Dienstag, 15. März 2016

Man ist so krank, wie man sich fühlt

In der letzten Ausgabe des Diatra- Journals wurde über ein bestimmtes Pflegemodell berichtet, dass das Leben über die Krankheit heben soll. Hierbei wurde die an der Dialyse alltägliche Situation geschildert, dass ein Patient kommt, und an seinen Werten abzulesen ist, dass er sich nicht an die Vorschriften gehalten hat, sodass er vom Pflegepersonal ermahnt wird, und es zu Unstimmigkeiten kommt. Nachdem ich nun fast zehn Jahre an der Dialyse bin, erlaube ich mir hier, einige meiner Gedanken hierzu darzulegen. Hierzu möchte ich zunächst einmal eine Begebenheit schildern, die mir jüngst im Krankenhaus widerfahren ist. Da ich aufgrund eines nicht mehr einzustellenden Bluthochdrucks ein Medikament erhielt, das zu extrem starkem Haarwuchs führte, habe ich dieses Medikament nach Rücksprache mit meiner Ärztin abgesetzt und bin demzufolge mit einer hypertensiven Krise über Silvester im Krankenhaus gelandet. Dort erhielt ich Kost, die komplettsalzlos war. Ich sprach den Dialysearzt auf diese Kost an, denn ich hatte folgendes von meinem früheren behandelnden Professor gelernt: leben sie so, wie sie normalerweise leben, wir bauen die Therapie darum herum, eine salzlose Ernährung verringert den Blutdruck nur um ein paar MMHG, die Chemie macht dies zuverlässiger. Ich fragte also den Arzt, ob ich nicht, die ich ja die Dialyse-Diät sehr gut kenne, nicht einfach voll Kost erhalten kann, und dann das weglassen dürfe, was ich nicht essen soll. Zuweilen bereitet mir das, was in Krankenhäusern unter Dialyse-Kost verstanden wird, nur mehr ein Kopfschütteln. Der Arzt erwiderte folgendes: „Trinken Sie Alkohol? Rauchen Sie? Für den einen ist es schwer, auf Alkohol und Nikotin zu verzichten, der andere findet es schwer, ohne Salz zu leben.“ Ich versuchte vergeblich, dem Arzt zu erklären, dass es sich bei Nikotin, auf welches ich schon seit Jahren verzichte, und Alkohol um Suchtmittel handelt, wohingegen Salz ein Geschmacksträger ist, der zu einer guten Lebensqualität beiträgt. Ich sagte dem Arzt, dass ich schon zehn Jahre an der Dialyse bin, dass ich fast blind bin, und dass sich mein Handlungsradius so weit eingeschränkt hat, dass das Essen für mich als einer der wenigen Genüsse, der mir noch geblieben ist, einen hohen Stellenwert hat. Hierauf bekam ich die lapidare Antwort: „das Leben ist nun mal ungerecht.“ Ich erklärte dem Arzt, dass ich außerdem nur 1 l am Tag trinken würde, woraufhin er mir sagte: „da geht noch weniger." Als ich dem Arzt erklärte, dass ich zuweilen nur 1 l mit an die Dialyse bringe, murmelte er: „wenigstens hier sind sie cpmpliant". Er hatte nicht damit gerechnet, dass ich diesen Fachausdruck als medizinische Fachübersetzerin kenne. Zu Deutsch hieß dies, er hielt mich für jemanden, der sich überhaupt nicht an irgendwelche Vorschriften hält und seine Medikamente nicht einnimmt, und der allenfalls ein bisschen auf die Trinkmengenbeschränkung achtet, wenn auch nicht in dem Ausmaße, in welchem ich es tun könnte. Ich fühlte mich durch diese Unterhaltung wenig gewertschätzt, meine ohnehin schon bestehenden Einschränkungen wurden nicht gewürdigt, und dies von einem Menschen, der selber diesen Einschränkungen nicht unterliegt. Nun kann dieser Arzt an meiner Situation nichts ändern. Dennoch würde ich mir wünschen, dass Ärzte positiv und wertschätzend darauf reagieren, wie wir Patienten unsere Diät, was ja auch Lebensweise heißt, im Alltag umsetzen, und wie sehr wir uns Mühe geben. Allen Modellen zum Trotz, viele Dinge sind nicht eins zu eins umzusetzen, aber mit einer gewissen Empathie , gesundem Menschenverstand und tagt könnte man zum Beispiel sagen: „so, wie sie es machen, machen sie es schon ganz gut. Wir wissen, dass es nicht einfach ist, und dass dieses Leben sehr viele Einschränkungen hat. Wir würden Ihnen wünschen, dass sie mehr Möglichkeiten hätten, doch ist dies im Moment leider nicht der Fall.“ Dies würde zum einen ausdrücken, dass der Schweregrad der Situation überhaupt wahrgenommen wird, zum anderen aber auch, dass dieser Umstand nun einmal nicht zu ändern ist, dass aber eine emotionale Begleitung vorhanden ist. Ich höre auch von anderen Patienten, dass häufig Sätze fallen wie: „das Leben ist kein Ponyhof, das Leben ist kein Wunschkonzert.“ Diese Sätze, die von Menschen dahingesagt werden, die unsere Situation zwar kennen, jedoch niemals vollständig in unserer Haut stecken und wissen, wie es wirklich ist, sollen zwar zeigen, dass man sich im Leben nicht alles aussuchen kann, doch wird hier so getan, als ob wir als Patienten uns nur die Rosinen aus dem Leben herauspicken wollten, wobei es hier nur darum geht, etwas mehr Lebensqualität zu haben. So musste ich mir zum Beispiel von einer Krankenschwester einmal anhören: „Sie können froh sein, dass sie nicht in Südamerika leben, dort gibt es nur ganz wenig Dialyse, dort wären sie schon längst gestorben.“ Wenn ein überleben der Mindeststandard ist, und man nicht mehr erwarten darf und daher keine Kritik äußern darf, weil man ja froh sein muss, überhaupt noch da zu sein, ist dies nicht der Sinn der Sache. Häufig werden Vergleiche angestellt mit denen, die es ja noch viel schwerer haben, oder mir wird häufig von ganz gesunden Menschen eingeredet, es ginge ihnen genauso wie mir. Ich persönlich würde mir zum Beispiel wünschen, dass die Faktoren, die das Leben an der Dialyseschwächen, ehrlich benannt und anerkannt werden und nicht als alltägliche Zipperlein bagatellisiert werden. Dies bedeutet nicht, dass man sich bemitleiden lässt. In diesem Artikel, der im letzten Heft abgedruckt war, stand auch, dass man die Ressourcen des Patienten schonen soll, damit er Kraft hat für das, was er wirklich tun will. Ich finde es richtig, dass man seine Ressourcen einteilt und sich auch einmal da helfen lässt, wo man zwar selbst noch zurechtkommt, wo man aber Ressourcen für schönere Dinge sparen kann. Dies bedeutet nicht, dass man sich auf Kosten des Hilfspersonals ausruht und sich bedienen lässt. Dies bedeutet, dass man seine vorhandenen Kräfte sinnvoll einteilt und sich nicht aufreibt an Dingen, die ein anderer wesentlich schneller tun kann. So erlebe ich es häufig im Alltag, dass ich allem und jedem hinterher laufen darf, meine Medikamente organisieren muss, Arztbesuche erledigen muss, hinter Überweisungen her rennen darf oder irgendwelche Genehmigungen beantragen muss. Ich halte dies für gesundheitsschädlich. Als ich neulich mit meiner gesetzlichen Betreuerin darüber sprach, meinte sie, ich solle all dies tun, was ich noch könne. Mein Argument, dass dadurch meine Gesundheit noch mehr leidet, wenn ich mich bis zum Letzten aufreibe, blieben ungehört. Hier wird häufig ein erzieherischer Anspruch getätigt, als müsse man den Patienten fordern, damit er nicht in Lethargie verfällt. Ich stehe auf dem Standpunkt, dass voll gesunde Menschen auch nicht immer all das tun, was sie tun könnten, und ihre Ressourcen auch nicht immer bis auf den letzten Tropfen ausschöpfen. Man denke nur daran, wie häufig das Auto verwendet wird, obwohl man die paar Meter zum Zigarettenautomat auch laufen könnte. Würde man hier die Forderung erheben, das tun zu müssen, was man auch wirklich kann, würde die Umwelt erheblich geschont werden. Ich finde es richtig, dass jeder das tut, was er tun kann, und was er aber auch tun möchte, wozu meines Erachtens auch viel Bewegung gehört. Man sollte dies aber auch nicht bis zur Erschöpfung treiben. Als ich an die Dialyse kam, habe ich mir gewünscht, zwischen den Dialysen im Intervall ein gewisses Wohlbefinden zu erreichen. Ich dachte mir, ich bin nicht krank, sondern ich bin bedingt, also konditionell gesund. Unser Nephrologe sagte zu seinem Abschied, als er in Rente ging einmal zu uns allen: „fühlen Sie sich bitte nicht krank, sie haben hier eine Kondition, bei der sie bestimmte Dinge tun müssen, bei der sie dreimal die Woche an die Dialyse müssen. Ansonsten leben sie ihr Leben ganz normal.“ Wenn ich sage: „ich bin krank,“ Dann tue ich dies manchmal, wenn ich die Grippe habe. Wünschenswert wäre für mich, dass ich sonst nicht denken müsste, dass ich krank bin. Doch fühle ich mich zwischen den Dialysen nicht, wie ich es mir sehnlichst gewünscht hätte, gesund, sondern ich merke, wie meine Kräfte bis zur nächsten Dialyse nachlassen. Mein ohnehin eingeschränktes sehen wird immer schlechter, die Flimerskotome vor den Augen nehmen zu, ich fühle mich immer mehr vergiftet, meine Muskeln werden schwächer, ich werde immer müder und kann immer schlechter denken. Anders als bei anderen geht es mir nach der Dialyse wieder hervorragend, ich fühle mich frisch und ausgeruht und sauber. Das lange Intervall ist für mich fürchterlich, ich kann nur durch die Einschränkung meiner Nahrungsaufnahme verhindern, dass ich aufgrund der Vergiftung extremen Durst bekomme. Niemand weiß, woher das kommt. Eigentlich hatte ich die Dialyse als meinen neuen Job angesehen. Das ist halt jetzt meine Arbeit, so wie andere zu ihrer Arbeitsstelle gehen. Wenn andere dies so nennen, stört mich dies, obwohl ich dies selbst oft so mache. Aber der Unterschied zu einem Job ist der, dass man bezahlt wird, dass man Urlaub hat, und dass man keine medizinische Behandlung bekommt, bei der man sich auf einmal anders fühlt. Die Menschen, die mich gut kennen, sehen mir im Gesicht an, dass ich wieder zur Dialyse muss, da mein Gesicht dunkler und aufgeschwemmt ist, und da man mir ansieht, dass es mir nicht gut geht. Nach der Dialyse sagt mir jeder, ich sehr wesentlich erholte aus. Dies fällt allerdings weder den Ärzten noch dem Pflegepersonal auf. Aber es deckt sich mit meinem Empfinden, daher bin ich froh, dass es Menschen gibt, die dies bemerken. Der Idealzustand eines Dialysepatienten wäre, eben diesen Job zu verrichten, dass man da eben eine gewisse Kondition hat, dass man sich aber ansonsten, wenn man sich weitestgehend hält, ganz gut fühlt. Dann ist man, wie ich es nenne, konditionell gesund. Dann kann man mit mehr oder weniger großen Einschränkungen gut durchs Leben kommen. Ich finde es übertrieben, jede Diätvorschrift bis auf das Kleinste einzuhalten, sich nichts zu gönnen und immer nur zuschauen, dass man möglichst trocken an die Dialyse kommt. Ich mache dies rein nach Gefühl, denn wenn ich mir jedes Mal denke, du darfst nur 1 l trinken, bin ich komplett auf diese Zahl fixiert und habe noch mehr Durst. Ich trinke lieber regelmäßig, und so kommt auch fast immer mehr oder weniger dieselbe Menge zustande. Ich finde, es ist wichtiger, eine hohe Dosis an Phosphatbindern zu nehmen, anstatt sich mit Diät zu kasteien. Ich esse auch sehr viele kaliumhaltige Dinge wie obst, ohne das ich schlichtweg nicht leben könnte, halte mich aber im langen Intervall zurück. Ich glaube, wenn man einfach ein Gefühl für sich und seinen Körper entwickelt, nicht allzu streng ist, aber auch nicht alles schleifen lässt, findet jeder einen Weg, wie er mit sich und seiner Erkrankung umgehen kann. Dieser anfangs erwähnte Arzt im Krankenhaus sagte mir dann auch noch, er wünsche mir ein gesundes neues Jahr. Ich dachte mir, an seiner Sensibilität müsste man noch etwas arbeiten. Als ich ihn darauf hinwies, dass ich nicht gesund bin, meinte er: „das, was eben geht.“ Das, was eben ging, war in diesem Moment auch aufgrund seiner Diätvorschriften nicht sehr viel. Ich bin nun nicht gerade die Experten, wenn es darum geht, wie man Konflikte zwischen Arzt und Patient vermeidet. Leider bin ich ein aufgeklärter Patient, da ich alleine schon aufgrund meiner Ausbildung als Übersetzerin mit Ergänzungsfach Medizin und aufgrund der Vorerfahrungen durch ein ebenfalls erkranktes Familienmitglied mehr weiß, als manchem Arzt lieb ist. Das wichtigste wäre, wenn die Ärzte das Wissen ihrer Patienten respektieren würden, und wenn sie darauf achten, dass Chroniker häufig anders sind als Menschen, die ein akutes Problem haben. Denn wir kennen unseren Körper gut und wissen, was uns gut tut und was nicht. Wir können mit großer Sicherheit vorhersagen, wie wir auf was reagieren. Wir wissen auch, wo wir entgegen der Lehrmeinung manchmal eine Ausnahme sind. Wir haben häufig ein gutes Gefühl dafür, wann sich etwas im Körper verändert und nicht mehr stimmt. All diese Dinge sollten von einem Arzt oder auch von den Krankenschwestern gewürdigt und willkommen geheißen werden. Denn dies sind alles Dinge, die die Zusammenarbeit erleichtern und nicht erschweren. Alles in allem würde ich mir wünschen, dass die Situation, in der wir uns befinden, ohne Pathos und Larmoyanz, aber dennoch realistisch als nicht leicht anerkannt wird, dass unsere Bemühungen aber auch unsere Eigenkompetenz und Expertise positiv aufgenommen wird, dass die Wünsche, wie wir leben möchten, mit eingebaut werden, und dass auch Raum dafür bleibt, einmal etwas auszuprobieren und die Grenzen auszuloten, ohne, dass dies als mangelnde Therapietreue angesehen wird. Jeder Mensch ist anders, und die meisten Menschen kennen sich eben selbst sehr gut. Das wichtigste ist, hier ernst genommen zu werden.

