Sonntag, 28. November 2010

Die ersten Schritte mit diesem E-Post-Kram

Da eine Freundin von mir Geburtstag hatte, und ich unbedingt dieses hart erkämpfte E-Post-Konto einweihen wollte, habe ich ihr zu Ehren den ersten Brief an sie geschrieben. Meine Helferin war krank, und so bekam ich eine Ersatzfrau, die sich gut mit dem PC auskannte, zumindest soweit, dass sie sich in ein neues System einarbeiten konnte. Wir packten also die Sache zusammen an.

Zunächst versuchten wir, mich in mein Konto einzuloggen. Dies schlug zweimal fehl, und ich wollte schon die Sicherheits-PIN, ähnlich der der PUK beim H andy, herauskramen, aber wir gingen das Risiko einer Sperre ein und unternahmen einen dritten Versuch, der dann auch zum Glück klappte. Wir hatten den Benutzernamen, der der Epost-Adresse entsprach, mit Bindestrich geschrieben, wie es auch in der Web-Adresse der Fall war. Endlich waren wir drin. Nun suchten wir den Menüpunkt, wo man sein Konto mit Geld für Briefmarken aufladen kann. Aber wir fanden nichts. Wir nahmen richtig an, dass beim ersten Versenden eines Briefes dann schon nach dem Geld gefragt würde. Der erste Brief war schon im Posteingang, und, wie ich vermutete, war es nur das Begrüßungsanschreiben der Post. Wir konnten ihn gar nicht öffnen, und erst, als meine Helferin auf einen Button weiter oben drückte, war der Brief sichtbar. Die Beschriftung der Buttons ist sehr schlecht lesbar, da die Buchstaben unter den Symbolen sehr verschnörkelt und undeutlich geschrieben sind. Die Sprachausgabe liest die Befehle der einzelnen Buttons nicht vor sondern nur irgend einen Zeichenquatsch, so daß ich mit meinen schlechten Augen dieses Gekritzele unter den Buttons entziffern oder mir die einzelnen Funktionen der Buttons einprägen muß. Endlich fanden wir den Button für Brief verfassen und legten los. Ich, SCHLAU wie ich nun mal meine zu sein, hatte bereits einen Brief verfasst, um die Zeit zu sparen, ihn extra in das dafür vorgesehene Feld reinhacken zu müssen. Aber das Kopieren des Briefes gestaltete sich sehr schwer. Ich markierte den Brief in Word mit CTRL A, packte ihn mit CTRL V in den Zwischenspeicher und wechselte dann mit ALT TAB zum E-Post-Portal, wo ich ihn mit CTRL V einfügen wollte. Dabei war es sehr schwer für mich, das Eingabefeld für das Schreiben immer wieder zu finden, da ich durch die Großschrift auf meinem PC nur ein sehr eingeschränktes Sehfeld zur Verfügung habe, und da ich ja ohnehin ein Gesichtsfeld von nurmehr fünf Grad habe. Das Einfügen mit CTRL V ließ E-Post aber nicht zu. Ich wiederholte die Prozedur so lange, bis wir draufkamen, dass man im Eingabefeld für den Brief das Kontextmenü aufrufen und dann den Punkt „Einfügen“ wählen muß. Dann ließ es sich problemlos rüberkopieren. Allerdings mussten wir dafür dreimal den Brief neu aufmachen und dreimal den Button Brief verfassen anklicken, also jeden Schritt von Neuem machen, mich abmelden, wieder einwählen, (was jetzt schon besser klappte), dann „Brief verfassen“ anklicken, das Word-Dokument einfügen, (das Gott sei Dank noch im Zwischenspeicher war), und dann konnten wir erst zum nächsten Schritt. Es war nicht klar, ob wir erst im Menüpunkt Optionen die Sendeart (klassisch oder als epost-Brief) wählen mussten, oder erst auf Sendenklicken sollten, wo dieser Menüpunkt automatisch erscheinen würde. Er kam beim Senden automatisch, so dass wir nicht erst über Optionen reinmußten. Dann mußte ich die Adresse eintippen, wobei ich aber nicht mit der TAB-Taste von Feld zu Feld springen konnte, sondern die Maus verwenden mußte, um in jedes einzelne Feld zu klicken, was für mich enorm schwer ist. Auch sagte mir bei diesem Punkt der Adreßeingabe die Sprachausgabe nicht, welcher Adreßpunkt jetzt dran war, und da gibt es jede Menge Zusatzfelder. Dann muß man natürlich erneut den Punkt "Senden" finden, damit der Brief dann auch wirklich losgeht. Den Sende-Button mußte ich aber mit meiner Großdarstellung erst mühevoll suchen. Freilich wurde mir wieder erklärt, daß es ja JEDEM so ginge, der etwas Neues machen will, und daß da JEDER seine Probleme hätte. Wenn das so wäre, könnte mir ja niemand erklären, wie es geht, da der andere ja dann dieselben Probleme hätte wie ich u nd mir gar nicht helfen könnte. Auch dürfte der gesunde Menschenverstand einem klarmachen, daß es für einen Sehenden wesentlich einfacher ist, die einzelnen Schritte zu machen, weil er die Buttons wenigstens besser findet und die Bildchen besser entziffern kann.

