal eine Frau einfach anfasste, und ich schrie sie an, was soll das, mich einfach anzufassen. Da sagte eine 14 Jahre ältere Freundin zu mir, die wird sich das beim nächsten Mal genauer überlegen, ob sie jemanden noch mal anfasst, wenn sie noch mal an so einen wie Dich gerät, die dann so überreagiert. Mich setzt so etwas extrem unter Spannung. Ich bräuchte Menschen, die mir mal sagen, das ist Dein gutes Recht, Du darfst Dich wehren, die aber auch verstehen, dass mir dies vielleicht jetzt noch schwer fällt, und dass ich hier vielleicht langsam und vorsichtig üben muss. Ich komme mir wesentlich kleiner und schwächer vor als andere blinde, die das offenbar draufhaben. Irgendwann klingelte dann mein Handy, da eine SMS gekommen war. Ich schaute dann gleich aufs Display, und schon hörte ich wieder die anderen Frauen, die einander inbrünstig beteuerten, dass sie sich nicht von diesem Gerät versklaven ließen, dass sie nicht dauernd auf ihr Display schauen würden, dass sie nicht dauernd zwanghaft nach Nachrichten suchen würden. Dies sind so die aller üblichen Floskeln. Das regt mich furchtbar auf, ich traute mich dann gar nicht, als ich auf die SMS geantwortet hatte, noch einmal zu schauen, als noch eine weitere Antwort kam, sonst hätte ich wieder all diese Sprüche anhören müssen. Hinterher gestand mir dann die Softwareentwicklerin, dass sie selbst auch öfter aufs Handy schaut. Sie hatte sich aber nicht getraut, etwas zu sagen. Wo doch alle immer so selbstbewusst und mutig sind. Aber mich zu unterstützen ist halt nicht opportun, und da bedarf es schon noch einem gerüttelt Maß mehr an Zivilcourage. Und außerdem bin ich das offenbar gar nicht wert. Warum kann man nicht einfach mal sagen, ich schau auch immer auf mein Handy, der eine macht das halt, der andere nicht. Dann wäre ich nicht jedes Mal mit meiner Ansicht alleine. Ich mag diese allgemeinen Plattitüden nicht, dass in der heutigen Zeit nur noch alle auf ihr Handy schauen, und wie verkommen doch die Menschheit ist, und dass wir alle zu digitalen Analphabeten werden, die sich von diesem Gerät versklaven lassen. Man muss halt auch mal auf sein Handy schauen, d.h. ja nicht, dass man deswegen gleich süchtig danach ist. Hätte ich jetzt die ganze Zeit damit rumgespielt, hätte ich das ja auch verstanden, dass das anderen auf die Nerven geht. Und die Höflichkeitsetikette habe ich durchaus eingehalten. Aber so ein Ding ist eben auch praktisch. Wir stiegen dann um und gingen, da wir noch Zeit hatten, in die Bahnhofsmission, um dort einen heißen Tee zu bekommen. Einige waren überrascht, dass es in der Bahnhofsmission sogar zu essen gibt. Ich hatte schon öfter mit der Bahnhofsmission zu tun, da ich häufig Umsteigehilfe in Anspruch nehme, und dann, wenn ich warten musste, auch mal einen Tee oder eine heiße Suppe angeboten bekomme. Auf die Toilette wollte ich aber dennoch dort nicht gehen, da ich aufgrund meiner Immunsuppression etwas darauf achten muss, wer vor mir vielleicht schon dort war, auch wenn dies vielleicht ein Vorurteil ist. Als wir dann in den Zug einstiegen, hörten wir eine folgenreiche Durchsage. Der Zug wurde dreimal geteilt, und die Durchsage war zwar leise, dennoch konnten wir sie verstehen. Die meisten saßen im falschen Abteil, und die Schaffnerin fragte jeden, wo er denn hin wollte. Eigentlich hätte man einfach im Zugabteil abstimmen können, wo welcher Teil des Zuges hinfahren soll, denn die meisten mussten wechseln. Das fand ich die Krönung dieses bereits misslungenen Anfangs der Reise. Das andere hatte mich gar nicht so gestört, aber dass wir nun auch noch so einen drauf kriegen, das fand ich dann den Abschuss. Für das andere konnte ja niemand was, aber dann auch noch bei der nächsten Haltestelle raus zu müssen und Angst zu haben, nicht mehr rechtzeitig reinzukommen, das fand ich schon in Anbetracht all der Unbill, die wir vorher schon erleben mussten, den Gipfel. Wir hatten es aber geschafft, und endlich waren wir dann auch in der Kleinstadt angekommen. Dort erwartete uns das Taxi. Es war ein Mercedes der E Klasse, und mir wurde schlecht. Die Straßenlage dieses Gefährts ist wirklich furchtbar gewöhnungsbedürftig, ich hatte das Gefühl, ich würde mit einer Rakete in Lichtgeschwindigkeit durchs All gejagt, und das mit vielen engen Kurven. Ich brauche doch etwas Bodenhaftung, und da ich schnell Reise krank werde, hätte ich besser vorne gesessen. Da ich aber recht klein bin, und wir größere Frauen dabei hatten, ließen wir natürlich der größten den Vorzug, damit wir alle drei uns hinten in den Fond des Wagens hineinquetschen konnten. Da wir alle schmal waren, war das kein Problem. Dennoch war ich fast dabei, mich zu übergeben, bis wir dann endlich ankamen. Als ich aus dem Auto ausstieg, wackelte der Boden immer noch beträchtlich. Wir hatten gerade noch Zeit, unser Gepäck ins Zimmer zu werfen, schnell mal aufs Klo zu gehen und dann in den Seminarraum zu gehen. Dazu musste man das Gebäude verlassen, und es war ziemlich schwierig, den Weg zu dem anderen Haus zu finden, sodass ich dieses Unterfangen Best möglichst nicht alleine in Angriff nahm. Dort angekommen stellte ich fest, dass wir so um die 50 Frauen waren, und dass zur Verständigung ein Mikrofon nötig war, welches über Funk lief, und das von Person zu Person weitergereicht wurde. Der Kuchen war herrlich, es gab Donauwelle, aber die Platte der Donauwelle war aus Milchschokolade. Die Begleitperson mochte dies nicht und gab mir dann ihre Platte auch noch. Ich fand das herrlich, da ich zartbitter nicht ausstehen kann. Ich war aber so satt, obwohl ich bloß eine Brezel mit Gelbwurst zum Frühstück hatte, dass ich nur ein Stück Kuchen aß. Die Vorstellungsrunde war interessant, aber es waren so viele mir unbekannte Leute und so viele Namen, dass ich mir fast nichts davon merken konnte. Einige Frauen kannte ich bereits, es waren auch einige dabei, die Leute kannten, die ich kannte, die ich aber zuvor noch nicht getroffen hatte. So klein ist eben die Welt der Blinden. Die Frauenbeauftragte ist aus meiner Heimatgegend, so war sie mir sowieso schon vertraut, ich kannte sie ja sowieso, da ich in dieser Bezirksgruppe bereits Mitglied war, und es kamen auch noch einige andere aus unserer Heimatregion mit. Dann ging es los zur Moschee. Es war eine der liberalsten Moscheen in ganz Deutschland, wobei dort ein Imam amtiert, der fünf Sprachen spricht und einen Doktortitel hat. Er hat ein Buch geschrieben mit dem Titel: "grüß Gott, Herr Imam Anführungszeichen. Wir wurden von einer Religionspädagogin des Islam empfangen. Sie erklärte uns, wie die Waschungen vor jedem der Fünf Gebete funktionieren, und dass der Koran auf Arabisch ist, da das arabische die Sprache ist, mit der man mit Gott verbunden ist. So wie im Christentum Gott Fleisch geworden ist, und die Christen durch die Einnahme der Hostie mit ihm verbunden sind, so ist es im Islam üblich, dass man auf Arabisch betet, auch wenn man es nicht versteht, da Gott Wort geworden ist, und man so mit ihm in Verbindung tritt. So hat sie es uns erklärt. Sie hat auch kein Hehl daraus gemacht, dass sie die derzeitige Politik in der Türkei nicht gutheißt. Dann kam der Imam, der uns den Ruf des Muezin vorbetete. Ich fand das wunderbar, dies war ein wirklich meditativer Moment, mir wurde richtig warm. Das Gefühl, wir haben alle denselben Gott, egal, wie wir ihn nennen, und alle Menschen sind auf ihre Weise mit ihm verbunden, ob sie es glauben oder nicht, fand ich schon sehr schön. Ich bin zwar kein sehr gläubiger Mensch, aber ich bin sicher, es gibt etwas zwischen Himmel und Erde. Es war wirklich ein schönes Gefühl, dass verschiedene Religionen friedlich nebeneinander sitzen können. Ich habe einmal geträumt, dass es einen Gottesdienst gegeben hätte, in dem die Christen ihre Gebete gesprochen und ihre Lieder gesungen haben, und die Moslems haben ihre Gebete gesprochen, und alle haben Zusammengottesdienst gefeiert. Das war ein wirklich schöner Traum. Die Religionspädagogin wies auch auf die Gefahr hin, dass dadurch, dass der Koran auf Arabisch ist, viele falsche Übersetzungen kursieren, und den Leuten, die arm sind und wenig Bildung haben, alles Mögliche erzählt werden kann, was dann zum Extremismus führt. Sie ist immer noch entsetzt darüber, dass ihre Cousinen in der Türkei so wenig Bildung haben. Viele können nicht lesen und nicht schreiben, einer von ihren Tanten war es lediglich wichtig, Arabisch lesen zu können, damit sie den Koran lesen kann, ohne ihn zu verstehen. Es ging ihr nur um die spirituelle Verbindung. Dennoch ist es wichtig, dass die Menschen Bildung haben, das hat ihnen auch ihr Vater beigebracht, so das sie eben auch studieren konnte. Gäbe es mehr Bildung, wäre dies ein Faktor, um Terrorismus oder Extremismus zu verhüten, allerdings natürlich nicht der einzige. Es gehört natürlich auch Geld dazu oder auch soziale und emotionale Sicherheit. Und Gleichberechtigung der Frauen und Männer, eine gute Behandlung der Kinder und viel wissen. Danach waren wir noch zum Tee eingeladen. Wir waren alle sehr beeindruckt, wir hätten noch stundenlang mit dieser Frau diskutieren können. Als wir dann im Hotel ankamen, musste ich mich zum Abendessen am Buffet