Samstag, 12. März 2016

Kino für die Nerven

Am Dienstag wollte ich in einen Kinofilm, der wieder einmal für die Ohren, nämlich mit einem Kopfhörer mit Bildbeschreibung für Sehbehinderte und blinde, der sogenannten Audiodeskription angeboten wurde. Ich hatte mich schon sehr darauf gefreut, und ich plante, in einer nahe gelegenen Pizzeria eine Pizza zu holen, dann 20 Minuten vor Filmbeginn dazu sein, um die reservierte Karte noch zu bekommen, und dann in das Bistro des Kinos zu gehen, um dort etwas zu trinken zu bestellen und die Pizza zu essen, und danach wollte ich dann in den Film gehen. Wie meine Mutter immer zu sagen pflegt, erstens kommt es anders, zweitens als man denkt. Als ich zu dem Italiener gehen wollte, stellte sich heraus, dass er genau am Dienstag Ruhetag hatte. So brachte mich eine hilfsbereite Frau zu einem anderen Italiener in der Nähe, von dem aus ich aber das Kino nicht so gut finden kann. Irgendwie schlug ich mich dann doch zu dem Kino durch mit der Pizza in der Hand. Ich war schon ziemlich verärgert, dass ausgerechnet wieder so ein Pech passiert war. Ich ging zur Kasse und holte mein Ticket und sagte zu der Frau, sie solle unbedingt jemanden für ein paar Minuten an meine Seite setzen, bis auch wirklich gewährleistet ist, dass die Kopfhörer diesmal funktionieren. Sie meinte, ich sei das letzte Mal nur ungeduldig gewesen, ich hätte warten müssen, bis der Film beginnt, und es hätte doch dann auch funktioniert. Ich erwiderte ihr, dass es nicht an meiner Ungeduld gelegen hatte, denn tatsächlich musste mein Kopfhörer ausgetauscht werden, und ich bekam dann den vom Chef, der auf jeden Fall funktioniert hatte. Ich ging also schon ziemlich geladen in das Bistro, um mir einen Platz zum Verzehr meiner Pizza zu suchen. Als ich hilflos herumstand, rief mich ein Mann und meinte, da sei noch ein Platz. Ich fragte, wo denn „da“ sei. Denn ich kann ja nicht sehen, wo jemand hindeutet. Da meinte die Frau, die neben ihm saß: „Na, da!" Erneut fragte ich: „wo ist denn da.“ Da meinte sie: „na hier!“ Da meinte ich etwas aggressiv: „Ach, wie interessant, hier ist also da.“ Es ist ja durchaus verzeihlich, dass man erst einmal mit dem Finger zeigt, da man das gewohnt ist. Wenn man dann aber mehrfach darauf hingewiesen wird, dass Worte wie hier und da für einen Blinden sinnlos sind, sollte man dann irgendwann dazu übergehen, die Richtung mit links oder rechts anzugeben. Bei anderen Blinden klappt das auch, dann sagen die Leute meistens: „Ach so, ich meine links.“ Ich schaffe es leider nicht, die Menschen zum Umschalten zu bringen. Der Mann meinte dann, es sei ja schließlich schwierig, sich um zu gewöhnen. Irgendwie fand ich dann den Stuhl und wartete, dass eine Bedienung mich fragen würde, was ich will. Ich kann in einem Restaurant mangels Blickkontakt niemals einen Kellner herbeirufen und werde regelmäßig komplett übersehen, wenn ich nicht irgendeine Nachbarn darum bitte, die Kellnerin für mich zu rufen. In diesem Bistro hat man zwar eine Speisekarte für blinde, aber weiter geht dann der Umgang mit blinden doch wieder nicht. Ich saß einmal mit zwei anderen Blinden bei einem Italiener, und wir riefen uns die Lunge aus dem Hals, aber niemand kam. Da rief ich ganz laut „Feuer!!!“ Und tatsächlich kam der Kellner und fragte ganz normal: „ja, was hätten Sie denn gern.“ Er musste uns also schon die ganze Zeit bemerkt haben, sonst hätte er ja auf den Schrei wegen Feuer ganz anders reagiert. Ich bat also den Mann neben mir, die Bedienung zu holen. Die Frau meinte ziemlich gereizt, die Bedienung sei alleine, die würde doch schon irgendwann kommen. Ich erwarte ja nicht, dass jeder sofort springt, wenn ich hereinkomme und rufe. Aber man könnte einmal signalisieren: „ich habe sie gesehen, ich bin alleine, ich komme bald.“ Als ich schon die Hälfte meiner Pizza aufgegessen hatte, rief der Mann noch einmal nach der Bedienung, und ich rief auch ziemlich laut noch einmal Hallo. Da wurde der Mann sauer und meinte: „wenn es Ihnen zu langsam geht, dann rufen Sie die Bedienung doch gefälligst selbst.“ Wie gesagt, ich war schon ziemlich auf Krawall gebürstet. Die Bedienung kam, ich bestellte mein Getränk, das auch sehr schnell kam. Ich aß den Rest meiner Pizza auf und trank meine Johannisbeerschorle. In der Zwischenzeit kamen mir Erinnerungen an die letzten Kinobesuche, die fehlgeschlagen waren, und die meine Stimmung nicht gerade verbesserten. Im Jahre 2015 wollte ich meinen Geburtstag feiern, indem wir Pizza essen gehen und danach den Film „Die Sprache des Herzens“ anschauen wollten. Am 2. Januar wollte ich diesen Film schon sehen, bin aber krank geworden. Als ich an meinem Geburtstag dorthin kam, funktionierte mal wieder der Kopfhörer nicht. Dies war mir schon ein paar Mal passiert, einmal waren die Kopfhörer nicht geladen für alle, so das ein paar Sehbehinderte uns notdürftig die Bildbeschreibung lieferten, die sie noch erkennen konnten. Daher war ich an meinem Geburtstag schon sauer, als es wieder mal nicht klappte. Den Film konnte ich am nächsten Tag nicht sehen, da ich ja dann an die Dialyse musste. Man hatte die ganze Zeit die falsche Filmspur eingelegt, da ich die einzige gewesen war, die diesen Dienst mit der Bildbeschreibung abgerufen hatte. Daher wusste niemand, dass es die ganze Zeit schon gar nicht ging . Der Film wurde im Laufe des Jahres noch einmal gezeigt, doch hatte ich da wieder Dialyse und konnte nicht. Dieses Jahr wurde er noch mal gegeben, zu meiner größten Freude, denn ich hatte ihn zuvor nur mithilfe meiner Helferin sehen können, die ihn mir bei einem online-Filmverleiher für mich ausgeliehen hatte, wo er allerdings ohne Bildbeschreibung lief, und ich mir einige Szenen notdürftig zusammenreimen musste. Vor einigen Wochen also wurde der Film noch einmal gezeigt, und ich war natürlich sofort Feuer und Flamme, reservierte und ging dorthin. Bevor der Film los ging, hielt der Chef des Kinos eine kleine Ansprache darüber, wie eine Bildbeschreibung für blinde funktioniert und zeigte einen Ausschnitt mit offener Audiodeskription über Lautsprecher. Früher wurden die Filme so gezeigt, es gab spezielle Nachmittage für blinde. Er war nun ganz stolz darauf, dass diese Nachmittage nicht mehr notwendig seien, und dass blinde nun ganz normal mit ihren Freunden ins Kino gehen und den Kopfhörer benutzen konnten. Als diese Nachmittage abgeschafft wurden, schrieb ich eine traurige Mail an den Chef mit der Befürchtung, dass dann die Kopfhörer vielleicht nicht funktionieren, und dass ich ja schließlich genauso mit meinem Bekannten ins Kino gehen kann, den ja die offene Bildbeschreibung über Lautsprecher nicht stört. Somit können blinde ja auch an diesen Nachmittagen, die einmal im Monat stattfanden, ihre Freunde mitnehmen. Aber mein flehen blieb unerhört, der Kinonachmittag wurde abgeschafft. Ein Stück des Filmes wurde für alle mit Bildbeschreibung gezeigt, dann wurde der Film gestoppt, und er lief dann ganz normal an, und wir sollten über Kopfhörer die Beschreibung erhalten. Ich saß also an jenem Abend im Kino und wartete, bis die Beschreibung losging. Aber es kam nichts, und aufgrund meiner Vorerfahrungen geriet ich schon in Panik. Da wurde mir geheißen, ich solle warten, bis der eigentliche Film losgeht, dann käme auch die Beschreibung. Ich hatte gedacht, dass auch der Filmton selbst über die Kopfhörer geliefert würde und war daher beunruhigt. Aber als der Film losging, hörte ich wieder keine Beschreibung. Ich war ziemlich sauer, aber ich bekam dann den Kopfhörer des Chefs, und da ging es dann, nachdem wir die Lautstärke hoch geregelt hatten. Mittendrin fiel dann der Kopfhörer plötzlich wieder aus, aber dies geschah nur für einige Minuten. So konnte ich den Film in befriedigender Qualität genießen. Neben mir saßen einige geistig Behinderte, da der Abend als inklusives Kino angeboten war. Inklusiv heißt ja immer,es sind nur Behinderte da, aber die eben mit unterschiedlichen Arten von Behinderung. Somit nahm ich die Geräuschkulisse gelassen hin, denn schließlich möchten ja alle Menschen ins Kino gehen. Ich würde mir aber wünschen, dass Inklusiv bedeutet, dass sowohl Nichtbehinderte als auch Behinderte, egal wann, in jede Vorstellung gehen können. Dieser Abend war von der Lebenshilfe organisiert worden. Als ich dann, nachdem mir all dies noch einmal durch den Kopf gegangen war, meine Pizza fertig gegessen hatte, wollte ich wieder die Kellnerin rufen. Ich war schon stinksauer und hob einfach die Hand mit dem Geldbeutel in der Hoffnung, dass sie dieses Zeichen verstehen würde. Aber nichts dergleichen geschah, sie war sogar bei mir in der Nähe, kassierte gerade ab, und ich wollte nicht wieder ungeduldig wirken und hineinquatschen, wenn sie gerade bei anderen Leuten ist, auch auf die Gefahr hin, dass sie dann weg geht, und ich sie wieder nicht zu fassen kriege. Ich musste wieder die Leute neben mir fragen, ob sie mir die Bedienung rufen, da sie auf mein Winken nicht reagierte. Dies machte mich noch wütender. Ich gab ihr aber dennoch Trinkgeld und rundete das Getränk von 3,60 € auf vier Euro auf. Nun ging ich mithilfe der Dame an der Kasse in den Kinosaal. Zu meinem Schrecken war es Kino zwei, ein extrem kleiner Saal mit extrem wenig Sauerstoff, wobei ich aufgrund meiner Erkrankung mit einem sehr niedrigen Hämoglobin spätestens nach 1 Stunde anfange, kräftig zu ziehen, um überhaupt noch genügend Luft zu bekommen. Der Rest des Filmes ist ein reines Durchhalten. Da machte ich mich schon wieder auf etwas gefasst. Die Dame meinte, sie könne dies jetzt nicht ändern, und sie brachte mich dann ganz nach oben, wobei wir über mehrere Treppenstufen an das hinterste Ende des Saales gelangten. Ich setzte die Kopfhörer auf, ein Techniker kam, um sich noch einmal von der Funktionstüchtigkeit des Geräts zu überzeugen. Mir wurde noch einmal eingeschärft, zu warten, bis der Film tatsächlich startet, und dass ich geduldig sein sollte. Meine Erklärungen, dass ich das letzte Mal auch geduldig war, der Kopfhörer aber tatsächlich nicht funktioniert hatte, ehe wir ihn austauschten, Verhallten im Nirgendwo. Darüber war ich schon wieder genervt. Und als der Film losging, hörte ich nichts. Ich wusste nichtgenau , ob der Film bereits gestartet hatte, da ich ja die Leinwand schlecht sehe. So fragte ich meine Nachbarn, ob denn der Film schon losgegangen sei. Tatsächlich war er angelaufen, und wieder gab es keine Bildbeschreibung. Ich bat meine Nachbarn, doch einen Techniker zu holen. Ein Techniker kam und versprach, gleich wieder zu kommen. Natürlich kam niemand, sodass ich auf eigene Faust den Abstieg von der hintersten Reihe zum Ausgang des Saales wagte. Aufgrund meiner miserablen Orientierung griff ich die nächste Türklinke, riss sie auf und wäre beinah über eine große Stufe ins Freie gestolpert, da dies offenbar der Notausgang war. Ich konnte gerade noch von jemandem zurückgehalten werden, sonst wäre ich böse gefallen. Ich ging also zum richtigen Ausgang, wo schon der Techniker an der Kasse stand und versuchte, das Problem zu lösen. Die Dame meinte, dass noch ein Kopfhörer geladen würde, ich solle etwas warten. Ich sagte ihr, dass das Laden eines Kopfhörers wahrscheinlich so lange dauern würde, dass der Film dann zu Ende sei, und dass sie doch noch einen anderen Kopfhörer in vollgeladenem Zustand haben müssten. Der Techniker erklärte, dass es nicht am Kopfhörer sondern am Server liegen würde. Ich war wirklich aufgebracht, zumal man mich vorher bezichtigt hatte, ich sei einfach nur ungeduldig. Ich sagte zu der Frau, dass es schon wieder nicht geklappt hatte, und sie meinte nur immer, sie könne dies nicht ändern. Ich sagte ihr, dass ich dieses Mal nicht ungeduldig gewesen sei, und auch das letzte Mal nicht. Ich sagte zu dem Techniker, das nächste Mal solle bitte immer jemand neben mir sitzen, bis der Film auch tatsächlich mit Bildbeschreibung funktioniert. Da meinte die Frau, man hätte nicht die Zeit, jedes Mal neben mich jemanden zu setzen. Ich sagte aber, ich sei ein Sonderfall, da ich schwerstmehrfach behindert bin und ein Problem mit der Technik habe und besonderes Pech. Da meinte er, dies sei doch kein Schicksal, das sei doch Zufall. Ich sagte ihm, dass mir viele Leute erzählt hätten, dass bei ihnen die Kopfhörer funktionieren, und das auch der Vorsitzende des Blindenverbandes sowie der Organisator der Hörfilme das letzte Mal anwesend gewesen sei, und bei beiden hätte die Übermittlung der Bildbeschreibung funktioniert. Ich sagte, sie sollten ja nicht bei jedem daneben sitzen, aber eben bei mir. Die Frau wiederholte andauernd, es hätte doch das letzte Mal geklappt, worauf ich jedes Mal versuchte zu erklären, dass auch beim letzten Mal Pannen entstanden waren. Ich sagte zu dem Techniker, dass ich es leid sei, immer als ungeduldig dargestellt zu werden, wenn doch jedes Mal wieder mit der Technik etwas nicht klappt. Da sagte er, ich bräuchte mir dies ja nicht zu Herzen zu nehmen, wenn andere das sagen. Das sei ja nicht so, und ich solle da nicht drauf führen. Demonstrativ schaute ich in Richtung dieser Frau, die das Laufen behauptet hatte. Man bot mir an, mir ein Freigetränk zu spendieren, woraufhin ich sagte, dass ich bereits eines getrunken hatte. Mein Pech ist eben, dass ich aufgrund meiner Dialyse nicht viel trinken darf. Auf die Idee, mir dann wenigstens den Preis für das Getränk, welches ich genossen hatte, zurückzuerstatten, ist man nicht gekommen. Immerhin hatte ich an meinem Geburtstag, als schon einmal diese Sache floppte, zwei Freikarten bekommen. Eine davon habe ich noch, die andere habe ich meinem Bekannten gegeben, der ja auch dabei war. Ich selbst komme ja immer ermäßigt ins Kino und habe die Begleitung frei. Wütend bestellte ich mir ein Taxi und fuhr nach Hause. Vor einigen Wochen bin ich mit meiner Helferin in ein Theaterstück gegangen, wobei ich zuvor in der Musikschule war und mit Gitarre und Querflöte bepackt vom Taxi in die Nähe des Theaters gefahren wurde, wo wir in einem Irish Pub, der mir in dieser Straße empfohlen wurde, zu Abend essen wollten. Ich freute mich schon auf einen Burger oder auf Hähnchenschlegel mit Pommes, die ich ja aufgrund der Dialyse nicht jeden Tag essen darf. Als wir in dem Pub ankamen, fragte ich den Kellner, welche Speisen er den hätte. Er meinte, ich solle doch in der Karte lesen. Auf meinen Hinweis, dass ich blind bin, las er mir lustlos zwei oder drei Sachen vor, dann ging er. Das Dumme war, dass er nie wieder zurück kam. So entschieden wir uns, dieses ungastliche Lokal zu verlassen und fanden zum Glück einen Italiener, wo es bereits vorgefertigte Pizzastücke gab, die ich schnell hinunter aß, damit wir ins Theater gehen konnten. Hinterher stellte sich heraus, dass es in dieser Straße noch einen anderen Irish Pub gab, und wir den falschen genommen hatten. Es ist ja Teil meines Problems, dass ich immer, wenn zwei Dinge zur Auswahl stehen, das falsche nehme, obwohl es eine Chance von 50 % gibt. Das Theaterstück konnten wir dennoch genießen. Nun möchten wir in zwei Vorträge über das Gehirn gehen, die im Rahmen einer Veranstaltungswoche gegeben werden, und wo die Funktionen des Gehirns und die irrtümlichen Annahmen über das Gehirn auf lustige Weise auch mit Kabarettisten erklärt werden. Wieder werde ich von der Musikschule kommen, und wieder werden wir ein Lokal brauchen, wo ich vor der Vorstellung schnell etwas essen kann. Ich habe schon zu meiner Helferin gesagt, dass sie schon einmal etwas raus suchen soll. Sie meinte, da gäbe es genug, da würden wir bestimmt etwas finden. Mir ist es aber lieber, wenn es geplant wird, sonst läuft es wieder so schief. Oder am besten, man plant gar nicht mehr und geht irgendwo rein, Hauptsache, es gibt was zu essen. Da ich aber schon drei Tage in der Woche an der Dialyse nur Brote bekomme, möchte ich an den anderen Tagen schon mal etwas warmes haben. Gestern war ich in einem Konzert und fuhr mit dem Taxi hin, da wir ja Taxischeine haben. Normalerweise klappt das immer sehr gut, aber dieses Mal fand der Taxifahrer den Eingang nicht. Ich stand wirklich da und heulte, da ich dachte, schon wieder wird mir ein Abend versaut. Vor Jahren bin ich einmal mit dem Taxi zur einer Kneipe gefahren, um dort ein Konzert eines Bekannten anzuhören, und der Taxifahrer fand das Lokal nicht, obwohl er überall in der Straße herum fragte und sogar in eine Kneipe hineinging, so das wir unverrichteter Dinge wieder nach Hause mussten, und ich meine Taxischeine umsonst ausgegeben hatte. All diese Vorerfahrungen sind mir dann immer wieder präsent. Aber glücklicherweise fand er dann diesmal doch noch den Eingang, und das Konzert mit Harfe und Mundharmonika, bei dem Klassik und Blues gespielt wurde, war wirklich aller erste Sahne. Ich habe auch zwei gute Bekannte getroffen, zwei Frauen, wobei ich mich mit der einen schon für Ostersonntag verabredet habe. Die andere werde ich besuchen, in deren Wohnprojekt ist ein Café, wo ich sehr gerne hingehe, da werde ich dann mit meiner Freundin Kaffeetrinken, mit der ich wieder anfange, Musik zu machen und zu proben. Am Samstag werde ich in die St. Patricks Knight gehen und hoffe, dass es schön wird, denn mir wurde schon angekündigt, dass hauptsächlich Tanzmusik läuft. Ich hoffe, dass auch eine Gruppe spielt, die schöne irische Balladen spielt. Am Nachmittag gibt es in der nahe gelegenen Blindenschule ein Konzert mit Vertonungen von Literatur, wo es auch Kaffee und Kuchen geben soll. Ich bin schon gespannt, das letzte Mal wusste ich nicht, dass es dort tatsächlich auch Kaffee und Kuchen gibt, und ich hatte zuvor schon gegessen. Dieses Mal nehme ich mir vorsichtshalber etwas Abgepacktes mit, denn wenn ich dieses mal damit rechne, dass es Kaffee und Kuchen gibt, gibt es bestimmt nichts. Wenn es dann doch Kuchen gibt, kann ich meine Sachen wieder mit nach Hause nehmen. Man muss ja auf alles gefasst und für alles gewappnet sein. Ob ich noch einmal in dieses Kino gehe, weiß ich nicht. Nachdem es nun schon das dritte oder vierte Mal war, dass die Kopfhörer bei mir nicht funktionierten, habe ich jetzt erst einmal den Mut verloren. Ich werde lieber in den großen Kino-Komplex gehen, auch wenn dieser von einem Großmogul geleitet wird, der noch nicht einmal einen Betriebsrat zulässt. Aber dort gibt es massenweise Stände mit Essen, da kann schon mal nichts schief gehen, und ich nehme mir jemanden mit, der sich neben mich setzt und mir das Geschehen im Film einfach beschreibt. Andere haben schon eine App auf ihrem Smartphone, wo sie sich die Bildbeschreibung her holen können und sind nicht einmal mehr auf Kopfhörer angewiesen, und ich kann noch nicht einmal mit den Kopfhörern arbeiten. Da ich aufgrund meiner Behinderungen eine riesengroße Hemmschwelle habe, mir ein Smartphone anzuschaffen, werde ich technisch wahrscheinlich bald abgehängt sein. Es war immer mein Traum gewesen, dass ein blinder einfach ins Kino kann, sich die Kopfhörer ausleiht und dann wie jeder andere den Film genießen kann. Von diesem Traum bin ich zumindest noch sehr weit entfernt. In der Theorie ist dies schön, aber in der Praxis geht es halt mal wieder nicht. Daher war ich so sehr dafür, dass die Nachmittage mit der offenen Audiodeskription beibehalten werden . Warum sollen nicht einmal die sehenden von den blinden inkludiert werden, und die sehenden Freunde einfach mit ins Hörfilmkino gehen? Das wäre für die dann auch eine gute Erfahrung.