anstellen. Ich hatte etwas Angst, da ich hörte, dass der Betrieb von Bedienung auf Buffet umgestellt worden war. Ich zweifelte, wie das bei Blinden wohl gehen würde. Doch die Sache wurde so geregelt, dass, sobald man dran war, man aufgeklärt wurde, was es alles gibt, jeder dann seinen Wunsch äußerte, die Sachen auf den Teller gepackt wurden, und derjenige, der einen bedient hatte, brachte einen auch an den Tisch. Ich war komplett ausgehungert, da ich eben außer den oben genannten Dingen am Tag nichts gegessen hatte. Wenn ich Hunger kriege, wird mir wirklich schlecht. Ich habe zwar keinen Diabetes, doch neige ich ziemlich stark zum unter Zucker. Dies merke ich dann, und ehe ich komplett kollabiert wäre, habe ich mir das letzte trockene Brötchen geschnappt, während ich ewig am Buffet anstand. Vorwiegend habe ich vegetarisch gegessen, da die vegetarischen Speisen immer die interessantesten sind. So schöne Dinge kann ich mir zu Hause selbst nicht machen. Ich habe sogar gewagt, Salat zu essen, obwohl man als transplantierter vom Buffet normalerweise keinen Salat essen soll. Ich habe eben keinen Joghurt sondern Essig und Öl genommen, denn da ist die Keimbelastung niedriger. Außerdem wird dort alles frisch gemacht und wartet nicht ewig, bis jemand kommt, um es zu verzehren , während die Bakterien dort in der Zwischenzeit fröhliche Urstände feiern. Normalerweise esse ich ungern Salat, aber die Sorten, die sie hatten, haben mir sehr gut geschmeckt. Zum Frühstück habe ich natürlich schon Rühreier gegessen, da niemand 1 Stunde vorher aufsteht, um mir zu Hause Rühreier mit Speck zu machen. Der durfte natürlich auch nicht fehlen. Außerdem habe ich auch Müsli gegessen, dass ich aufgrund der Transplantation normalerweise auch nicht essen sollte, aber dort wurde es frisch zubereitet. Normalerweise bilden sich gerade bei gelagerten Nüssen und Rosinen Schimmelpilze, die bei immunsupprimierten Menschen zu Pilzbefall führen könnten. Wenn die Immunsuppression mal etwas heruntergefahren wird, kann ich mir vielleicht wieder erlauben, Studentenfutter zu essen, mit dem ich während der Dialysezeit schon immer zurückhaltend sein musste, dass ich aber sogar zu dieser Zeit wesentlich häufiger aß. Das Problem mit dem Kalium war wesentlich besser abzuschätzen und überschaubarer, als das Risiko, eine Infektion zu bekommen . Auch mit Blumenerde darf ich nicht mehr hantieren, es sei denn ich benutze Mundschutz und Handschuhe, daher haben wir auf Hydrokultur umgestellt. Ich habe es sehr genossen, frisches Obst in das Müsli, das mit Joghurt angereichert war, hinein zu schnippeln, und ich habe gerade die Sachen genommen, die ich zu Hause nicht so häufig oder gar nicht bekomme. Meine Tischnachbarinnen waren immer dieselben, wir wurden einem bestimmten Tisch zugeteilt. Bei uns saß die Älteste des Seminars, dann war noch eine Frau dar, die ich von einem Musikseminar her kannte, und es gab noch eine Frau aus einem anderen Teil Deutschlands, die mittlerweile hier lebt. Wir hatten angeregte Gespräche. Was mich aber immer wieder nervt ist, sobald eine eine Meinung äußert, und ich äußere eine andere Meinung, dann sind alle ihrer Meinung. Ich habe noch nie erlebt, dass es in irgendeiner Runde zwei zu 2,3 zu 1,1 zu drei oder vier zu null stand. Meistens steht es eins zu drei für mich. Das finde ich schade. Wenn ich zum Beispiel sagte, eine Referentin hat undeutlich gesprochen, sagte die andere, ich hab alles verstanden. Schon kam das Echo, ich auch. Ich nehme so etwas mittlerweile persönlich, denn es ist unwahrscheinlich, dass jedes Mal, wenn ich etwas empfinde und eine andere etwas anderes, dann der ganze Tisch dasselbe spürt wie die eine. Es kommt einfach darauf an, welchen sozialen Rang man hat. Auch nervte es mich immer, dass eine zum Beispiel irgend eine Begebenheit erzählte, die sie störte. Dann trug ich auch etwas dazu bei, aber sobald ich dann meine Anekdote erzählt hatte, kam auf einmal Widerspruch von den anderen, dass ich doch die andere Seite verstehen müsste, das sei doch nicht so gemeint. Bei den anderen hat man sich nicht getraut, diese Einwände zu liefern. Zum Beispiel beschwerte sich die ältere Frau, dass ihr laufend Leute rückmelden, man würde ihr die Behinderung nicht anmerken. Es sei doch nicht bewunderungswürdig, dass man jemandem die Behinderung nicht anmerkt, und dann würde dies noch mit der Äußerung kommentiert, Du wirkst doch ganz normal. Mir ist einmal dasselbe mit Jutta Ditfurth passiert. Ich war auf der linken Literaturmesse, und Jutta Ditfurth stand hinter einem stand, und als ich sie fragte, welcher Buchtitel von ihr war, ging sie mich etwas aggressiv an, wie es so ihre Art ist, und meinte, das steht doch drauf. Da sagte ich, dass ich fast blind bin, und sie meinte, das merkt man gar nicht, Du wirkst doch so normal. Ich fand diese Äußerung für eine Medizinsoziologin ziemlich unpassend. Wenn jemand schon bei den Grünen war, wo Randgruppen eigentlich ganz normal angeschaut werden, zumindest angeblich, dann finde ich es nicht gerade schmeichelhaft, wenn man das Gefühl hat, jemand, der blind ist, wird normal oder nicht normal. Daraufhin ärgerte ich sie und schaukelte vor und zurück und meinte, soll ich vielleicht so herumlaufen. Da war sie ziemlich fertig. Das hat mir aber Spaß gemacht. Statt dieses Highlight nun von den anderen bewundert zu wissen, dass ich sogar mit einer so berühmten Persönlichkeit in dieser Sache aneinandergeraten war, schwenkte man sofort wieder um und meinte, die Leute meinen das doch nicht so mit ihrer Wortwahl. Mich ärgert so etwas immer, denn ich finde dann Gespräche ziemlich anstrengend. Dauernd wird mir dagegen geredet, es liegt wahrscheinlich an meiner Erkrankung, dass ich so etwas an mir habe, dass andere sich dauernd bemüßigt fühlen, mich wie ein trotziges Kleinkind aufzuklären. Ich hätte eigentlich erwartet, dass die anderen beeindruckt sind, dass ich mit so jemand bekanntem so eine Art von Scharmützel hatte, und dass sie mir beipflichten würden. Zumindest gestand die eine zu, dass es von einer Medizinsoziologin dieser Kategorie schon zu erwarten gewesen wäre, dass sie sich nicht so äußert. Aber im allgemeinen sei doch diese Wortwahl nicht schlimm. Bei der älteren Frau hätte sie sich das nicht zu sagen getraut, obwohl die ja dieselbe Ansicht zuvor vertreten und dieselben Probleme bemängelt hatte wie ich. Ich registriere solche Dinge mittlerweile sehr stark, weil mir das wirklich auf die Nerven geht. Im Alter zwischen 15-20 hat mich das noch nicht so gestört, doch fiel mir schon immer auf, dass egal, was ich sage, ich mit meiner Meinung immer alleine dastehe, und sei sie auch noch so vernünftig. Nur wenn der inoffizielle Leithammel der Gruppe dieselbe Meinung hat wie ich, dann schließen sich alle an. Dann traut sich aber auch keiner, dem ungeschriebenen Leithammel der Gruppe zu widersprechen. Am Abend trafen wir uns dann im Foyer, denn in der Gaststube, wo hauptsächlich Getränke ausgeschenkt wurden, war es ziemlich stickig. Die Bedienung ging aber auch sehr bereitwillig nach draußen. Überall konnte man etwas zu trinken bekommen. Auch im Speisesaal wurde zu trinken angeboten, sie hatten eine ziemlich erkleckliche Auswahl an Säften und Schorlen. Das hat mich schon sehr beeindruckt. Nachdem der Ober meinte, ich könnte jede Art von Saft haben, fühlte ich mich schon etwas herausgefordert, nun extra eine Sorte zu nennen, die er gewiss nicht hat. Daher bestellte ich Ananasschorle, aber er hatte sie. Am nächsten Tag kam dann die Bedienung, und ich wollte eine Aprikosenschorle, die hatten sie aber nicht. Da dachte ich, schade, dass dieses Mal der Kellner nicht da ist. Ich fand ihn ziemlich witzig, daher hätte mir das gefallen. Die Frau, die mit uns gereist war, und die ältere Frau, die mit uns am Tisch saß, fanden sich abends im Foyer mit mir an einem Tisch, sodass wir stundenlang Gespräche führten. Natürlich kamen die Softwareentwicklerin und ich wieder in ein angeregtes Gespräch, so das dann irgendwann einmal die andere Dame meinte, ich bin Fay auch noch da. Bei mir wurde ja jetzt auch ADHS diagnostiziert, da ich noch einmal die Autismusdiagnose festigen lassen wollte, und dabei meinte die Psychologin auch spontan, sie könnte mich auch mal auf ADHS untersuchen. So hatten wir ein Thema, denn da die Softwareentwicklerin Kinder hatte, kannte sie diese Problematik aus der Schule. Auch so hatten wir viel Gesprächsstoff. Dann ging es um die Frage, inwieweit man sich dauernd konform zu verhalten hätte. Die ältere Frau erzählte uns, dass sie sich im Unterhemd in den Garten gesetzt hätte, und eine Nachbarin vorbeigekommen sei und sie gefragt hätte, ob sie das toll fände, was sie provokant mit ja beantwortet hatte. Dann kamen die allüblichen Floskeln, man solle sich doch nicht um die Meinung anderer Scheren. Ich war so erzogen worden, dass man sich nicht einmal im Schwimmbad, wo sowieso jeder einen Bikini trägt, im BH hinlegen kann. Mich hat das immer gewundert. Ich bin ziemlich irritiert, denn solche Dinge habe ich früher einfach gemacht, ohne mich darum zu scheren. Damals hielt man mich für komisch, man hat mir erklärt, dass man so etwas nicht tut. Damals begriff ich nicht, was denn der