Samstag, 5. März 2016

Der Dreck vom Dreck

Gerade eben kam jemand zu mir, da ich endlich einmal meinen Schwingsessel verkaufen wollte, und tatsächlich wollte ihn jemand haben. Ich hatte ihn zunächst für 50 € angeboten, da die Auflage echt Leder ist und einmal 150 € gekostet hat. Da ihn niemand genommen hat, habe ich, soviel ich mich erinnern kann, da ich mehrere Anzeigen geschaltet habe, und dies über meine Helfer tue, da ich das selber nicht kann, den Sessel für 30 € mit Verhandlungsbasis angeboten. Zumindest war ich so blöd und habe die Anruferin gefragt, was denn für ein Preis in der Anzeige stand. Sie meinte, 30 € mit Verhandlungsbasis. Ich sagte, unter 30 € will ich nicht gehen. Sie meinte, sie würden jetzt bald vorbeikommen. So kam sie mit ihrem Freund, sie begutachteten das gute Stück, und dann wollten sie es haben. Sie meinten, sie würden nur 25 € dafür zahlen, ich hätte ja schließlich Verhandlungsbasis angegeben. Ich entgegnete , ich hatte am Telefon gesagt, das es nicht unter 30 € sein wird. Da sagte der Mann, wir gestehen, wir haben nur 25 € dabei, wir dachten, sie können uns dann die fünf Euro vielleicht nicht herausgeben, daher haben wir nicht mehr Geld mitgenommen. Ich dachte schon, dass er nur blöfft, aber was hätte ich tun sollen. Mir war klar, dass ich den Sessel wahrscheinlich nie loswerden würde. Somit musste ich einwilligen. Ich bin wirklich eine arme dumme Sau! Mich kann jeder über den Tisch ziehen. Ich bin wirklich das dümmste Arsch Loch, dass die Sonne bescheint. Zumindest war es eines der seltenen Male in meinem Leben, dass ich auch mal etwas verkaufen konnte. Bisher bin ich immer sehr schlecht dabei weg gekommen. Ich habe weder Verhandlungsgeschick, noch habe ich Glück. Als ich zur neuen Dialyse wechselte, hatte ich angefragt, ob ich HDF machen dürfe, dies ist ein besseres Verfahren. Dieses Verfahren hatte ich jahrelang in der alten Dialyse gemacht. Dann war die letzte Maschine, die dieses Verfahren beherrschte, kaputt gegangen. Somit musste ich wieder mit normaler HD vorlieb nehmen. Als dann die neuen HDF- Maschinen angeschafft wurden, hat mir die Ärztin damals versprochen, dass auch ich wieder HDF fahren dürfte. Als ich die Stationsleitung fragte, was denn nun mit diesen Maschinen sei, da ich schon so lange darauf gewartet hatte, endlich diese neue Maschine zu bekommen, sagte sie, dass ich nicht dafür vorgesehen sei. Ich sagte ihr, dass aber die Ärztin mir dies versprochen hätte. Nach einer Weile kam sie wieder, ich wurde in ein anderes Zimmer verlegt, wo diese Maschinen standen. Ich hatte kämpfen müssen, aber ich hatte mich durchgesetzt. An der neuen Dialyse fragte ich auch wieder, ob ich HDF bekommen würde, und zunächst sagte man ja, bald. Ich wurde immer wieder vertröstet, daher fragte ich noch einmal nach. Der Arzt meinte aber dann letztendlich , er könne mir dieses Verfahren nicht anbieten, da es keine weitere Maschine mehr gäbe, die dies könne, und er müsse sonst jemandem, der die ganze Zeit schon HDF bekommen hätte, die Maschine wegnehmen. Somit musste ich mich damit abfinden, dass ich keine HDF bekommen würde. Vor einiger Zeit bemerkte ich aber, dass eine sehr moderne Maschine, die immer HDF an Bord hat, im Zimmer steht, wobei eine ältere Dame diese Maschine hat, die bestimmt keine HDF fährt. Genau weiß ich das natürlich nicht. Vor einigen Wochen erfuhr ich dann, dass mein Bettnachbar jetzt HDF bekommen hat, da ging es dann auf einmal, ohne jemand anderem eine Maschine mit HDF wegzunehmen. Ich hörte, dass er starken Juckreiz hat, so dachte ich, vielleicht bekommt er sie deshalb. Ich gönne es ihm, nur gönne ich es mir halt genauso. Nun erfuhr ich, dass er die Maschine nicht wegen dem starken Juckreiz bekommt, sondern wegen seinem hohen Blutdruck. Wie ich schon in meinem Blog geschildert habe, leide ich seit einem dreiviertel Jahr an Bluthochdruck. Mir hingegen hat niemand so eine Maschine angeboten. Bei diesem Mann hat man schon alles Mögliche probiert. Er hat schon verschiedene Maschinen bekommen, er war schon an verschiedenen Plätzen gelegen. Als ich so starken Bluthochdruck hatte, hat man zwar mehrere Medikamente ausprobiert, wobei aber die Nebenwirkungen zu stark waren, dass ich sie nicht tolerieren konnte. Zum einen schwoll meine operierte Nase an, da die Blutgefäße sich erweiterten, sodass ich keine Luft mehr bekam. Bei einem der Medikamente, welches man nur noch dann gibt, wenn nichts mehr anderes hilft, sind mir ja die Haare so stark gewachsen, was ich hier ja in meinem Beitrag „Haarige Angelegenheit“ geschildert habe. Daraufhin habe ich dieses Medikament nach Rücksprache mit der Ärztin weggelassen, wodurch ich ja dann die Blutdruckkrise bekam, wegen der ich dann über Silvester im Krankenhaus lag. Hierüber habe ich ja auch in einem Blogeintrag berichtet. Im Krankenhaus bekam ich dann ein anderes Medikament, wobei ich dachte, das hätte mir die Ärztin zu Hause auch geben können, dann hätte ich mir den Haarwuchs erspart, ich hätte kein Medikament absetzen müssen, was dann auch keinen Rückschlag bewirkt hätte. Das HDF gegen Bluthochdruck wirkt, habe ich sowieso noch nie gehört. Normalerweise bekommt man es dann, wenn man Leichtkrämpfe bekommt, oder der Blutdruck zu schnell abfällt. Durch die Substitution mit Flüssigkeit wird der Wasserhaushalt konstanter gehalten. Ich finde es aber trotzdem ungerecht, dass bei den einen alles geht, und bei mir nichts. Die einen bekommen alles vorne und hinten reingeschoben, und ich darf um alles kämpfen. Ich habe manchmal das Gefühl, dass liegt daran, weil ich nicht arbeite und auf dem Abstellgleis bin. Mich hat man irgendwie schon abgeschrieben. Ich kann dankbar sein, dass ich jetzt von der Ärztin eine Überweisung ins Schlaflabor erhalte. Seit einem Jahr schlafe ich nur noch 2-5 Stunden. Bislang hat man mir immer gesagt, dass ginge vielen Leuten so, da sei ich nicht die einzige, sonst gäbe es nicht so viel Werbung für Schlafmittel. Nun kommen ja auch noch optische und akustische Phänomene dazu, wahrscheinlich kommt das aus dem Traum heraus, ich habe auch hierüber schon in meinem Blog berichtet. Auch das lässt bei keinem die Alarmglocken läuten. Neulich habe ich einem Pfleger davon erzählt, dass ich nachts irgendwelche Zahlenreihen sehe, und dass mir dies auch an der Dialyse passiert, wenn ich einschlafe und wieder aufwache. Da meinte er, ich solle halt fernsehen, wenn das wieder kommt, und er würde auch nicht mehr als 5 Stunden schlafen. Wiedereinmal bin ich auf wenig Mitgefühl gestoßen. Bei jedem anderen würde man sagen, 2-5 Stunden sind wirklich wenig. Bei mir hingegen kommt immer der berühmte Spruch, "das geht mir auch so, das geht allen so. " Da ich so verzweifelt war, wandte ich mich an die Telefonseelsorge. Ich erklärte ihr, dass ich schwer krank sei, dass aber andere dies immer herunter spielen, indem sie alle sagen, ach, das habe ich auch, das geht mir genauso, obwohl sie pumperl-gesund sind. Da habe ich zum ersten Mal den Satz gehört: „ich denke, sie fühlen sich nicht ernst genommen.“ Ich war wirklich erstaunt, dass einmal jemand nicht sofort die andere Seite verteidigte und mir erklärt, ich müsse doch die Hilflosigkeit der anderen verstehen, die meinten es doch nur gut mit mir. Ich erzählte ihr alles mögliche, was mir in der letzten Zeit passiert war. Auf einmal kam im Hörer ein Rumoren, und dann hörte ich nur noch ein tuten. Sie hatte einfach aufgelegt, ohne mich vor zu warnen. Vielleicht war ihr auch das Headset heruntergefallen, weil sie sich, während sie mir zuhörte oder auch nicht, einen Kaffee oder einen Tee gemacht hat. Zumindest war das Gespräch beendet. Dies ist mir schon einmal passiert, dann habe ich so lange diese Nummer gewählt, bis ich wieder bei derselben Dame herausgekommen war. Es fällt mir sowieso auf, dass jedes Mal, wenn ich dort jemanden antreffe, der meine Gedankengänge und Emotionen verstehen kann, dieser Mensch von mir abgezogen wird. Einmal habe ich auch angerufen, da dauernd mein DialyseShunt zugegangen war, und mir keiner geglaubt hat. Die Frau meinte damals, sie finde das schrecklich, es würde sie richtig sauer machen, dass mir hier keiner hilft. Auf einmal meinte sie, ihr Zug würde jetzt gehen, sie müsse fort, ich solle doch noch einmal anrufen, ihre Nachfolgerin käme jetzt, die würde mich sicher genauso gut verstehen. Ich hatte keine Lust mehr, bei Adam und Eva wieder anzufangen. Es ist merkwürdig, dass jedes Mal dann das Gespräch unterbrochen wird. Ich glaube hier nicht mehr an Zufälle. Auf jeden Fall habe ich mich an die Telefonseelsorge gewandt und mich über dieses Verhalten beschwert, dass die Dame, die ich vor einigen Tagen angerufen hatte, einfach aufgelegt hat. Ich bekam nicht einmal eine persönliche E-Mail sondern lediglich eine automatisch generierte Antwort, in der stand: „Lieber Ratsuchende, liebe Ratsuchende, wir bedauern, dass sie mit einer unserer Beraterinnen nicht zufrieden waren. Bitte teilen Sie uns mit, ob der Anruf vom Handy oder vom Festnetz aus getätigt wurde. Bitte geben Sie keine näheren Daten an.“ Darunter stand noch ein Name. Ich schrieb noch einmal zurück und bat, mir bitte eine persönliche Mail zu schicken. Wieder kam keine Antwort. Als ich noch einmal schrieb und eine Lesebestätigung antwortete, wurde diese erteilt, aber ich bekam keine Rückmeldung mehr. Ich werde jetzt direkt an den Chef dort schreiben, denn es kann nicht angehen, dass jemand, der Hilfe sucht, einfach auf diese Art abgewürgt wird. Nun habe ich auch dafür gekämpft, dass ich bei der Rechtsschutzversicherung endlich durchgekommen bin, um eine Vorgangsnummer zu erhalten, da ich die Firma, die dieses haarige Medikament vertreibt, auf Schadenersatz verklagen will. Ich möchte nicht viel Geld, ich möchte lediglich, dass sie mir eine Laserbehandlung bezahlen. Schließlich haben die in ihrem Beipackzettel nur geschrieben, dass eine Pigmentierung der Körperbehaarung, ein Wachstum zwischen den Augenbrauen und an der Stirn erfolgt. Nur bei 5-10 % kommt es zu unerträglichem Wachstum. Ich finde, die können mir ruhig ein paar 100 € aus der Portokasse zahlen, denn es ist teuer, diesen Schaden wieder zu entfernen. Ich möchte mich hier nicht bereichern. Außerdem war ich vor drei Jahren bei einem Rheumatologen, da ich zuweilen, besonders dann, wenn das Wetter umschlägt, ziemlich starke Schmerzen an den Gelenken der Zehen oder der Hände habe. Ich hatte mit 22 Jahren ein Pfeiffer'sches Drüsenfieber, und seitdem habe ich diese Beschwerden. Wenn ich mit einem Tennisarm oder mit einem geschwollenen Zeh beim Arzt aufschlug, und ihm dann erklärte, dass ich diese Probleme auch zuweilen an anderen Gelenken habe, wurde dies geflissentlich überhört. Es wurde nicht einmal die Zehe angeschaut, und wenn, wurde geleugnet, dass sie geschwollen ist, obwohl jeder Laie dies sehen konnte. Einmal hatte ich dann einen sehr netten Arzt als Vertretung, und ich ließ nicht locker, bis er mir eine Überweisung zum Rheumatologen gab. Er hatte nämlich gesagt, dass mein Problem mit dem Arm typisch sei für solche Erkrankungen. Daher wollte ich die Gelegenheit beim Schopf packen und eine Überweisung erhalten, ehe er wieder geht. Beim Rheumatologen musste ich schriftlich eine Anamnese erstellen mit der Aufstellung meiner verschiedenen Beschwerden. So schrieb ich