Unterschied zwischen BH und Bikinioberteil ist, und wo man die Vorhänge zumacht, wenn man welches Oberteil oder Top oder Hemd wechselt. Nun hat man mir dies eingetrichtert, und als jemand, die sich mit sozialen Regeln sowieso nicht auskennt, habe ich diese Dinge immer beherzigt. Nun kommt wieder jemand und erzählt mir, es sei doch nicht mutig, man müsse doch einfach authentisch sein, man könne doch tun, was man eben wolle, und man müsse sich doch nicht um die Meinung anderer Scheren. Ich frage mich immer, ob diese Ansichten Lippenbekenntnisse sind, oder ob andere wirklich so mutig sind. In diesem Falle war es ja wirklich mutig von ihr gewesen. Ich bin auf zwei verschiedene Weisen erzogen worden: auf der einen Seite hatte ich im Blinden-Ghetto viele Leute, die sehr offenherzig waren, und die sich kaum darum scherten, was man tut oder nicht. Auf der anderen Seite hatte ich ein Elternhaus, in dem sehr darauf geachtet wurde, nicht anstößig zu sein und immer auf die Meinung der anderen zu schauen. Bei den liberaleren Menschen hieß es, ich sei verklemmt, bei den pingeligeren hieß es wiederum, ich sei wohl komisch. Ich finde, wer die Regeln kennt, kann sie brechen. Jemand, der die sozialen Regeln nicht beherrscht und sich versehentlich so verhält, ist einfach nur ein armer Tölpel. Erst dann, wenn man die Regeln wirklich kennt, weiß man auch, wo man sie übergehen kann. Manche können sich auch eher leisten, Regeln zu brechen als andere. Es ist eben nicht dasselbe, wenn zwei das gleiche tun, auf gut bayerisch, wer ko, der ko. Daher wandte ich ein, dass es leicht ist, gegen den Strom zu schwimmen, wenn man genau weiß, wo man es auch tun kann. Es ist schwieriger, wenn man einfach ohne soziale Regeln lebt, da man dann laufend aneckt. Die anderen meinten, es sei doch toll, wenn man authentisch ist, seine Gefühle zeigt und einfach so ist, wie man eben ist. Ich habe damit nur negative Erfahrungen gemacht. Ich glaube, jemand, der die sozialen Regeln ganz genau kennt, kann auch ganz subtil Akzente setzen und sich nonkonform verhalten. Dann kommt er gut damit an. Jemand, der schwer behindert ist und sich merkwürdig verhält, wird nicht so als toll und authentisch empfunden. Auf meiner Reha war ein Mann, der wohl eine manisch depressive Phase hatte, und der mit Engelsflügeln auf dem Rücken und Rosa Gewand herumlief. Der wurde relativ stark belächelt und stante pede in die Psychiatrie expediert. Da beißt es sich schon aus mit Authentizität. Ich habe versucht, den anderen klarzumachen, dass NonkKonformismus heute bereits zum mainstream gehört. Denn die Softwareentwicklerin brachte irgendwelche Liedtexte daher und meinte, dass diese stark auf sie zu treffen. Ich kann mit Lyrik wenig anfangen, das ist bei Autisten so, ich werde eher von sachlichen Texten berührt, oder mich berührt die Musik. Diese Texte, dass man doch sein Leben so leben solle, wie man es will, sind ja heute mittlerweile schon salonfähig und im Mainstream angekommen. Das ist ja keine große Äußerung mehr. Im Gegenteil, wer heute noch sagt, es gibt Regeln, gilt als langweilig. Daher ist es schon wieder er nonkkonform, sich konformistisch zu verhalten oder zu sagen, dass man nicht den Mut hat, Regeln zu brechen. Außerdem haben Nonkonformisten eben auch ihre Regeln, wie singt schon Reinhard May, ich trage jetzt die Nonkonformistenuniform. Das ist eigentlich ein Widerspruch in sich, das sollte ja auch so beabsichtigt sein. Ich glaube nicht, dass Menschen tatsächlich den Mut haben, konsequent nonkonformistisch zu sein, denn auch bei allen Untergruppen von Menschen, die meinen, gegen den Strom zu schwimmen, gibt es subtile und ungeschriebene Regeln. Ein Punk würde auch merkwürdig auffallen, wenn er in einem Anzug daher käme. Hier gibt es eben auch Kleiderregeln und Dresscodes. Deswegen ist es mit der Nonkonformität nicht wirklich ganz so weit her. Denn man muss sich doch subtil an irgendwelche ungeschriebene Gesetze halten, und wehe, wenn jemand die nicht genau kennt und sich dann merkwürdig verhält, wann es eben nicht geboten ist. Somit gibt es auch in punkto Nonkonformität ziemlich strenge Regeln. Wenn man die nicht im Gefühl hat, weil man hier ein Defizit hat, tut man besser daran, sich lieber an die Regeln zu halten. Das ist wie mit der Grammatik, wenn man in einem bestimmten Land geboren ist und die Sprache kennt, hat man das im Gefühl, wann man sie fehlerhaft benutzen darf. Ansonsten wirkt es nur so, als könnte man sie einfach nicht sprechen. Es ist halt ein Unterschied, ob man irgendwelche Eigentümlichkeiten hat, die dann als individueller Charakter gewertet werden, und die andere toll finden, oder ob man Merkwürdigkeiten hat, weil man es nicht besser weiß. So etwas fällt dann aus dem Rahmen dessen, was man noch an Nonkonformität überhaupt duldet. Dennoch fand ich es mutig, dass die Frau, als ihre Nachbarin sie rügte, einfach selbstbewusst genug war zu sagen, ich finde das schön. Es gibt eben auch verklemmte Menschen, aber wer die Regeln kennt, kann auch besser unterscheiden, ob jemand einfach nur verklemmt ist, oder ob er selbst sich jetzt tatsächlich zu stark aus dem Regelwerk entfernt hat. Ich könnte nicht unterscheiden, ist der andere jetzt einfach nur verklemmt und spießig, oder bin ich jetzt wirklich zu weit gegangen? Das halte ich für problematisch, und es ist eben heutzutage eher eine Modeerscheinung, dass jeder, selbst der, der brav und konformistisch ist, irgendwelche Phrasen drischt, dass man sich doch nicht immer an das halten soll, was die Umwelt von einem verlangt. Das gehört ja fast schon zum guten Ton, selbst dann, wenn man nicht wirklich und konsequent danach handelt. Das haben die beiden aber nicht verstanden. Mir wurde dann immer gesagt, ich solle doch einfach nicht auf die anderen hören, und dann warf sie mir irgendwelche Liedtexte um die Ohren. Ich hatte da keine Chance mehr, zumal ich mich manchmal so ausdrücke, dass es entweder trivial klingt, und jeder denkt, hast Du das auch schon gemerkt. Oder das, was ich sage, klingt so abwegig, dass es jedem nur merkwürdig vorkommt. Ich kann mich aber leider nicht wirklich gut ausdrücken, wenn ich mündlich angespannt bin, und im direkten Kontakt mit jemandem bin. Dann haben die anderen nicht die Geduld, bis ich wirklich Zugang zu meinen geistigen Gedankengängen habe, und diese dann aber noch in Worte fassen kann. Das finde ich sehr schade, da ich dann meistens dämlicher rüberkome, als ich wirklich bin. Vielleicht bin ich aber auch tatsächlich zu dämlich oder anderen im Dialog einfach nicht gewachsen. Wahrscheinlich sind andere auch wesentlich weiter als ich in dem, was sie so erlebt haben, und mit was sie so konfrontiert sind. Meine Überlegungen sind da eher theoretisch. Wir sprachen bis 1:00 Uhr in der Nacht, und endlich entschieden wir uns, mal ins Bett zu gehen. Im Zimmer war ich ziemlich an genervt, da ich mich überhaupt nicht auskannte und mit meinen Fingern das halbe Zimmer abtasten musste, um Steckdosen oder Lichtschalter zu finden. Ich hatte das Gefühl, obwohl das Zimmer sauber war, mit meinen Händen das ganze Zimmer durch zu putzen. Ich bin nicht zu erpicht darauf, im Gegensatz zu einigen anderen Blinden, alles abzufummeln. Ich fand es schrecklich nervenaufreibend, dauernd alles ab zu tasten, wobei mir dauernd irgendetwas unter die Finger kam, und ich aber nie das fand, was ich eigentlich suchte. Auch den sprechenden Fernseher, der anders war als der, den ich zu Hause habe, konnte ich ohne fremde Hilfe nicht bedienen. Am Frühstückstisch erzählte ich dann, dass ich alles abfingern musste, und dass ich schon Fußpilz an den Händen kriege, weil ich sämtliche Erreger und Keime aller Baustoffe des Zimmers mit den Händen abgefahren war. Am Ende des Aufenthaltes, als wir einmal im Vorraum der Hoteltoilette standen, erklärte mir meine Tischnachbarin, dass man die Seife erhält, indem man einfach die Hand unter den Seifenspender hält, ich sei doch schließlich so pingelig, da würde ich bestimmt auch keinen Fußpilz an den Händen kriegen. Solche Äußerungen, die mir einfach so spontan einfallen, kommen offenbar bei den sonst so spontanen und so freidenkenden selbsterklärten Individualisten dann doch nicht so gut an. Mich aber deswegen gleich generell als pingelig zu bezeichnen, hat mich schon gestört. Sonst bin ich nämlich nicht pingelig, ich mag nur einfach nicht dauernd alles anfassen. Schließlich musste ich ja extrem suchen, da ich ja immer Probleme habe, etwas zu finden, und daher war ich mindestens eine halbe Stunde damit beschäftigt, das halbe Zimmer mit den Händen zu durchsuchen. Das hat dann nichts mit pingelig zu tun. Um 9:00 Uhr sollte es mit den Vorträgen weitergehen. Bereits im Bus zur Moschee hatte ich eine Japanerin kennengelernt, die neu war und niemanden kannte, und da ich sonst im Bus immer allein sitze, hat sie den einzig leeren Platz bei mir gefunden. Wir unterhielten uns, und es stellte sich heraus, dass sie einige Leute kannte, die mit mir bekannt sind. Sie war mit einem deutschen sehenden Gymnasiallehrer verheiratet, und sie arbeitete als blinde Frau als Korrespondentin in einer japanischen Firma für Naturkosmetik, die zwischen Deutschland und Japan Kontakte hat. Das finde ich bewundernswert, soweit hätte ich es auch gerne gebracht. Immerhin habe ich ja auch mal Sprachen studiert. Sie hat sogar in Amerika studiert. Sie hatte so eine kindliche Stimme, dass ich sie komplett unterschätzt hatte, und ich war erstaunt, dass sie bereits 44 Jahre alt war und schon so viel bewerkstelligt hatte. Sie war die erste, die einen Vortrag hielt. Sie erzählte, dass blinde früher häufig in Japan als Sänger herum zogen, da sie keine andere Arbeit fanden. Sie spielte uns sogar einige Takte dieser Musik mit den traditionellen Instrumenten auf CD vor. Sie hatte wirklich alles genau vorbereitet. Sie erzählte uns über die Geschichte Japans, die Rolle der Frau, und das zeitweise sehr harte Sitten geherrscht haben, in denen Menschen ihre Gefühle überhaupt nicht zeigen durften, und Frauen überhaupt nichts galten. Heutzutage sagt sie, würden die Frauen auch in Unternehmen arbeiten, stoßen aber wie überall eben an die sogenannte gläserne Decke. Ich hörte einmal, dass es eine weibliche und eine männliche Sprache in Japan gibt, da ich erst kürzlich ein Feature über japanische Literatur gehört hatte, in dem eine deutsche Japanologin meinte, dass Frauen beispielsweise bestimmte Ausdrücke für das Wort "ich" nicht benutzen dürften, die zu grob wären, und bestimmte Worte daher nur Männern vorbehalten seien, da diese Worte ziemlich laut und raumgreifend seien. Meine Frage hat sie aber nicht verstanden, alle im Publikum dachten, Männer und Frauen würden nach meiner Lesart komplett anders sprechen und hätten daher ihre eigene Geheimsprache. Es war zum Glück eine sehbehinderte Frau dar, die etwas Japanisch konnte und erklärte, was ich meinte. Die Japanerin hatte aber nicht den Eindruck, dass Frauen sich nicht so ausdrücken dürften wie Männer. Wahrscheinlich wird das auch von jedem anders wahrgenommen, es gibt ja auch eine unterschiedliche Sensibilität in punkto Feminismus. Manche sind da pragmatischer, andere gehen eher der Sache auf den Grund und spüren daher subtile Ungerechtigkeiten auf oder sind stärker von ihnen betroffen. Am Schluss gab sie uns noch einen Osterhasen aus Papier, den sie selbst nach der Origami-Falttechnik für jeden gefaltet hatte. Ich war tief beeindruckt, wir alle waren begeistert von ihrem Vortrag. Danach kam eine Rumänin, die mit uns mitgefahren war, und die vertretungsweise für eine Bulgarin spontan einen Vortrag hielt. Sie war nicht vorbereitet, da sie ja diese Aufgabe erst ganz spontan und kurzfristig übernommen hatte. Ihr Vortrag war sehr lebendig, sie erzählte einfach frei von der Leber weg über ihre Kindheit in Rumänien. Zum Beispiel erklärte sie, dass sie ohne Stock gelaufen sei, wegen der schlechten Straßenverhältnisse häufiger mal in eine Grube gefallen war, wobei dann die Bauarbeiter sie zum Essen einluden. Sie war Rumänien deutsche und meinte dann etwas global, die Rumänen hätten die Arbeit nicht gerade erfunden. Sie erntete damit großes Gelächter im Publikum. Allerdings war dies im Nachhinein schon etwas problematisch. Sie erzählte auch, dass ihre Mutter als Rumänien Deutsche nach Russland verschleppt wurde, wo sie fünf Jahre Wiedergutmachungsarbeit leisten musste für das, was die Deutschen in Russland angerichtet hatten während des Zweiten Weltkrieges. Sie wuchs in der Zeit bei ihrer Oma auf, die aber sehr gütig gewesen sein muss. Da erwähnte sie eben auch, dass die Zigeuner, wie sie sie nannte, alles geklaut hätten, was nicht niet- und nagelfest war, und das es daher schon immer hieß, nehmt alles rein, die Zigeuner kommen. Das stieß mir schon etwas auf, aber ich traute mich mal wieder nicht, etwas zu sagen. Einige im Publikum lachten auch noch darüber und meinten, das sei in Deutschland nicht anders. Ich war drauf und dran zu sagen, dafür hat Adolf sie ja auch ins Konzentrationslager gesteckt. Dass dies sarkastisch gemeint war, hätte wahrscheinlich keiner so schnell verstanden und mich tatsächlich für einen Nazi gehalten. Mein Humor ist manchmal etwas bösartig, wobei man hier nicht mehr von Humor sprechen kann, aber man hätte dies anhand meines Tonfalls wahrscheinlich nicht als Ironie oder Sarkasmus erkennen können. Ansonsten erzählte sie sehr lebhaft, wie es in der Schule war, und dass sie nur mit Löffel oder mit den Händen essen mussten, die Gott ihnen ja schließlich gegeben hatte. So erntete sie auch wieder einiges Gelächter, da sie wirklich sehr temperamentvoll erzählte. Sie bedauerte auch, dass zum Beispiel in Rumänien so viele Bodenschätze vorhanden seien, dass sie das Meer in der Nähe hätten, und dass sie so viel daraus machen könnten, wenn sie denn wollten. Dies war natürlich ihre Sichtweise, sie war ja schließlich dort aufgewachsen und hatte dies alles von den Erwachsenen um sie herumlaufend gehört. Außerdem haben ja die Rumäniendeutschen eine ganz andere Sicht auf das Land als die einheimischen. Es gibt ja zahlreiche Gründe, warum ein Land nicht wirklich hochkommt. Sie meinte auch, im Kommunismus sei nicht alles schlecht gewesen, denn bestimmte Berufe seien nur für die Blinden reserviert worden, Sehende hätten in diesen Berufen gar nicht arbeiten dürfen. Allerdings ist der Nachteil eben daran, dass blinde in anderen Berufen auch nicht arbeiten konnten, es hatte zwar jeder einen Arbeitsplatz, doch wurde wahrscheinlich zuvor schon festgelegt, wie viele Lehrstellen es geben würde. Dadurch, dass das Land so lange unter der Diktatur von Ceausescu war, war es wahrscheinlich auch so gelähmt, dass die Leute gar nicht gewohnt waren, die Politik und ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Es ist zwar schön, wenn man alles garantiert bekommt, aber der Preis dafür ist eben, dass man selbst nicht viel Wahl hat. Daher kann man auch später, wenn das ganze System mit einem Schlag zerfällt, nicht so schnell auf die Füße kommen, und die Übergangszeit braucht eben eine Weile. Beim Mittagessen meinte dann eine Frau an unserem Tisch, es sei ihr auch aufgestoßen, dass von Zigeunern und nicht von Sinti und Roma die Rede war, und dass solche Verallgemeinerungen ausgesprochen wurden, dass die Leute faul seien und alles klauen würden. Schlimm fand ich auf jeden Fall, dass die deutschen Frauen auch noch darüber gelacht haben und meinten, das sei auch in Deutschland der Fall. Anscheinend hat man nicht wirklich viel über die Lebensweise von Sinti und Roma begriffen. Ich hatte erst kürzlich im Fernsehen ein Feature gesehen, wo eine Sozialarbeiterin sich um schwer traumatisierte Roma-Kinder gekümmert und ihnen den Besuch einer Schule ermöglicht hat, der ihnen ansonsten verwehrt ist, und die Mütter mussten betteln, während die Kinder zu Hause sich selbst überlassen waren, und eines dabei sogar verbrannt war, weil es den Ofen Anmachen wollte, um nicht zu frieren. Der Kommentar der Sozialarbeiterin lautete: Armut tötet. Somit sehen wir von außen die Sache natürlich wesentlich differenzierter. Das mag ein Privileg sein, und wir sollten diese Einwände auch äußern, wir sollten uns aber nicht über die Leute Stellen, die vielleicht in diesem Land aufgewachsen sind und daher von außen nicht zu viel Einblick haben und einfach nur das wiederholen, was sie von ihren Eltern gehört haben. Aber irgendwann, wenn man mal erwachsen wird und lange nicht mehr im Land war und sich der heutigen Medien bedient, sollte man seine Ansichten schon einmal revidieren. Auf jeden Fall diskutierten wir dann am Tisch darüber, ob wir die Zivilcourage haben sollten, noch einmal den Mund aufzumachen. Zumindest waren alle mit mir einer Meinung, dass wir etwas hätten sagen müssen, dass aber jede von uns Angst hatte, mit ihrer Meinung dann alleine dazustehen, zumal einige der Frauen ja auch ziemlich positiv den Aussagen gelauscht hatten. Ich war der Ansicht, ich hatte mein Scherflein an Zivilcourage bereits erfüllt, denn ich hatte mal eine Begebenheit, bei der ich Zivilcourage zeigte und böse eingefahren war. Es hatten sich bei mir am Tisch einmal zwei Männer über einen Rollstuhlfahrer ausgelassen, der jedes Mal solange braucht, bis er in die Straßenbahn gelangt, und der Krüppel solle doch gefälligst laufen, dem soll doch mal ein Unglück geschehen. Da mischt ich mich ein und meinte, man kann ganz schnell auch im Rollstuhl landen, wenn einem selbst ein Unglück geschieht, und daher sollte man mit solchen Äußerungen vorsichtig sein. Daraufhin fuhren mich die Männer an, ich sei ja schließlich selbst ein Krüppel, und ich sollte mich da raus halten. Die Situation eskalierte, sie schrien mich an, und ich meinte, das Verhalten sei unmöglich. Neben mir saß noch ein Mann, den ich aufforderte, mir zu helfen, aber er versteckte sich hinter seiner Zeitung. Als sie dann auch noch von Bimbos und Negern anfingen, stand ich auf und verließ den Tisch. Da applaudierten sie und meinten, bravo, ein Krüppel weniger. Ich brach in Tränen aus, und eine andere Frau an Nebentisch hatte die Zivilcourage zu sagen, wie gehen Sie mit dieser Frau um. Daraufhin setzte ich mich zu ihr, war aber wirklich in Tränen aufgelöst. Man konnte förmlich die Funken um diesen Mann sprühen sehen, ich sah regelrecht eine rote Flamme hinter ihm. Ich hatte das Gefühl, mit dem Teufel persönlich zu sprechen. Die Spannung war so