also, dass ich seit dem 22. Lebensjahr Gelenkschmerzen habe. Der Arzt untersuchte mich, schaute einmal kurz auf das Blatt, welches ich ihm ausgedruckt hatte, und meinte dann, meine Beschwerden kämen vom Alter und von der Dialyse. Nota bene, ich war damals 45 Jahre alt. Auch eine 60-jährige Frau kann noch Rheuma bekommen, was nichts mit dem Alter zu tun haben muss. Ich sagte zu dem Arzt, dass ich doch mit 22 noch nicht alt gewesen sei, und dass ich damals auch noch nicht an der Dialyse war, dass die Schmerzen aber schon zu dieser Zeit begonnen hatten. Er meinte, sowas gibt es halt. Ich fragte ihn, ob man bei einem Pfeifferschen Drüsenfieber Gelenkschmerzen bekommen kann, was er verneinte. Er sagte, dass er jetzt noch Blut abnehmen würde, und wenn etwas wäre, würde ich Bescheid bekommen. Ich weiß aber, dass sogar dann, wenn kein Rheumafaktor im Blut ist, Rheuma vorliegen kann. Außerdem habe ich ja einen Pfeiffer gehabt, wodurch die Schmerzen erklärt hätten werden können. Ich war traurig und enttäuscht, und ich wusste, dass hier nichts mehr geschehen würde. Immer wieder hatte ich bei Infekten oder, wenn das Wetter wechselte, Schmerzen in den Zehen, die auch manchmal in andere Gelenke wanderten. Vor einigen Monaten musste ich nach langem Kampf, nachdem ich endlich ein Rezept bekommen hatte, zur Krankengymnastik, da ich Muskelaufbautraining machen sollte, und da ich Probleme mit der Schulter hatte. Diese hatte der Orthopäde noch nicht einmal anerkannt und ein Rezept für Physiotherapie abgelehnt. Der Muskelaufbau aufgrund der Dialyse sei ein internistisches Problem, da könne er mir nicht helfen, und ansonsten hätte ich nichts. Nach langem Überreden hatte ich die Nephrologin so weit, dass sie mir ein Rezept ausstellte. Dies wurde falsch ausgestellt, sodass ich noch einmal um die korrekte Ausstellung des Rezeptes bitten musste. Das neue Rezept wurde dann auch noch verschlampt, sodass ich noch einmal um das Rezept kämpfen musste. Als ich dann bei dem Physiotherapeuten war, erzählte ich ihm von meinem Gelenkschmerzen und dem Stadt gehabten Pfeifferschen Drüsenfieber. Er erzählte mir, dass er vor Jahren bei einem namhaften Professor für Rheumatologie in München gearbeitet hätte, und dass es lege artis sei, dass jeder Arzt weiß, dass Pfeiffer'sches Drüsenfieber Gelenkbeschwerden machen kann. Ich verstehe also nicht, warum ich nicht nach allen Regeln der Kunst behandelt wurde. Somit habe ich meinem Rheumatologen einen Brief geschrieben, in dem ich ihm sagte, dass ich mich in meiner Ehre und Würde verletzt fühle, wenn er mich sozusagen als alte Hypochonderin abstempelt, die ich noch gar nicht alt bin, und ein ernstes Problem habe. Ich forderte ihn auf, die Gelenkschmerzen nach Pfeifferschen Drüsenfieber anzuerkennen, damit die Ärzte gegebenenfalls anders intervenieren könnten, als wenn sie denken, ich würde mir die Schmerzen nur einbilden, oder sie seien psychisch bedingt, oder ich müsse sie einfach hinnehmen, da sie zu meiner Dialyse dazugehören und zum Alter. Ansonsten würde ich einen Anwalt aufsuchen. Ich hätte auch einfach zu einem anderen Arzt gehen können, doch wollte ich einmal ein Exempel statuieren. Ich möchte zeigen, dass man mich nicht immer so abfertigen kann. Somit ließ ich mir, als eine Dame wegen der Erneuerung der Hausratsversicherung bei mir war, die Nummer der Rechtsberatung meiner Rechtsschutzversicherung geben. Ich ahnte schon, dass man mir erklären würde, dass der Fall aussichtslos sei, damit die Rechtsschutzversicherung nicht zahlen muss. Ich sagte zu dem Anwalt am Telefon, ich hätte gerne die Nummer der Hotline, wo man eine Schadensnummer erhält. Er gab sie mir, und es war dauernd besetzt. Ich kam nicht durch. So rief ich die Versicherung bei meinem Heimatort an, und die nette Dame verband mich dann mit der Hotline. Endlich hatte ich jemanden am Apparat, die mir für beide Vorgänge, sowohl für die Haare als auch für den Rheumatologen eine Vorgangsnummer gab. Eigentlich sollte die Betreuerin mit mir zu einem Fachanwalt für Medizin gehen, da sie vielleicht einen guten kennt. Sie hatte mir versprochen, sich demnächst bei mir zu melden, um mir bei meinen gesundheitlichen Problemen zu helfen. Bisher ist nichts erfolgt. Alles muss man selber machen! Jetzt muss ich alleine einen Anwalt suchen und alleine dorthin gehen. Ich kann nur hoffen, dass er mir helfen kann. Vielleicht wird ein Brief an diese Firma schon reichen, um einen Vergleich zu erwirken, denn eine Pharmafirma hat kein Interesse daran, einen Rechtsstreit zu haben. Ich hatte bereits an diese Firma geschrieben, hatte aber nur eine automatisch generierte Mail erhalten mit einem nicht barrierefreien Dokument, welches noch nicht einmal unser Blindenverband mit Adobe Professional öffnen konnte. Nach mehrmaligen Beschwerden rief die Dame an und meinte, sie würde mir dieses Dokument zu schicken, was aber nie erfolgt ist. Stattdessen kam lediglich der Fragebogen für die Ärztin bezüglich meiner Nebenwirkungen. Drei Tage später kam dann auch der Freiumschlag, wie nett! Ich hatte der Firma nun geschrieben, dass wir den Fragebogen zurückschicken, und das wir das Dokument nur mit Mühe und Not ausgedruckt und neu eingescannt hatten. Es kam aber keine Reaktion mehr. Ich hoffe, dass die dann einen Schrecken bekommen, wenn dann tatsächlich ein Brief vom Anwalt bei Ihnen auf dem Tisch liegt. Auch der Rheumatologe hatte sich nicht gemeldet, und somit werde ich auch ihm einen Brief zukommen lassen, aber zunächst einmal habe ich nur die Genehmigung für eine Beratung beim Anwalt. Ich möchte kein Geld, ich möchte nur, dass ich endlich die Bestätigung erhalte, dass ich nicht bloß blöd bin, sondern tatsächlich aufgrund einer Viruserkrankung mit Eppstein-Barr diese Beschwerden entwickelt habe. Vielleicht wird dann der nächste Arzt, dem ich von meinen Gelenkschmerzen erzähle, nicht nur sagen, dass hier nichts ist, oder dass ich nur Gicht hätte, sondern wird vielleicht einmal nachschauen, und sei es nur, dass hier ein Infekt im Anzug ist. Ich hatte einen Nephrologen angeschrieben, bei dessen Kollegen ich einmal an der Feriendialyse war, und der einmal über Dialyse und Depressionen geschrieben hatte. Ich habe ihm damals meine Situation geschildert, dass ich ziemlich viele Erkrankungen habe und frühberentet bin. Damals hat er sehr einfühlsam reagiert, und wir hatten eine Korrespondenz. Ich dachte, vielleicht kann er mir mit den Haaren, dem hohen Blutdruck, den Schlafstörungen und den optischen und akustischen Phänomenen helfen. Stattdessen kam lediglich eine E-Mail von ihm, in der er schrieb, mit den Haaren müsse ich Geduld haben, wenn man da nichts findet. Ich solle einmal auf Kur gehen, dort könnte man mehr Dialyse machen, da ginge der Blutdruck schon runter, und mein Selbstwertgefühl würde steigen. Was hat denn nun all dies mit meinem Selbstwert zu tun? D.h. doch, dass man mich schon wieder mit der Psyche abfertigen will. Als ich im Schlaflabor anrief und der Frau am Telefon meine Probleme schilderte, sagte sie spontan, dass man für mich hier einen Spezialisten bräuchte. Ich sagte ihr, dass ich hier das erste Mal ernst genommen werde, und ich erzählte dieser Study Nurse am Telefon die ganzen Bemerkungen, von wegen, ich solle einfach fernsehen, und ich solle auf Kur gehen, um meinen Selbstwert zu erhöhen. Die Frau lachte schallend und meinte, mit so etwas tun wir erst gar nicht herum. Ich war froh, dass hier jemand war, der mir mehr als nur billige Ratschläge gab. Ich schrieb an den Professor von der Charité und fragte ihn, ob es dieses Schlaflabor sei, welches er meinte. Er hatte nämlich ein Interview in der Zeitschrift unseres blinden Verbandes. Der Professor meinte, ich solle mich an eine gewisse Ärztin wenden, die auch einen Insomnie- Kurs macht. Vielleicht lernt man da erst recht, wie man schlaflos wird. Auf jeden Fall schrieb ich noch einmal an dieses Schlaflabor und fragte, ob ich direkt zu dieser Ärztin vermittelt werden könnte. Als ich keine Antwort bekam, schrieb ich erneut, da ich mittlerweile den Eindruck habe, es ist besser, sehr hartnäckig zu sein. Daraufhin erhielt ich dann eine E-Mail von dieser Study Nurse, die meinte, wir hätten doch länger am Telefon gesprochen, sie würde mich an jemanden vermitteln, und ich müsste noch etwas Geduld haben, da eine lange Warteliste besteht. Ich kann jetzt nur hoffen, dass ich nicht wieder an irgend einen Arzt komme, der einfach nur Schema F fährt, mir ein paar gute Ratschläge in Bezug auf Schlafhygiene gibt und mir dann erklärt, dass es vielen Leuten so ginge, und das man nicht unbedingt 7 Stunden schlafen müsse, und ich es locker nehmen müsse. Als ich nämlich mit meiner Ärztin darüber sprach, dass ich Schlafstörungen hätte und nur 2-5 Stunden schliefe, meinte sie, vielleicht sei ich einfach nur besonders gut ausgeruht. Die denkt wohl auch, jemand wie ich, die nichts tut, braucht halt wenig Schlaf. Ich sagte ihr, dass ich aber tagsüber müde sei, was darauf schließen lässt, dass mir der Nachtschlaf nicht ausreicht. Sie meinte, dass ich vielleicht Atemaussetzer hätte, und ich solle dies untersuchen lassen. Aber dann meinte sie auch, ältere Herrschaften bräuchten halt nicht mehr so viel Schlaf. Ich sagte ihr, dass ich doch mit 48 noch nicht zu den älteren Herrschaften gehörte, worauf sie meinte, eben drum, das habe sie ja gemeint. Neurotypische Menschen sind gut darin, sich blitzschnell aus einer Sache herauszuwinden. Ich kann nur hoffen, dass ich in dem Schlaflabor ernst genommen werde. Zumindest hat meine Ärztin sich bereit erklärt, mir eine Überweisung zum Schlaflabor zu geben. Immerhin etwas! Manchmal komme ich mir vor wie der Dreck vom Dreck. Mich unterscheidet nur eines von einem Obdachlosen, nämlich, dass ich ein Dach über dem Kopf habe. Ansonsten bin ich in der Gesellschaft von meiner sozialen Wertigkeit her nicht mehr als jemand, der auf der Straße lebt. Ich bekomme zwar finanzielle Hilfen, aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass keiner mehr Verantwortung übernehmen will, dass keiner mir helfen will, an die richtigen Leute zu kommen, dass ich hier total alleine auf weiter Flurkämpfe. Es hat keiner Lust, sich hier die Hände schmutzig zu machen, es ist allen zu heiß. Dies bestätigte mir auch die Frau von der Telefonseelsorge, die meinte, die anderen hätten keine Lust, Verantwortung zu übernehmen, das sei allen zu viel. Schließlich hat sie ja auch das Handtuch bzw. den Hörer geworfen. Ich kann nur hoffen, dass irgendwann mal Licht am Ende des Tunnels kommt. Immerhin sieht es bei der Kosmetikerin so aus, als ob der Haarwuchs nachlässt. Im Gesicht sind keine neuen Haare mehr nachgekommen, nachdem wir sie vor zwei Wochen entfernt hatten. Das lässt zumindest etwas hoffen. Auf jeden Fall habe ich keine Lust mehr zu kämpfen. Ich möchte, dass mir die Dinge auch einmal so zu kommen, ohne, dass ich jedes Mal so hartnäckig sein muss. Es geht einfach darum, dass mir andere einmal helfen, mich an die richtigen Leute zu vermitteln, damit ich auch mal reinkomme, und damit ich auch mal an die Menschen komme, die mir helfen und mich weiterbringen, anstatt immer nur am Rand zu stehen, alleine dazustehen vor einer Wand zu stehen. Das reimt sich, vor einer Wand zu stehen, am Rand zu stehen. Und was sich reimt, ist richtig, wissen wir ja.