enorm, dass ich es tatsächlich mit der Angst zu tun bekam. Daher denke ich, wem ist denn geholfen, wenn man sich da einmischt, diese Menschen sind unbelehrbare, zumindest solche, die so extrem sind, man schadet nur sich selbst, erntet Beleidigungen und Verletzungen, aber es ändert sich nichts. Warum soll ich mir das dann nicht ersparen? Früher war ich in solchen Situationen wesentlich unbedarfter. Zum Beispiel stieg ich einmal mit zwei Freunden in den Zug, der nach Polen fuhr, und da meinte einer der beiden, das ist der Auschwitz Express. Ich sagte, ich finde das nicht gut, wenn man das sagt. Die beiden haben mich ausgelacht und meinen Einwand belächelt und ihn mir Jahre später noch vorgehalten, zum Nachdenken hat sie mein Einwand nicht angeregt, also was soll das dann? Erst neulich hatte ich mich in einen Streit eingemischt, obwohl ich mir vorgenommen hatte, lieber heimlich Still und leise die Polizei zu rufen, als ein junger Türke, die Nationalität ist zwar unwichtig, doch es war eben einer, seine Freundin auf offener Straße belästigte und schlug, wobei sie laufend um Hilfe schrie. Ich brüllte ganz impulsiv aus Leibeskräften, aufhören, aufhören, und rannte schon mit dem Stock in deren Richtung. Mein Begleiter, ebenfalls blind, der mit mir auf ein Taxi wartete, brüllte auch AUFHÖREN!!! Doch vielmehr konnten wir nicht tun, unser Widerstand war ziemlich dürftig und mager. Die beiden verzogen sich auch, während er auf sie ein schrie, und sie um Hilfe rief und sich von ihm losreißen wollte. Irgendwann waren beide nicht mehr zu hören, und mein Begleiter kommentierte, sind halt Türken. Hätte ich die Polizei gerufen, wäre die sowieso zu spät gekommen. Ich hatte überhaupt nicht nachgedacht sondern einfach impulsiv gehandelt. Daher war dies keine Zivilcourage sondern einfach nur Leichtsinn. Dennoch denke ich, ich habe mir meine Sporen verdient und meine Schrammen wirklich genug eingeholt. Es ist niemandem geholfen, wenn ich auch Verletzungen davon trage, den Spott und den Hohn und vielleicht noch dazu Ernte, die Situation aber sowieso nicht durch mein Eingreifen verändert wird. Am Nachmittag ging es dann weiter mit den Vorträgen. Eine Frau aus Eritrea sprach, wobei sie uns zunächst mal die Geschichte von Eritrea erklärte. 1952 gab es dort einen Bürgerkrieg, nach zehn Jahren wurde 1962 das Land an Äthiopien angeschlossen, 1993 war es dann wieder unabhängig. So ungefähr waren wohl die Eckdaten. Das Eritrea einmal ein separater Staat war, einige Zeit lang zu Äthiopien gehört hatte und dann wieder unabhängig wurde, wusste ich, doch wusste ich nicht, dass dies zehn Jahre dauerte, bis dann Eritrea Äthiopien annektiert wurde, und dass die Engländer die Italiener vertrieben hatten. Dann schilderte sie ihr eigenes Schicksal, wobei sie darum bat, keine zwischen Fragen zu stellen, da sie alles in einem Rutsch erzählen wollte. Sie sagte, sie hätte erst jetzt den Mut gefunden, solche Dinge anzusprechen und zu erzählen, und diese Vorträge würden ihr gut tun. Das ist mir schon klar, denn aus dem Publikum kommt auch nonverbal ziemlich viel Resonanz, sodass sie auch spüren kann, dass ihr Leid wirklich anerkannt wird, und das emotional etwas mitschwingt, wodurch sie auch eine gewisse Entlastung bekommt. Außerdem merkt sie, dass andere das auch schlimm finden, wodurch man dann das Gefühl kriegt, das, was ich erlebt habe, ist wirklich auch furchtbar. Außerdem hat sie damit das Gefühl, andere hören, was ihr zugestoßen ist, und sie kann damit etwas ändern und erreichen. Sie schilderte, dass sie mit 15 verheiratet werden sollte, und das sie, als sie sich widersetzte, einfach entführt wurde. Sie bekam zwei Kinder, und danach wurde sie blind und taub. Unter nicht ganz geschilderten Umständen gelangte sie dann nach Deutschland, die Taubheit verging, aber die Blindheit blieb. Uns kamen wirklich die Tränen, man konnte eine Stecknadel fallen hören, und man konnte fast leiblich und physisch spüren, dass wir alle betroffen waren. Selbst ich, die sich normalerweise wenig emotional in Schilderungen involvieren lässt und normalerweise auch nicht mitkriegt, welche Stimmung herrscht, hatte eine Träne im Auge. Meine Nachbarin, die zuvor über Rumänien referiert hatte, hat die ganze Zeit in ihr Taschentuch geschnieft. Besonders rührend war, dass sie dann ihre Kinder nach Deutschland nach holte. Sie erwähnte auch die Beschneidung, und das Hebammen, die nicht pünktlich kommen, das Problem haben, dass die Frauen bei der Geburt sterben, da ihre Scheide komplett zugenäht ist, und die Frauen daher verbluten, wenn sie nicht rechtzeitig Hilfe bekommen. Dies erinnerte mich an das Buch und den Filmwüstenblume, und wir waren alle wirklich sehr mitgenommen und berührt. Sie erzählte, dass die Entführungen mittlerweile verboten seien, wobei ich noch nicht ganz verstanden habe, ob die Zwangsehen damit auch verboten waren. Dieses Schicksal war wirklich schrecklich, aber die Frau war so tapfer und sprach so gut Deutsch, und sie hatte sich wirklich einen Platz in Deutschland gesucht. Es war auch zu ihrer Aufgabe mittlerweile geworden, diese Vorträge zu halten, und man merkte, dass es ihr wirklich gut tat, etwas bewegen zu können, die Anteilnahme und die Empathie des Publikums zu spüren, somit hatte sie eine Art Therapie. In der Pause bekamen wir dann Baclava , da die Frau aus Palästina mittlerweile eingetroffen war und es spendiert hatte, und ich freute mich schon sehr auf diese Köstlichkeit, die ich in der Türkei so genossen habe. Ich mag sowieso die türkischen Süßigkeiten sehr, wäre ich eine Türkin, wäre ich wahrscheinlich kugelrund. Der Vortrag war etwas unstrukturiert, und ich konnte die Frau ziemlich schlecht verstehen. Sie erzählte zum Beispiel, dass man in Israel durchaus einen Zuschuss zum iPhone bekommt, das als Hilfsmittel für Blinde anerkannt ist. Sie schilderte auch, dass die Sozialleistungen für Israelis und Palästinenser gleich waren, und dass ihr Bruder mittlerweile dort Jura studiert. Sie ist über ein Promotionsstipendium nach Deutschland gekommen, aber sie konnte dann nicht weiter studieren, da sie aufgrund ihrer Traumatisierungen nicht mehr in der Lage war, ihre Promotion zu Ende zu machen. Alles weiß ich nicht mehr genau, aber sie hat angekündigt, dass ein Artikel über sie in den Sichtweisen kommt, dem Verbandsmagazin des deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes, und dass sie ein Buch veröffentlichen würde. Nachdem ich sie akustisch so schlecht verstanden hatte, nehme ich mir vor, dieses Buch zu lesen. Das Buch von dem Imam wird übrigens auch für blinde aufgelesen werden. Dafür wird die Frauenreferentin sorgen, kündigte sie an. Das werde ich mir natürlich auch nicht entgehen lassen. Die Palästinenserin erzählte dann, dass sie als Ausländerin in Deutschland arbeitete, aber Mobbing erlitt und dadurch krank wurde. Da sieht man mal wieder, was Mobbing alles anrichtet. In einer fremden Welt, in einem fremden Land und einer fremden Umgebung als blinde Ausländerin, dann eine Arbeit zu haben und gemobbt zu werden, das kann einen krank machen. So ist sie wohl meines Wissens nun auch in Frührente. Zwischendurch interviewte ich noch die Diabetes beauftragte, da ich diese Informationen, die sie liefern kann, in unserer Radiosendung bringen möchte. Am Ende habe ich auch die Frauenbeauftragte über ihre Aufgaben im Blindenwesen interviewt. Auch dies wird in unserer Radiosendung erscheinen. Beim Abendessen unterhielten wir uns noch sehr lange über die Vorträge, die uns alle sehr beeindruckten. Nach dem Abendessen gab es noch ein besonderes Schmankerl, eine Frau sang ihre bayerischen Gstanzeln, die sie selbst gedichtet hatte, das war wirklich sehr schön, die Texte waren lustig, launig und auch sehr hintersinnig. Sie tritt normalerweise mit ihrem Bruder auf, und alle beide sind auch noch in einer größeren Formation zu hören. Die beiden Geschwister haben auch Retinitis pigmentosa, sind beide sehr musikalisch und waren auch schon im Hofbräuhaus als Musiker zu Gast. Leider war es nur 1 Stunde, und die Gitarre, die vom Haus gestellt wurde, hatte so fragile Saiten, dass sie sich nicht getraute, die Gitarre richtig zu stimmen, sonst wären die Saiten wahrscheinlich gerissen. Dennoch war es wirklich ein Genuss, ihr zuzuhören, ich hätte noch stundenlang lauschen können. Danach in gemütlicher Runde saßen wieder die üblichen Verdächtigen zusammen, es fand sich wieder die Softwareentwicklerin und die ältere Frau mit mir ein. Wieder wurde es 1:00 Uhr nachts, aber dieses Mal gab es noch eine Begebenheit. Es setzte sich ein Mann zu uns, und ich freute mich zunächst, dass wir Gesellschaft bekamen, und dass der Mann gleich so offen auf uns zu kam. Ich war gerade dabei, eine lustige Begebenheit zu erzählen und ärgerte mich etwas, dass ich damit nicht fertig wurde, da sich alle mit dem man Beschäftigten, der sich vorstellte. Eigentlich hätte ich erwartet, dass sich danach mit meiner Geschichte fortfahren kann. Setze ich mich einfach an einen Tisch hin, dann würden die anderen auch nicht einfach ihr Gespräch unterbrechen, weil ich mich jetzt dorthin Pflanze und mich vorstelle und überall Herumposaune, dass ich mit Du angesprochen werden will, und dass ich hier zur Kurbin . So dachte ich, meine Geschichte kann ich jetzt nicht mehr erzählen, und sei sie auch noch so komisch. Die beiden, die Softwareentwicklerin und die ältere Frau, fingen an, sich zu unterhalten, sodass der Mann, ich und die andere Tischnachbarin von mir, die aus einem anderen Teil Deutschlands hierher gezogen war, mit dem Typen Vorlieb nahmen. Da ich manchmal zwei Gesprächen gleichzeitig lauschen kann, hörte ich, wie die Softwareentwicklerin zu der anderen Dame sagte, der nicht. Da gingen bei mir schon alle Alarmlämpchen an. Er erzählte, dass er verheiratet sei, fragte mich aber zuvor erst einmal, ob ich einen Freund hätte. Ich dachte mir, was geht denn den das an. Ich bekam gleich Komplimente, dass ich doch so nett sei. Nachdem ich die Warnung dieser Softwareentwicklerin mitbekommen hatte, und die Frage schon ziemlich persönlich fand, ging ich etwas innerlich auf Distanz. Da erzählte er, dass er verheiratet sei, was wohl auch kein Hinderungsgrund ist, sich mal eben einen Kurschatten anzulachen, doch war ich etwas beruhigt, da ich dachte, vielleicht ist er dann nicht ganz so notgeil. Aber weit gefehlt. Irgendwann fragte er mich dann, ob ich nicht einmal jemanden haben wollte, der mich durch die Nacht streichelt, und ob ich denn immer so allein sein wollte. Ich fand das ekelhaft. Ich wollte nicht wirklich antworten, doch wie es halt immer so ist, fiel mir dann tatsächlich meine mit Schwester in den Rücken, von wegen Frauen Solidarität, und meinte, das sei doch wohl eine interessante Frage, und das müsse man sich doch durchaus mal überlegen, ob man wirklich ohne Partner und ohne jemanden, der einen in den Arm nimmt, leben könnte. Ich raunte ihr zu, dass dieser Typ nicht ganz ungefährlich ist, und das er etwas merkwürdig sei. Da meinte er, er wollte jetzt eine rauchen gehen, und sie ging gleich mit. Wir sollten in der zwischenzeit auf sein Bier aufpassen, doch meinten wir, das klaut schon keiner, und die Softwareentwicklerin, die ältere Frau und ich machten uns schnell aus dem Staub. Wir waren alle drei gespannt, was die andere Frau, die mir so in den Rücken gefallen war, was die anderen nicht mitbekamen, und dieser Typ nach dem Rauchen noch sonst so alles angestellt hatten. Beim Frühstück traf ich dann tatsächlich meine Tischnachbarin, und ich hätte ihr am liebsten vorwürfe gemacht, warum sie mir so blöd in den Rücken gefallen war. Ich sagte ihr, dass es mir einfach unangenehm war, diesen Typ diese Fragen zu beantworten. Ich dachte, sie würde vielleicht selbst drauf kommen, dass sie sich hier etwas ungeschickt verhalten hatte. Dann kam natürlich gleich wieder eine Belehrung mir gegenüber, das sei doch nicht so schlimm, wenn jemand solche intimen Fragen stellt, da müsse man halt kurz antworten, damit der andere Ruhe gibt, sonst wird er erst recht neugierig. Gleich wurde ich wieder wie ein Schulmädchen abgekanzelt und belehrt. Ich erklärte ihr, dass der Typ in der Sauna, wie mir die Softwareentwicklerin später erzählte, ziemlich anzüglich gewesen wäre und auf sie warten wollte, wobei sie noch in der Dusche stand und dies energisch ablehnte. Er muss wohl auch die Japanerin ziemlich an gebaggert haben, was diese nicht abzuwehren wusste, da sie viel zu höflich dazu war. Ich hätte diese Japanerin wirklich unterschätzt, wenn sie nicht in ihrem Vortrag erzählt hätte, dass Japaner einfach nicht zeigen, dass sie viel wissen, und dass sie eher bescheiden daherkommen, dass dies aber nur der äußere Schein ist. Japaner lernen aber heute, wie man sich in der Geschäftswelt international verhält, da sie sonst von den anderen Kulturen laufend unterschätzt würden. Diese Frau war wirklich ein stilles Wasser, hatte es aber wirklich drauf. Aber es hätte ihr ihre Höflichkeit verboten, diesem Typen die Leviten zu lesen und die Meinung zu sagen. Ich war also schon gebrieft, was diesen Typen angeht, und klärte daher auch die Tischnachbarin auf, die so weise und abgeklärt daHeer redete, wie man mit solchen zudringlichen Typen und deren intimen Fragen am besten umgehen sollte. Da war sie dann schon etwas geschockt, da sie offenbar die Hintergründe trotz ihrer Lebensklugheit und Weisheit nicht erkannt hatte. Zumindest hat mich das schon genervt, dass ich als Trottel dastand, obwohl man mir doch mit etwas Zivilcourage ruhig mal hätte helfen können. Wenn man schon nicht den Mut hat, so einen Typen abzuwimmeln, dann hätte man wenigstens die Klappe halten können. Ich bin auch immer unsicher, ob ich so jemandem etwas sagen kann, oder ob er vielleicht doch nur harmlos ist. Ich kann so etwas schlecht einschätzen. Hernach schicke ich jemanden grob in die Wüste, der eigentlich nur nett sein wollte, oder ich vertraue jemandem, der vielleicht wirklich was fürs Bett gesucht hätte. Immerhin hat er mehrfach betont, dass seine Frau ihn für Schwanz gesteuert hält. Die sitzt schwer krank zu Hause, während er sich auf Kur eine geile Zeit macht. Für mich ist das daher schwer, wirklich gut zu reagieren und solche Leute in ihre Schranken zu weisen. Zumal dann auch noch diejenigen, die daneben sitzen, meine hilflosen Abgrenzungsversuche torpedieren. Am letzten Tag sollte es noch eine Märchenstunde geben. Normalerweise mag ich Märchen überhaupt nicht. Ich tat dies natürlich auch gleich in kleiner Runde am Tisch kund und meinte, dass mir Märchen überhaupt nicht liegen. Natürlich hörte ich dann gleich ein mehrfaches Echo, mir gefallen Märchen, mir auch, mir auch, mir auch. Da hätte ich mir auch mal gewünscht, dass vielleicht zwei sagen, nein, das liegt mir auch nicht so, hast schon recht, und vielleicht zwei sagen, ja, ich finde Märchen super. Ich komme mir jedes Mal so blöd vor, egal, wen ich gut oder schlecht finde, irgend einer sagt nein, und alle machen das Echo hinterher. Ich hab sogar mal gesagt, dass ich Neil Diamond für einen schleimigen Sänger halte, und ihn unerträglich finde, und die wenigsten mögen diesen Schnulzensänger. Aber ein einziger sagte, er findet ihn gut, und prompt kamen alle hinterher. Hätte ich gesagt, Heino ist schrecklich, und irgend einer hätte gesagt, Heino ist doch toll, hätte wahrscheinlich ein ganzer Bus demjenigen einhellig und UNISONO Recht gegeben. Ich finde das schrecklich, dass ich mit selbst ganz vernünftigen Ansichten und ganz gutem Musikgeschmack, wobei da gut und schlecht ja relativ ist, immer alleine dastehe. Irgendwie finde ich das auffällig, das kann nicht wirklich daran liegen, dass ich zufällig immer an so schräge Leute gerate, ich glaube einfach, die Leute halten sich an den, der in der Hierarchie der Gruppe höher ist als ich, und ich bin halt nun mal ganz unten. Dass sich Menschen immer nach dem richten, von dem sie mehr Vorteile erwarten, und wo es Opportun ist, ist menschlich, nur die Frage ist, warum immer ich in der Position bin, wo es sozial weniger opportun ist, mit ihr einer Meinung zu sein. Im Zuge offenbarte mir nämlich die Softwareentwicklerin, dass sie Märchen auch nicht besonders toll findet. Ich war aber positiv überrascht, diese Märchenerzählerin hat mich wirklich in ihren Bann gezogen. Sie hatte schon eine wunderbare Aufmachung, ein samtenes Gewand, dass ich später einmal kurz anfassen durfte. Auf dem Tisch hatte sie ein Tuch ausgebreitet, auf dem sie mehrere Klangschalen und andere Utensilien, ein Holzkästchen oder afrikanische Instrumente ausgebreitet hatte. Während des Erzählens saß sie auch mal kurz am Spinnrad, da viele Märchen in der Spinnstube weitergegeben wurden. Sie erzählte Märchen aus aller Welt, einige davon berührten mich sehr, andere liefen so an mir vorbei, da mir einfach die Konzentration fehlte. Es war ein sehr langes aus Italien dabei, dass ich wirklich sehr schön fand. Auch aus Japan war eines dabei von einer Freundschaft eines Mädchens mit einem Baum. Zwischendurch spielte sie auf einer Cariba oder so ähnlich, mein Gedächtnis ist wieder mal zu schwach. Das war ein kleines afrikanisches Instrument, dessen Metallplättchen mit den Daumen angezupft werden, und durch den Resonanzkörper aus Holz oder einem anderen Material klingt es so, als handele es sich um ein riesengroßes Metallophon. Davon war ich schwer beeindruckt. Zwischendurch betätigte sie auch zahlreiche Klangschalen. Auch das ist normalerweise nicht mein Ding, aber es passte wunderbar. Sie betonte total schön, man konnte ihr wirklich gut zuhören. Somit war selbst ich, ein Märchen-Muffel, sehr schwer beeindruckt, was schon etwas heißen will und viel über die Qualität dieser Frau aussagt. Danach gab es noch die in Deutschland allübliche Meckerrunde. Ich weiß gar nicht, ob dies in anderen Ländern so üblich ist, oder ob man nur in Deutschland davon ausgeht, dass es immer irgendetwas zu bemängeln gibt. Wir waren aber alle positiv gestimmt, mir hat es rundum gefallen. Dennoch hatten wir zuvor diskutiert, ob wir das Thema Sinti und Roma noch einmal ansprechen sollten. Tatsächlich hat dann unsere Älteste, die mit uns am Tisch saß, das Wort ergriffen und gemeint, sie sei etwas befremdet gewesen, dass man von Zigeunern sprach, und das die Rumänen alle so faul seien, und die Zigeuner alle stehlen würden. Sie meinte, man solle doch Sinti und Roma sagen, und es gebe in jedem Volk solche