Dienstag, 1. März 2016

Es ist da

Es ist da! Das Gutachten ist gekommen, und ich war überrascht, dass es – entgegen meiner sonstigen Erwartungen – im Großen und Ganzen recht zufriedenstellend ausgefallen ist. Meine Befürchtungen hatte ich ja in dem anderen Blogeintrag geschildert. An manchen Stellen hat er etwas übertrieben, aber dies ist ja besser, dann kommen die Sachen auch deutlich heraus. Auch hat er manche Ereignisse, die nur einmal stattgefunden haben, als regelmäßig dargestellt. Manche Orte haben nicht ganz gestimmt, und manche Schilderungen, die sich nur auf bestimmte Zeiten im Leben bezogen, wurden auf noch andere Zeiten davor ausgedient. Zum Beispiel war es in der Sehbehindertenschule mit der Hackordnung und dem Piesacken nicht so schlimm, wie es sich in dem Gutachten anhört. Indirekt beschreibt es aber schon, was auch schon in der Sehbehindertenschule falsch lief. Was dort wirklich schlimm war, was ich aber nicht sehr deutlich gemacht hatte, war, dass die Lehrer mein eingeschränktes Gesichtsfeld überhaupt nicht bemerkt hatten, und dass damals auch noch nicht bekannt war, dass ich auch mit der Feinmotorik Probleme habe. Wenn mir etwas herunter fiel, und ein anderer es mir aufhob, da ich von oben mit meinem kleinen Gesichtsfeld den Boden besser überblicken konnte und mich daher nicht bückte, hieß es, die Prinzessin will, dass man ihr alles aufhebt. Wenn ich mit den Händen am bodengetastet habe, um etwas zu finden, wurde ich von den Erziehern in ihrem üblichen Singsang ermahnt: „schauen, nicht fühlen!“ Somit wurde mir mein Tastsinn abgewöhnt, anstatt mir wirklich effektive Techniken beizubringen, wie ich am besten auf dem Boden herumtasten kann. Tasten wurde als negativ angesehen. Als ob schauen etwas Besseres wäre, und als ob dies anzustreben sei, egal, ob man schauen kann oder nicht. Wenn ich irgendwo dagegen lief, oder wenn ich jemanden anrempelte , hieß es, ich würde denken, Platz da, jetzt komm ich. Meine Orientierung war sehr schlecht, und manchmal hatte ich einen Gegenstand, der schon jahrelang dort stand, noch nie gesehen, da er nie zuvor in meinem Gesichtsfeld erschienen war. Kunst, Sport und Handarbeit waren der blanke Horror. Hatte ich früher vor meiner Schulzeit leidenschaftlich und fast schon wie am Fließband gemalt, hieß es in der Sehbehindertenschule, dass meine Bilder hässlich seien. Ich sei ja mit einer vier noch gut bedient, hieß es einmal. In meinem Zeugnis stand, dass ich in Turnen und Handarbeit „motorisch gehemmt“ sei. Inhaltlich war ich immer gut in der Schule, aber diesen ganzen äußeren Kram zu bewältigen, die Striche sauber zu ziehen, die Materialien ordentlich zu halten, immer alles dabei zu haben und auch noch selber bestimmte didaktische Materialien zu basteln, war für mich die größere Herausforderung. In der dritten Klasse hatten wir dann einen Lehrer, der merkte, dass ich ein eingeschränktes Gesichtsfeld hatte, was mir selbst ja gar nicht klar war, da ich ja gar nicht wusste, wie andere sehen, und wo mein Defizit eigentlich lag. Ich wusste nur, dass ich einfach schlecht sah. Ich wunderte mich nur immer, warum Leute mir sagten, da ist es, wobei ich damit nie etwas anfangen konnte, da ich ja gar nicht gesehen hatte, dass die Leute die ganze Zeit wie verrückt in eine bestimmte Richtung deuteten. Ich wunderte mich immer, wie andere aus dem Wörtchen „da“ irgendeine Information herauslesen konnten. Die deutende Hand mit dem Zeigefingerweiher jedes Mal außerhalb meines Gesichtsfeldes. Dieser Lehrer merkte auch als erstes, dass ich aufs Gymnasium gehen konnte. In der vierten Klasse hatten wir dann einen Lehrer, der hätte gut und gerne als Dr. Mengele der Blindenpädagogik durchgehen können. Er pickte sich immer die Schwächen der Schüler heraus. Als er merkte, dass ich sehr langsam war und sehr vorsichtig lief, um nicht anzustoßen, trieb er mich immer an, schneller durch die Klasse zu laufen, wenn ich etwas holen sollte. Er schimpfte, ich sei langsam und ungeschickt, seine vierjährige Tochter könne dies besser als ich. Jedes Mal war ich die letzte, die ihre Schultasche gepackt hatte und aus dem Klassenzimmer ging, und so sagte er auch jedes Mal: „Wer ist nun wieder mal die letzte.“ Er sagte auch zu den Schülern, „du bist der letzte Penner, du Trottel.“ Wenn jemand an der Tafel etwas nicht konnte, sagte er „tja, schwach!“ Er machte dauernd Witze auf Kosten der Schwächen der Schüler. Die einzige, die er in Ruhe ließ, war meine Freundin. Wenn die eine schlechte Arbeit geschrieben hatte und weinte, tröstete er sie noch. Einmal kam er zu mir im Pausenhof, legte seinen Arm um mich und fragte: „Warum bist du denn immer so aufgeregt?“ Ich dachte mir, wenn du das nicht kapierst, dann hat es auch keinen Sinn, dir das zu sagen, wenn du das nicht selber merkst. So sagte ich ihm nicht, warum ich „immer so aufgeregt" war. Ich erinnere mich, dass ich einmal dasitzen musste und üben musste, mit dem Füllfederhalter und dem Lineal einen geraden Strich zu ziehen, wobei sich jedes Mal ein Klecks bildete, wenn ich das Lineal weg nahm, da die Tinte verschmierte. Wenn die ganze Klasse nach draußen ging, schimpfte er mich schon, da ich wieder nicht wusste, wo wir gerade hergekommen waren, weil meine räumliche Orientierung so schlecht war. Dann zwang er mich, in irgend einen Laden zu gehen und etwas einzukaufen, oder im Telefonbuch in der Telefonzelle etwas nachzusehen. Ich konnte mich nirgendwo einhängen, daher fiel es mir sehr schwer, der ganzen Gruppe zu folgen, da hierfür mein Gesichtsfeld zu klein war, gleichzeitig auf meinen Weg zu achten und zu schauen, wo die anderen jetzt waren. Bei einem Ausflug auf die Burg zwang er mich, nach oben zu schauen, obwohl ich völlig geblendet war . „Jetzt guck doch dahin, Mensch!“ Auf dem Heimweg haute mir jemand versehentlich die Autotür ans Hirn, als ich aussteigen wollte, und keiner half mir. Nachdem meine Erzieherin, die eine sehr nette und idealistische Person war, mit ihm gesprochen hatte, sagte er ihr, er wolle mir beibringen, selbstständiger zu werden. Ich fand diese Methoden immer ziemlich fragwürdig. Außerdem ahmte er laufend meinen Dialekt nach. Ich war in dieser Schule die Behinderte unter den Behinderten, da ich zusätzlich noch einige andere nicht sichtbare Behinderungen hatte. Mit den nur sehbehinderten Schülern hatte ich daher große Schwierigkeiten, mitzukommen oder mich durchzusetzen. Geistig war ich den meisten wahrscheinlich schon überlegen, aber alles andere ließ zu wünschen übrig. Außerdem konnte ich die kleinste Schrift lesen und schrieb auch sehr klein zum Ärgernis dieses Lehrers, während ich aufgrund meines stark konzentrisch eingeschränkten Gesichtsfeldes dann wiederum über jedes Hindernis stolperte. Im Sportunterricht hatten wir teilweise ziemlich harte Lehrer, einer veranstaltete einen regelrechten militärischen Drill. Ich hatte vor jeder Sportstunde Bauchkrämpfe. Ich war meistens mit den lernbehinderten Schülern zusammen, da ich hier die Fittere war. Eine nicht Lernbehinderte und nur sehbehinderte Freundin ist mir bis heute geblieben. Ich hätte mir gewünscht, einen Sportunterricht nur für so lahme Menschen wie mich zu haben, und ich hätte mir gewünscht, dass statt Kunst und Handarbeit nur Fächer gegeben würden, wo man neue Dinge lernt. Auf jeden Fall denke ich mir im Nachhinein, ich hätte genauso gut in eine normale Schule gehen können, da in der Grundschule die Kinder noch nicht so grausam sind wie in der Pubertät, und ich dann vielleicht an meinem Heimatort mehr Freunde gefunden hätte, und da man in einer normalen Schule vielleicht nicht so viel von einem fast blinden Kind verlangt hätte. In der Sehbehindertenschule glaubten die Lehre zu wissen, was sie einem abverlangen und zumuten könnten. Dies war aber mehr fordern und nicht fördern. Dann hätte ich auch nicht jede Woche 3 Stunden hin und 3 Stunden zurück mit dem Bus mit der Kirche ums Dorf herum fahren müssen, damit sämtliche behinderten Kinder der Umgegend eingesammelt und in Sonderschulen gekarrt werden. Im Bus konnte ich mich kaum mit jemandem unterhalten, da die meisten gehörlos oder sprach behindert waren. Am Anfang haben mich diese unartikulierten Laute total erschreckt. Dauernd lief dieselbe Kassette mit denselben alten Schlagern. Der Bus roch nach Benzin und Sitzen. Da ich in meinem Leben genug Bus gefahren bin, bin ich nun froh, wenn ich in keinen Bus mehr einsteigen muss. Das waren die Dinge, die am schlimmsten waren, während ich in Grund- und Hauptschule gewesen bin. Schrecklich fand ich auch, dass wir so wenig getröstet wurden, und das man mit den Erziehern nicht schmusen durfte. Wegen jedem Dreck wurden wir um 6:00 Uhr oder 7:00 Uhr ins Bett geschickt als Strafe. Die Erzieher gaben sich redlich Mühe, die neuesten pädagogischen Erkenntnisse anzuwenden, damals galt aber noch eher eine gewisse Konditionierung, wobei mit Tokens gearbeitet wurde, das bedeutete, wenn man etwas, was man sich abgewöhnen sollte, nicht tat, bekam man Pluspunkte, während man keine Kärtchen bekam, wenn man seine negativen unerwünschten Verhaltensweisen weiter pflegte. Dann konnte es auch schon mal vorkommen, dass man eben nicht mit zum Pizza essen durfte. Pädagogisch hatten die Erzieher sicher viel geleistet, aber es fehlte absolut die Nestwärme. Ich lag oft abends im Bett und musste meine Sorgen mit mir alleine abmachen. Man war sehr früh emotional auf sich alleine gestellt. Selbstständigkeit gab es zwar für mich wenig, aber in emotionaler Hinsicht musste ich früh selbstständig werden. Das, was mir auf dem Gymnasium in der Regelschule passiert ist, wurde in dem Gutachten gut beschrieben. Dies habe