und solche Menschen. Es schloss sich dann noch jemand an, und dann ergriff auch ich das Wort und erzählte von dem kürzlich angeschauten Feature über die Sozialarbeiterin, die mit traumatisierten Romakindern arbeitet. Es meldete sich noch eine Frau, die auch meinte, dass es ihr aufgestoßen sei. Zum Glück war ich nicht wieder alleine. Dann aber drehte sich die Situation, und es meldeten sich mehrere, die beanstandeten, dass wir so kleinlich seien, und dass doch diese Frau reden dürfe, wie ihr der Schnabel gewachsen sei. Insgeheim dachte ich, ich bin schon ganz schön undankbar, diese Frau ist als Vertretung eingesprungen für jemanden und hat sich gar nicht vorbereiten können, und wir schimpfen noch so auf sie. Auf der einen Seite haben wir natürlich recht gehabt, doch darf man nicht den Stab über Leute brechen, die in ihrer Kindheit einfach so aufgewachsen sind und das so gelernt haben. Dennoch sollte man ab einem gewissen Alter irgendwann die Sache auch anders sehen, aber es steht ihr natürlich zu, dass sie es so erlebt hat. So war es schwierig, die Sache aufzulösen, denn einerseits wollten wir dieser Frau nicht Unrecht tun, andererseits fühlten wir aber schon den Drang, dass wir dies berichtigen wollten. Irgendwie schafften wir es dann schon, den Spagat zwischen dem zu sehen, dass sie einfach ihre Erlebnisse schilderte, wie sie es subjektiv empfunden hatte, und dem, was einfach politisch korrekt und auch tatsächlich angezeigt und angesagt ist. So konnten wir alle im Frieden dieses Thema ruhen lassen. Nach dem Essen, das wie immer sehr gut schmeckte, gingen wir dann auf die Reise. Ich hatte sogar zweimal Nachtisch genommen, denn es gab eine Trüffel Mousse, die war so toll, ich dachte, so schnell kriegst Du so etwas schönes nicht mehr. Es gab auch Pralinen, die von diesem Haus speziell angeboten werden, die Kosten einen Euro und sind riesengroß und enthalten Mandelsplitter. Die ältere Frau schenkte uns jedem eine, und ich hatte auch eine gekauft. Bei jedem Essen hatte ich eine andere Saftschorle, und nach dem Essen führte ich mir immer einen guten Cappuccino zu Gemüte. Ich liebe es, Cappuccino zu trinken und gleichzeitig noch einen Saft zu haben. Dies trinke ich natürlich nicht gleichzeitig, aber ich mag es gerne, etwas kaltes zu trinken und dann wieder einen Schluck Kaffee zu nehmen. Da meinte eine am Tisch etwas flapsig, etwas abartig bist Du ja schon. Ich wusste zwar schon, dass das ein Scherz war, aber ich dachte mir, so eine Ausdrucksweise hätte ich mir nicht erlauben dürfen, ohne dann wieder die Grenzen überschritten zu haben, die eigentlich anständig sind. Mir hätte man das wahrscheinlich nicht durchgehen lassen und mich dann mal wieder als zu grob und übers Ziel hinausschießend angesehen. In der Kaffeepause stand ich dann noch am Randherum, da ich nicht an den Tresen herankam und zwängte mich dazwischen, um nicht im abseits zu stehen. Da meinte ich, ich hab mich jetzt einfach reingedrängt, und die Frau sagte, so bist Du halt. Das war mir dann schon etwas unangenehm, ich weiß dann nie, ob so etwas im Spaß oder Ernst geäußert wird. Sie ging dann auch weg, und ich dachte, ich hätte sie wirklich gestört. Ich fragte sie spätter , ob ich sie denn vertrieben hätte, und sie meinte, alles gut, das war nur ein Spaß. Mich beschäftigen solche Dinge dann immer sehr, und ich zweifele dann, ob ich jetzt jemanden verärgert habe, oder ob es irgendwo Unmut gibt. Denn während des Essens hatte ich im Zuge unserer Diskussion über Sinti und Roma auch noch erzählt, dass ein Bekannter von mir, der Heimat vertrieben war, mit sehr viel Wut und extrem hasserfüllt über Muslime oder Flüchtlinge herzieht und sie als Invasoren bezeichnet. Dabei fuchtelte er dann jedes Mal mit den Armen vorm Gesicht seines Gegenübers, also mir herum, sodass ich mich regelrecht bedrängt fühle. Dies demonstrierte ich ziemlich temperamentvoll meiner gegenüber sitzenden Tischnachbarin, wobei ich in Eifer des Gefechts eine Flasche umwarf, die ihr direkt ins Gesicht flog. Da war sie dann schon etwas sauer und meinte, sie müsse jetzt schon mal meckern. Ich entschuldigte mich mehrfach. Trotzdem dachte ich, wahrscheinlich ist sie jetzt sauer auf mich, daher nahm ich Ihre Bemerkung, die sie später machte, so bist Du halt, ziemlich ernst. Aber sie hatte mir den Zwischenfall mit der Flasche längst verziehen. Und dann überhörte ich auch noch ein Gespräch, wo zwei Frauen sich darüber unterhielten, wie kann man denn jemanden so hassen, dass man ihn schlägt. Da dachte ich, die andere wird doch jetzt nicht meine Demonstration dieses Mannes missverstanden haben und denen erzählt haben, ich hätte nach ihr geschlagen oder ihr eine Flasche ins Gesicht geworfen, weil ich Flüchtlinge hassen würde. Aber ich glaube, da ging es um jemand anderen. Ich war nur etwas besorgt, dass ich vielleicht wieder mal zu wild und zu temperamentvoll war und jemanden damit verletzt hatte. Aber mich beschäftigt das auch sehr, dass jemand so hasserfüllt sein kann und so böse über Flüchtlinge redet, und ich vermute, das hat dann mit seiner eigenen Geschichte als vertriebener zu tun. Das wollte ich eigentlich nur deutlich machen. Angeblich hätte ich wenig Gestik und Mimik laut der Psychologin, die mich getestet hat, doch flogen selbst in diesem Gespräch ab und zu die Plastikbecher vom Tisch, wenn ich etwas mit meinen Händen unterstrich. Ich selbst habe immer das Gefühl, würde man mir die Hände auf den Rücken verbinden, könnte ich nicht mehr sprechen. Ich denke immer, dass ich eine sehr wilde Gestik und Mimik habe, aber von anderen wird das gar nicht immer so empfunden, es sei denn ich bin so aufgebracht oder in Rage oder in Fahrt, dass ich wirklich mit meinen Händen so wild um mich herum gestikuliere, das schon mal irgendwas vom Tisch fliegt. D.h. aber nicht, dass es wirklich wild aussieht, aber dadurch, dass ich fast blind bin, denke ich nicht dran, vorsichtiger zu sein. Da finde ich oft solche Seminare für mich ziemlich anstrengend, weil ich ziemlich angespannt bin, ob ich diesen ganzen sozialen Anforderungen gewachsen bin. Aber im Großen und Ganzen ging es ganz gut von statten, außer, dass ich halt in Diskussionen, die informeller sind, mich etwas so fühle, als würde ich den kürzeren ziehen. Ich kann häufig meinen Standpunkt nicht ganz so deutlich klarmachen, wie ich das gerne tun würde, vor allem nicht so differenziert, wie ich es mir wünschen würde, dass es rüber kommt. Alle mussten mit dem gleichen Zug fahren, da von diesem Kaff aus nur ein bestimmter Zug fährt. Wir wurden alle mit dem Sammeltaxi zum Bahnhof gebracht, sodass wir alle noch eine Weile zusammenbleiben konnten. Auch im Zug lief alles glatt, alle kamen rein, und der Umstieg ging reibungslos vonstatten. Als wir dann auf den größeren Hauptbahnhof kamen, wurden die Softwareentwicklerin und ich von der von ihr bestellten Umsteigehilfe geschnappt und in ein Auto verfrachtet, diese offenen Fahrzeuge, die in größeren Bahnhöfen die größeren Wegstrecken zurücklegen. Die anderen verloren wir dadurch aus den Augen. Dadurch, dass dieses Mal alles planmäßig ablief, konnte uns die Umsteigehilfe, die die Frau ja bestellt hatte, da sie ja nicht wusste, dass sie mit uns zurückfahren würde, uns auch finden und dementsprechend helfen. Wir lieferten erst einmal unsere ältere Tischnachbarin am einen Ende des Bahnhofes ab und fuhren dann zu unserem Zug. Dort wurden wir dann hineingebracht, und alles lief reibungslos. Das war auch die nötige ausgleichende Gerechtigkeit zu der schrecklichen Fahrt, die wir auf dem Hinweg hatten. Wir blieben dann für uns, die anderen luden uns über die sehende Begleitperson zwar ein, dass wir vorkommen könnten, da ein paar Leute zusammen saßen, aber wir waren zu faul, noch mal extra durch den ganzen Zug zu laufen, und so zogen wir es vor, uns zu zweit zu unterhalten. Ich erzählte noch einige Dinge, die mich beschäftigen, zum Beispiel auch, dass ich häufig mit meinem Wissen so schlecht anerkannt werde, dass ich mangels Ausübung eines Berufes auch keine Möglichkeit habe, mich wirklich intellektuell auszutoben, und dass mir häufig mein Wissen auch von anderen, die sogar halb so alt sind wie ich, wesentlich weniger ausgebildet sind wie ich, oder die gar nicht aus dem Fachgebiet sind, häufig nicht ernst genommen wird. So kamen wir auch wieder auf das Thema, was tut man, wenn man einfach von anderen angefasst wird. Zuerst gab sie mir Recht und meinte, das müsse man sich nicht gefallen lassen, auch nicht, dass Leute aus 10 m Entfernung schon herumschreien, dass man doch nach links oder rechts gehen müsse. Ich fühle mich dann jedes Mal wie ein ferngesteuertes Auto, und mir ist das außerdem peinlich, dann so aufzufallen. Dann aber kam es wieder zu den allüblichen Phrasen, das müsse man doch einfach ignorieren, das sei doch nicht so schlimm, obwohl sie mir zuvor selbst sagte, dass sie das auch stört, und dass sie dann auch schon mal was sagt. Wenn sie jemand einfach wortlos anfasst, könne sie sich ja schließlich auch wortlos wieder losreißen. Dann war ich wieder diejenige, die sich über alles aufregt, und der andere war wieder derjenige, der locker alles ignorieren kann. Ich habe selten das Gefühl, dass ich mal in solchen Punkten mit anderen auf einer Wellenlänge schwingen kann. Meistens habe ich dann das Gefühl, ich laufe gegen eine Mauer, und der andere blockt ab, einfach ignorieren, ist nicht so schlimm, kommt man schon klar damit. Dann fühle ich mich total abgewiesen und alleine. Aber insgesamt hatte ich schon den Eindruck, dass ich meine desolate Situation etwas verständlich machen konnte, vor allem die Tatsache, dass es für mich nicht so einfach ist, mich einfach mal soeben zu wehren, nachdem ich in diesen Punkten in meinem Leben wenig Unterstützung bekommen habe. Meistens nervte es mich, wenn ich irgendetwas erzählte, und dann kam der Kommentar, ist halt so. Dass es so ist, weiß ich ja, ich bin ja auch nicht blöd. Das ist genauso, wenn ich jemandem etwas erzähle, was mich sehr wundert, dann kommt immer, ja, das gibt es. Dass es das gibt, weiß ich ja auch, aber ich darf mich ja trotzdem drüber wundern. Andere tun immer so abgeklärt, das geht mir einfach auf den Geist, und ich komme mir dann immer wie ein Mensch vor, der gestern erst vom Himmel gefallen ist. Ich weiß doch auch, dass es diese Dinge gibt, dass sie gar nicht ungewöhnlich sind, aber dennoch habe ich ja meine emotionale Meinung dazu. Ich weiß nicht, ob andere tatsächlich so cool sind, und sie gar nichts mehr stört oder wundert, oder ob sie wirklich so weltklug und weise sind, und ich die einzige bin, die sich überhaupt noch über irgendetwas wundert, oder ob sie mir gegenüber einfach sich keine Blöße geben wollen, dass sie spüren, dass ich Ihnen irgendwie unterlegen bin. Mit so jemandem möchte man sich dann lieber doch nicht identifizieren, das gesteht man lieber nur Menschen gegenüber ein, die einem ebenbürtig sind. Aber wir hatten noch eine angeregte Unterhaltung, und die Zeit verging sehr schnell. Alles hat reibungslos funktioniert, wir gingen aus dem Zug, sie brachte mich noch zur Rolltreppe, ich fuhr zur U-Bahn hinunter, und so ging ich erfüllt von all diesen neuen Erlebnissen und Begegnungen nach Hause. Aber es war schon anstrengend, zumal dann, wenn man nie das Gefühl hat, sich auch wirklich mal so fallen zu lassen, dass man nicht immer in Habachtstellung sein muss. Da finde ich soziale Kontakte immer etwas anstrengend. Dennoch war ich froh, so viele neue Informationen bekommen zu haben. Ich wunderte mich auch, dass die Softwareentwicklerin so schnell die Rolltreppe fand, während ich, Dir noch einen Sehrest hat, sich immer so schwer tut. Aber so ging es mir auch in dem Hotel. Eine, die schon häufig dort war, bot eine Führung an, und sie hatte sichtlich Mühe, mir den Grundriss zu erklären, die ich ihn auch nach dem zehnten Mal immer noch nicht begriffen hatte. Man konnte einfach irgendwelchen Teppichen entlanglaufen, um an irgendwelche Stellen zu kommen, aber ich brauche dann immer eher erst einmal eine grobe Orientierung, ehe ich mich dann auf die Feinheiten einlassen kann, denn ich vergesse dann, wie oft ich schon links und rechts abgebogen bin, und irgendwann ist dann in meinem Kopf nur noch ein Zickzack. Als ich dann begriffen hatte, dass am einen Ende der Speisesaal und am anderen Ende der Medienraum ist, war die Grundstruktur schon mal aufgespannt, und der Rest ergab sich dann von selbst. Es ist schon etwas verwirrend, da der Eingang seitlich ist. Ich war zwar beeindruckt von dem Haus, doch einen Wermutstropfen in der Bedienung gab es dann schon. Wir sollten unsere Zimmer räumen, doch gab es nur zwei Leute, die betroffen waren, bei denen gleich wieder jemand einziehen würde, die anderen konnten bis zum Mittagessen damit warten, ihr Gepäck aus dem Zimmer zu nehmen. Ich war natürlich wieder mal eine mit dem Kirschkern Syndrom, wenn eine den Kirschkern hat, bin ich es. So war ich auch wieder diejenige, deren Tasche früher aus dem Zimmer raus musste. Anstatt mich aber auszurufen oder in den Seminarraum zu kommen, um mich raus zu holen, damit ich mein Gepäck aus dem Zimmer nehmen konnte, wurde meine Tasche einfach vom Personal herausgeholt. Was wäre gewesen, wenn ich nicht schon alles eingepackt hätte? Ich habe immer alles, was ich nicht mehr brauchte, gleich in die Tasche zurückgegeben. Normalerweise hätte ich dann erst einmal jemanden gebraucht, der mit mir durchs Zimmer geht und schaut, ob ich alles eingepackt hatte und nichts vergessen hatte. Als ich dann mit einer der sehenden Begleitungen zur Rezeption kam, wurde mir eröffnet, man habe meine Tasche schon rausgenommen, wir könnten aber dennoch mal ins Zimmer gehen und schauen, ob nichts drin geblieben war. Ich empfand das als massive Grenzüberschreitung. In einem normalen Hotel hätte man sich das wahrscheinlich nicht erlaubt. Und bei anderen hätte man das wahrscheinich auch nicht gemacht. Irgendwie umgeben all meine Sachen meiner Aura, dass man einfach meine Grenzen übertreten darf. Auch im Krankenhaus hatte ich das schon, als ich einmal vor zehn Jahren von der Dialyse auf Station kam, war alles schon gepackt, man hatte einfach meine Sachen, und auch noch die der Nachbarin, in meinen Rucksack geworfen, mich aus dem Zimmer ausquartiert, so das ich im Schwesternzimmer meine Mahlzeit einnehmen musste. Wie ich dann nach Hause kommen würde, und wo ich mich aufhalten sollte, war dann mein Problem. Und das nach 5 Stunden Dialyse, und wo ich am anderen Ende Deutschlands operiert wurde und ohne Übernachtungsmöglichkeit direkt mehrere Stunden hätte nach Hause fahren müssen. Ich hatte auch schon erlebt, dass eine Frau, die nach einer schweren Operation aus der zwischen intensiv zurück kam, ihre Sachen nicht mehr fand, da man mir ihren Schrank zugewiesenhatte, was ich leider nicht wusste, und ihre Sachen hatte man einfach in eine Tüte gestopft und in den Lagerraum gestellt. Als sie, noch halb in Narkose, bitterlich weinte, da man ihre schöne Bluse mit ihren Schuhen achtlos in einen Sack gestopft hatte, wurde ihr noch entgegen geschleudert, sie solle sich gefälligst nicht so aufregen, man habe ihre Sachen ja schließlich nicht versteigert, und im Krankenhaus könne man darauf keine Rücksicht nehmen. Ich muss zugeben, über das mit der Versteigerung musste ich etwas lachen, was dann im Nachhinein etwas unangebracht war. Aber die Frau und ich haben uns dann doch ganz gut verstanden. Man denkt immer, mit kranken oder behinderten kann man es halt einfach machen. Ich fand es respektlos, dass mein Gepäck einfach aus dem Zimmer genommen wurde, wahrscheinlich hätte man auch noch Dinge, die ich als Toilettenartikel im Bad hätte stehen gehabt, achtlos in die Tasche geworfen, obwohl das meine eigenen und persönlichen und intimen Gegenstände sind. Da war meine Freude über die Entwicklung, die dieses Haus vom blinden Heim zum Hotel gemacht hatte, schon etwas getrübt. Vielleicht gehe ich dann noch mal hin, zumal wir auf dem Weg zur Moschee im Bus einige Informationen darüber erhielten, was das Haus alles so zu bieten hat, und das auch zahlreiche Ausflüge angeboten werden. Normalerweise hätte ich gedacht, da ist doch der Hund begraben, was soll man den Dauunternehmen, früher gingen wir ins Bauerntheater oder zu irgend einem Herrgottsschnitzer, das fand ich damals wirklich nicht so prickelnd. Aber es werden auch sehr interessante Ausflüge mittlerweile zu einer Käserei, einer Kaffeerösterei oder einer Schokoladenfabrik angeboten. Das reizt mich natürlich wesentlich mehr, als in irgendeiner Klamm Herumzuwandern und mir den Hals zu brechen oder durch die Gegend zu wandern in wilder Natur, wo einem noch die Äste ins Gesicht fliegen. Damit hab ich es halt nicht so. Wenn ich wieder schwimmen gehen darf, was ich mit meinem Nephrologen noch abklären muss, werde ich vielleicht doch mal dorthin gehen. Mein nächster Urlaub wird aber wahrscheinlich in Vorarlberg sein. Insgesamt fand ich das Seminar und alles drumherum sehr bereichernd, und ich zehre noch sehr von den vielen Vorträgen und Informationen, die ich bekommen habe, da ich besonders den Dingen aus anderen Ländern, was Behinderte und Frauen angeht, und auch sonst in politischer Hinsicht allem sehr aufgeschlossen bin. In zwei Jahren ist wieder ein Seminar, vielleicht gehe ich wieder hin. Allerdings interessieren mich die Frauenthemen, die manchmal auch angeboten werden, wie zu Beispiel Wellness nicht zu sehr, obwohl man auch Dinge anbietet, wie zum Beispiel kleine handwerkliche Tätigkeiten auszuführen. Aber wenn ich meine zehn Daumen noch heil wieder zurückbringen will, sollte ich das lieber lassen, denn hier bin ich wahrscheinlich hoffnungslos. Auf jeden Fall habe ich eine ganze Menge an neuen Erfahrungen gemacht, und besonders hat mich erstaunt, dass sogar Dinge, die mir eigentlich sonst nicht so gefallen, wie zu Beispiel Märchen, großen Spaß gemacht haben. Auch das Essen war super, die Bedienung war hervorragend, und auch das Personal war sehr freundlich. Es gab auch eine Krankenschwester dort, so das ich Blutdruckkontrolle und Gewichtskontrolle wegen der Transplantation gut durchführen konnte. Alles in allem war es doch eine spannende Erfahrung. Ich fand alles toll organisiert, und das Programm war wirklich extrem reichhaltig. Es war eine sehr weite kulturelle Spanne vorhanden.

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