ich ja auch hier schon hinlänglich geschildert. Bei den Tests kam heraus, dass ich angeblich eine geringe Frustrationstoleranz hätte. Dies stört mich sehr, da ich wahrscheinlich schon in den ersten drei Jahren so viel Frustration abgekriegt habe, wie ein anderer in seinem ganzen Leben nicht. Wenn man dauernd die Erfahrung macht, irgendetwas nicht zu können, für alles immer zehnmal ansetzen zu müssen, für alles dreimal so lange zu brauchen, und wenn alles zehnmal so umständlich ist, dann wird man leicht frustriert. Ich bin zwar von Haus aus jemand, der schnell an die Decke geht, aber es ist schrecklich, dauernd mit ansehen zu müssen, wie andere alles können. Als Kind habe ich extrem darunter gelitten, wie leicht den anderen die Dinge von der Hand gingen, während ich mich abmühte und doch nichts zustande brachte. Meine eigentlichen Stärken wurden zwar bemerkt, doch konnte ich sie kaum ausüben. Außerdem traute man mir gar nichts zu, ich wurde stark über behütet. Man hätte mir einige Aufgaben geben müssen, auf die ich dann stolz gewesen wäre, wenn ich sie gut ausgeführt hätte. Auch wurde ich mit extrem wenig Verantwortung betraut. Es hätte mein Selbstbewusstsein wahrscheinlich gestärkt, wenn ich auch einmal auf etwas hätte aufpassen müssen. Aber ich war die jüngste, so wurde nur auf mich aufgepasst und mir geholfen, während ich immer nur Empfänger von Hilfe war, selbst aber mit meinen Hilfsangeboten immer abgewiesen wurde. „Lass mal, mischt du dich da nicht auch noch ein.“ „Das kannst du nicht.“ Somit ist mein Frust wirklich berechtigt. Ich habe im Verhältnis zu dem, was ich an Frustration eingesteckt habe, zu wenige Erfolgserlebnisse gehabt. Daher ist es leicht, mir eine geringe Frustrationstoleranzschwelle zu diagnostizieren. Aber diesem Missverständnis sitzen die meisten auf. Es hieß auch, ich hätte sehr wenig hilfreiche Bewältigungsstrategien entwickelt, wie zum Beispiel Misstrauen oder Aggressivität. Ich finde es normal, dass man misstrauisch wird, wenn man viele schwierige Erfahrungen gemacht hat. Auch finde ich es legitim, seine Grenzen mit einer gewissen Aggressivität zu verteidigen, wenn es anders nicht möglich ist. Aggressiv bedeutet ja nicht immer Gewalt. Ich hatte in dem Test angekreuzt, dass ich manchmal eine Wut auf andere habe, und mir vorstelle, dem anderen eine zu scheuern. Zwischen dem Gedanken oder es zu tun, ist ja noch ein unterschied. Ich finde, es hat einen kathartischen Effekt, wenn man sich das Gesicht des anderen vorstellt und mal richtig reindrischt. Das bedeutet aber nicht, dass man dem anderen Böses wünscht, im Gegenteil, es schützt vielleicht sogar davor, tatsächlich Gewalt anzuwenden. Es ist besser, man gesteht sich seine Wut zu, anstatt sie innerlich zu nähren und aufzuheben, sodass sie irgendwann immer größer wird und ausbricht. Er hatte mich noch gelobt, dass ich gut Grenzen setzen und mich wehren könnte. Es las sich aber dann so, als sei ich regelrecht aggressiv. Ich hoffe, dass ich einen guten Traumatherapeuten finde, der diese Abwehrstrategien erst einmal würdigt, und versteht, dass sie in der damaligen Situation notwendig waren um zu überleben. Mit überleben meine ich jetzt nicht wortwörtliches Überleben, denn ich war ja nie in Lebensgefahr. Aber ein soziales Überleben ist auch sehr wichtig. Wenn jemand solche Strategien als klug und als Anpassungsmaßnahme würdigt, kann er einen auch annehmen, wie man ist. Damals war es notwendig, solche Strategien zu entwickeln. Das heißt ja nicht, das es ein Leben lang so sein muss. Wenn man dann lernt, dass man in einer neuen Umgebung solche Abwehrmaßnahmen nicht braucht, kann man sie auch irgendwann abbauen. Das ist zumindest meine schlicht gestrickte Theorie. Solche Strategien zu loben bedeutet ja nicht, dass man jemanden dazu auffordert, sein Leben lang sich so zu verhalten. Er hat auch geschrieben, dass ich all dies nur so gut überstanden hätte, weil ich dies meine Intelligenz zu verdanken hätte. Nun, Intelligenz hat man mir schon immer zugeschrieben, es hieß immer: „Sie ist gut in der Schule, aber sonst…“ Ich hätte lieber gehabt, dass ich genauso aufgrund liebenswerter Eigenschaften all dies überstanden hätte. Oder, dass man hinter der rauen Fassade auch sieht, dass es liebenswerte Eigenschaften gibt. Ich hoffe, dass die dann auch entdeckt werden. Eine Passage möchte ich doch zitieren: "Zum dritten erlitt Frau X wie viele körperlich und geistig behinderte Menschen erhebliche Traumatisierungen. Ein Beispiel mag dies erläutern: Im Jahr 2000 fragte Frau X 2 Unbekannte in Prag nach dem Weg. Diese boten sich an, ihr den Weg zu zeigen, führten sie in eine abgelegene Gasse, warfen sie zu Boden, schlugen sie und stahlen ihre Tasche. Die blinde Frau versuchte daraufhin bei einer Polizeistelle das Ereignis zu melden. Da sie jedoch als Teilnehmerin einer Antiglobalisierungsveranstaltung in Prag war, weigerte sich die Polizei bei der behinderten Ausländerin, die zudem noch eine regierungskritische Meinung vertrag, überhaupt eine Anzeige aufzunehmen. Erst mit Hilfe der Botschaft konnte Frau X die Tat überhaupt dokumentieren lassen. Selbstredend ist nie eine Ermittlung geführt oder gar eine Täterschaft festgestellt und abgeurteilt worden. Diese kleine Episode zeigt, was die Wissenschaft nahelegt: Behinderte Menschen haben ein um 40 % erhöhtes Traumatisierungsrisiko gegenüber der Allgemeinbevölkerung." Dies ist ein erschütterndes Ergebnis. Es zeigt, wie weit wir doch noch von der Inklusion entfernt sind. Vor einigen Jahren gab es eine Studie, in der erforscht wurde, inwieweit behinderte Frauen Gewalt ausgesetzt sind. An dieser Studie habe ich damals teilgenommen. Auch hier hieß es, dass insbesondere behinderte Frauen in höherem Maße Gewalt ausgesetzt sind. Als Frau hat man es noch einmal schwerer. Ich habe damals auch festgestellt, dass im Internat die Mädchen noch mehr unter den Quälereien gelitten haben. Ein anderes Mädchen, was auch stark sehbehindert war, wurde zwar nicht so sehr gemobbt wie ich, sie hatte auch eine Freundin sowohl in der Schule als auch eine im Internat, mit der ich auch häufiger zusammen war, aber sie war auch nicht sonderlich beliebt. Sie war vielleicht nicht ganz so seltsam wie ich, außer ihrer Sehbehinderung hatte sie keine anderen Behinderungen. Als sie erblindete, schob man sie einfach nach Marburg ab. Mir wurde dauernd vorgehalten, dass die beiden Jungs, die mit mir gekommen waren, wesentlich besser zurechtkamen als ich. Dabei waren die beiden schon in der Grundschule miteinander befreundet gewesen und waren miteinander dort hingekommen. Bei Jungs scheint dies alles etwas unkomplizierter zu sein. Auch nach der Schule hörte ich häufig, was aus den einzelnen Leuten geworden ist. Aus allen Jungs ist etwas Ordentliches geworden. Manche wurden Lehrer, andere studierten Gesang, andere wiederum gingen ins Kloster oder wurden Pfarrer. Aber bei den Mädchen war dies viel problematischer, bei der Arbeitssuche haben wir Mädchen noch wesentlich mehr Hürden, obwohl dies nicht klar zu definieren oder zu greifen ist. Ich glaube nicht, dass dies lediglich eine Ausrede ist. Die von mir in einem anderen Blogeintrag erwähnte blinde Psychologin legte mir einmal nahe, darüber nachzudenken, ob es nicht mit mir zu tun hätte, dass ich im Gegensatz zu anderen blinden und sehbehinderten keine Arbeit gefunden habe. In dem Arztbrief des Autismusdiagnostikers heißt es, ich hätte aus „sozialen Gründen“ keine Arbeit gefunden. Es ist aber bekannt, dass Schwerbehinderte zu 70 % meines Wissens arbeitslos sind. In dem Gutachten heißt es demnach: „Obwohl sie in diesen Gebieten hervorragende Leistungen erbringt, war es ihr aufgrund anhaltender Hänseleien und Mobbingsituationen nicht möglich, in ihrem Beruf als Übersetzerin Fuß zu fassen, so dass auch im Erwachsenenleben anhaltende Misserfolge und Frustrationen zu verarbeiten waren." Bei der Suche nach einer Festanstellung wurde mir häufig erklärt, dass man keine Behinderte nehmen wollte. Dies sagte man mir natürlich nur mündlich, in den Absagen stand das natürlich nicht. Ich werde häufig gefragt, was mich auch der Diagnostiker gefragt hatte, warum ich da nicht freiberuflich gearbeitet hätte. Alle stellen sich dies so vor, als ob man einfach nur einen Computer anschließt und sofort mit dem Übersetzen loslegen kann. Der freie Markt als Übersetzer ist ein Haifischbecken. Der Beruf des Übersetzers ist nicht geschützt, jeder kann sich Übersetzer nennen. Diplom Übersetzer hingegen kann sich nur derjenige nennen, der studiert hat. Wenn jemand aber eine billige Übersetzung möchte, verzichtet er auf die Vorsilbe "Diplom-" . Die Zeilenpreise sind heut so niedrig, dass auch Nichtbehinderte Übersetzer um ihr Überleben kämpfen. Mir hat ein blinder Übersetzer gesagt, er sei einer der wenigen, der es geschafft hätte. Die meisten meiner Übersetzerkollegen arbeiten heute im Blindenverband und führen eine ganz andere Tätigkeit aus. Dies ist mir natürlich aufgrund meiner sozialen Grenzen nicht möglich. Es ergibt sich außerdem die Schwierigkeit, dass man, wenn man wirklich redlich ist, nur aus der Fremdsprache in die Muttersprache übersetzt. Wenn man in eine Fremdsprache übersetzt, braucht man jemanden, der Korrektur liest, den man dann ebenfalls wieder bezahlen muss. So bleibt von dem Honorar nicht allzu viel übrig. Ich kenne eine blinde Frau, die als Übersetzerin tätig ist. Ich bat sie, mir ab und zu einmal eine medizinische Fachübersetzung zukommen zu lassen. Theoretisch kann man pro Zeile für eine medizinische Fachübersetzung einen Euro oder mehr verlangen. Sie bot mir hingegen nicht einmal 0,30 € an. Ich würde sogar für dieses Geld eine Übersetzung machen, einfach nur, damit ich einmal wieder etwas übersetzen kann und sehe, dass ich es noch kann, und damit ich ein Erfolgserlebnis habe. Außerdem kommunizieren die meisten Mediziner heutzutage in – wenn auch mehr oder weniger schlechtem – Englisch, so das nicht mehr viel zu übersetzen bleibt. Dass ich also rein aus sozialen Gründen oder wegen meiner Erfahrungen mit dem Mobbing im Berufsleben nicht Fuß fassen konnte, ist nur die halbe Wahrheit. Selbstverständlich bin ich wahrscheinlich in meiner psychischen Beweglichkeit durch all diese Erfahrungen eingeschränkt, und auch in meiner Tätigkeit als Ausbilderin hatte ich große soziale Schwierigkeiten, meine Autorität zu etablieren und meine Kompetenz gut zu verkaufen. Aber man sollte auch die politische Seite anerkennen, denn es ist hier noch ziemlich viel zu tun, damit behinderte Menschen am Berufsleben teilhaben können. Es existieren bei den Arbeitgebern noch immer große Vorurteile hinsichtlich der Leistungsfähigkeit Schwerbehinderter. Außerdem geht die Mär, dass man einem Behinderten nicht mehr kündigen könne, ihn also nicht mehr los wird, egal, was passiert. Es würde hier zu weit führen, diesen Irrglauben auszuräumen. Es hilft niemandem, wenn man das Problem individualisiert. Es gibt immer eine innere und eine äußere Wahrheit. Es gibt immer eine persönliche und eine gesellschaftliche Seite. Ich hatte auch sehr viel Pech, wenn ich dann doch einmal fast einen Auftrag erhalten hätte. Es ist sehr schwierig, Außenstehenden die beruflichen Schwierigkeiten eines Übersetzers zu erklären, zumal man auch vom Berufsverband der Übersetzer wenig Hilfe bekommt. Und es ist umso schwerer, anderen klarzumachen, dass dies mit einer Behinderung noch ungleich schwieriger ist, da man weniger Zugang zum Markt hat aufgrund der Einschränkungen und wegen der Mängel in der Barrierefreiheit , und da man deswegen auch oft nicht schnell genug ist, um sich einen Auftrag unter den Nagel zu reißen. Auch fehlt häufig das berühmte Vitamin B, für das man erhöhte soziale Kompetenzen braucht, die mir ja auch fehlten, um ein Netzwerk zu knüpfen. Und als Behinderte, zumal als Frau ist man häufig nicht in der Lage, die berühmten Seilschaften zu bilden, die häufig schon sehr früh in der schulischen Laufbahn entstehen und schon bei der familiären Stellung in der Gesellschaft beginnen. Hätte ich das von Anfang an gewusst, hätte ich wahrscheinlich diesen Beruf gar nicht gewählt, aber meine Fähigkeiten und Interessen lagen eben auf diesem Gebiet, und Ärztin konnte ich ja nicht werden, was ich heute noch sehr bedauere. Ich habe mich damals für den spannenden und steinigen Weg entschieden, obwohl meine Eltern mich lieber als Beamtin gesehen hätten. Ich hatte aber aufgrund eigener Erfahrungen ein zu negatives Bild von Beamten, so dass ich mir dieses Leben als unerträglich langweilig und duckmäuserisch vorstellte. Dass der spannende und steinige Weg damit enden würde, dass ich komplett im Morast stecken bleibe, hätte ich auch nicht vermutet. Ich war bereit, ein gewisses Risiko auf mich zu nehmen, was ich auch ziemlich spannend fand. Nur bedeutet Risiko, es kann genauso gut auch klappen. Somit war es kein Risiko, Übersetzerin zu werden, sondern von vorneherein für mich unmöglich. Daher gehört es dazu, dass ich diese Niederlage beginne zu verarbeiten. Bezeichnend ist auch, dass ich Therapeuten und anderen bisher schwer klarmachen konnte, dass ich zu Recht darunter leide, frühberentet zu sein. Auch hier hatte ich den Eindruck, dass das eigentliche Motiv, warum ich die Frühberentung als Kränkung empfinde, nicht wirklich rübergekommen ist . Wenn ein nicht behinderter Mensch schon mit 50 auf dem Abstellgleis steht, hat jeder Verständnis, dass er darüber deprimiert ist. Bei mir hingegen, die ich schon mit 38 in Rente gehen musste und vorher auch nur eine kurze Zeit gearbeitet hatte, wundert sich jeder und sieht es als Teil meiner psychischen Problematik an, dass ich darüber trauere, meinen Lebensentwurf nicht verwirklichen zu können. Irgendwie hat man von Behinderten noch eher das Bild, dass eine Laufbahn in einem besseren Beruf als ehrgeizig oder zu hoch gegriffen angesehen wird. Daher wird folglich mein Wunsch, Trauerarbeit über diesen Verlust leisten zu dürfen, als schwer verständlich angesehen. Viele denken auch ganz direkt, was hat die auch mit ihrer Behinderung unbedingt so hoch hinaus gewollt, das war doch absehbar, dass die nichts findet, dann brauch sie sich jetzt auch nicht darüber zu grämen. Auch wird häufig geglaubt, wenn man studiert hat, sei man deswegen traurig, nicht gearbeitet haben zu können, weil man zu hohe Ansprüche an einen Beruf gehabt hat, und daher den Misserfolg schwerer nimmt. Dabei wird sicher ein Schreinermeister oder Konditor, der diesen Beruf mit Liebe erwählt hat, genauso deprimiert darüber sein, wenn er in dieser Branche nicht Fuß fassen konnte. In meinem Falle ist es wesentlich schlimmer, dass ich meinen Lebensentwurf nicht durchziehen konnte, da mir die Alternative, Hausfrau zu werden und Kinder zu bekommen und zu heiraten ja nicht offen stand, bzw. eben nie zur Debatte gestanden hat. Somit habe ich mich komplett auf ein Leben als Akademikerin und geistige Arbeiterin kapriziert. Als dies dann auch noch Weg fiel, hatte ich ja gar kein Standbein und keine Perspektive mehr für eine schöne Zukunft. Mir sagte einmal ein Sozialpädagoge, mit meinem Radio Projekt hätte ich doch genug, ich könne doch froh sein, andere Behinderte würden in der Werkstatt landen. Dies zeigt deutlich, wie wenig man einem Behinderten zugesteht. Er selbst hat nur Fachhochschule, um es einmal arrogant zu formulieren, wünscht sich aber selbstverständlich für sich selbst ein gelungenes Berufsleben. Mir hingegen gesteht er diese für sich selbst in Anspruch genommene Selbstverständlichkeiten nicht zu. Daher wird es noch ein weiter Weg, anderen klarzumachen, dass für mich die Tatsache, meinen Lebensweg nicht so fortsetzen zu können, wie ich es für mich geplant hatte, genau so eine soziale Kränkung ist wie für jeden anderen, der nicht am gesellschaftlichen Leben teilhaben und nichts zur Gemeinschaft beitragen kann. Immerhin gibt es zahlreiche Studien, die zeigen, dass Arbeitslose depressiver werden und in ihren Bewegungen langsamer werden, da sie darunter leiden, ausgeschlossen zu sein. Außerdem ist hier auch das Risiko, krank zu werden, um ein Vielfaches erhöht. Ich habe wenig Möglichkeiten, meine Kompetenzen zu zeigen und einzubringen. Daher ist die Rolle als kompetente Frau, die geistig etwas leisten kann, die sich intellektuell betätigen kann, für mich tabu. Dieser Persönlichkeitsanteil von mir spielte einmal eine große und tragende Rolle. Nun ist dieser Anteil aber abgeschnitten, die Person in mir, die klug war und als solcher wahrgenommen wurde, ist gestorben. Ich bin nur noch in der Rolle derjenigen, die Hilfe braucht, die man als nicht tüchtig und hilflos wahrnimmt. Ich merke immer wieder, dass man sich von so jemandem wie mir nichts erklären oder sagen lässt, und alle Tatsachen, die ich fachlich bringe, mit einem „weiß ich nicht, kann sein“ weggewischt werden. Somit existiere ich nicht als jemand, die auch etwas weiß und wie jeder andere zum Wissensaustausch zwischen den Menschen beitragen kann. Und nicht zuletzt sollte man auch bedenken, dass ich all dieses Mobbing in der Schule nur ausgehalten habe, weil ich die Hoffnung hatte, später nach meinem Abitur zu studieren und einen tollen Beruf zu ergreifen. Mein Wahlspruch im Internat war immer: „Wer etwas werden will, muss leiden“ , nur so konnte ich all diese Quälereien überhaupt durchstehen. Hätte ich gewusst, dass ich hinterher sowieso beruflich überhaupt nichts reißen kann, hätte ich mir diesen ganzen Quatsch auch ersparen können. Dann hätte ich in der Sehbehindertenschule meinen Hauptschulabschluss gemacht, wäre Telefonistin geworden oder Schreibkraft und hätte all diese traumatischen Erfahrungen nie machen müssen. Insofern hat mein berufliches Scheitern sehr wohl sehr viel mit meinem Trauma durch das Mobbing zu tun. Einige der Formulierungen sind mir noch unklar, dazu reichen meine psychologischen Kenntnisse nicht aus. Insgesamt aber bin ich zufrieden mit dem Gutachten. Es hat mir nun eine komplexe Traumafolgestörung bescheinigt. Ich denke, hiermit lässt sich etwas anfangen. Ich habe es einigen engen Freunden gezeigt, und einige Leute meinten auch, dass ist die aktuelle Situation ziemlich gut trifft. Nun steht mir noch die schwierige Aufgabe bevor, einen Traumatherapeuten zu finden. Mir wurde ja jemand genannt, und nun muss ich darum kämpfen, dass sie mir Gehör schenkt und mir hilft, jemanden zu finden. Dies wird noch eine sehr schwierige Aufgabe werden. Nach wie vor wurmt es mich, dass ich das Gutachten selbst zahlen musste, und dass ich nicht vom Gesundheitswesen mit meinen Problemen aufgefangen wurde. Wurde ich damals schon alleine gelassen, als mir all dies passierte, hat man mich auch jetzt wieder bei der jahrelangen Suche und der Finanzierung einer fundierten Traumadiagnostik im Stich gelassen. Ich hoffe, dass dies nicht wieder bei der Suche nach einem Traumatherapeuten ebenso passiert. Ich komme mir vor, als sei ich außerhalb des sozialen und gesellschaftlichen Netzwerkes. Vielleicht ist dies einfach mein Schicksal, meine persönliche Ananke, mein Kismet. Es wäre die erste korrigierende Erfahrung, wenn ich hier positiv überrascht würde und eine geeignete Person finden würde. Das wäre der erste Schritt auf die Sonnenseite. Der erste Schritt in Richtung positive Erfahrung war ja schon, dass das Gutachten so ausgefallen ist.