Als ich den Brief versenden wollte, kam dann auch das mit dem Bezahlen dran. Ich wählte dummerweise gleich 56 Euro aus, damit ich 100 Briefmarken hatte. Danach kam auch die Mobil-TAN, und das mit dem Handy und dem Lesen der SMS im Weiterleiten-Modus, um die Buchstaben einzeln zu hören, klappte auch gut. Dann war aber wieder irgendwas anderes schiefgegangen, und die ganze Prozedur – diesmal ohne Aus- und Einloggen – musste von vorne begonnen werden. Dann kam aber keine neue Handy-TAN mehr, und endlich ging der Brief los, der mittlerweile schon dreimal im Ordner „Entwürfe“ gespeichert war. Nun wollte ich meinen Eltern auch noch einen Brief schreiben, da sie unbedingt mal sehen wollten, wie das aussah. Das klappte sehr gut, und der Brief ging auch weg. Aber als wir in den Ordner „Gesendet“ reinschauten, stellte sich heraus, dass der Brief an die Freundin doch nicht abgeschickt war. Ich war schon den Tränen nahe. Wieder starteten wir den Vorgang, den ich mittlerweile fast auswendig konnte. Zyniker -- wie pädagogische und andere Helfer halt von Berufswegen sind -- trösten mich immer ach so (wenig) einfühlsam damit, dass halt ALLES sein Gutes hat, da ich so die Schritte gleich auswendig lernen konnte. Ich war mittlerweile so aufgeregt, dass ich meiner Bekannten versehentlich meinen Nachnamen verpasste, und so mussten wir das Ganze nochmal machen. Ich hatte schon Angst, die Zeit meiner Helferin würde vorbei sein, und der Brief wäre immer noch nicht weg. Sie nahm sich, obwohl sie zu ihren Kindern und ihrem Mann musste, nochmal 10 Minuten länger Zeit, und endlich, endlich, endlich ging der Brief auf die Reise.

Meinen Eltern avisierte ich den Brief per Mail, aber ich musste zu Hause anrufen, um zu erfahren, dass er korrekt angekommen war. Ich muß immer sofort anrufen, wenn ich ein Paket bekommen habe, aber ich selbst erhalten nie eine unaufgeforderte Rückmeldung für meine mit Mühen verbundenen Sendungen.

Als ich meiner Freundin telefonisch zu ihrem Geburtstag gratulierte, bestätigte sie mir, dass der Brief angekommen sei, und sie sich sehr gefreut habe. Na Gott sei Dank!

Ich wollte dann ein paar Tage später jemandem ein paar wichtige Anlagen versenden und schaffte es sogar, den Button für „Anlagen einfügen“ zu finden. Auch das Durchsuchen meiner Ordner und das Hochladen schienen geklappt zu haben. Als ich dann den Brief versenden wollte, hieß es, dass eine der Anlagen nicht durchgehen würde, da man diese nicht ausdrucken und versenden könne. Ich fand keine Funktion, mit welcher man eine der Anlagen hätte deaktivieren können, und so verfasste ich alles nochmal neu. Ich sendete den Brief los und hatte die TAN zuvor korrekt eingetippt, die dann schon beim ersten Senden aktiviert worden war und somit nicht nochmal eingegeben werden musste. Ein paar Tage später rief mich die Dame an, das Anschreiben sei angekommen, aber die Anlagen fehlten. Mein Name sei Mißerfolg. Denn ich hatte auch einige Adressen in mein persönliches Adressbuch eingetragen und war ganz stolz, dass es geklappt hatte. Bei diesem Eingabemodus konnte ich mit der TAB-Taste von Feld zu Feld springen, und die Sprachausgabe sagte mir genau an, welches Editierfeld das nun war, wo der Cursor stand. Das war eine enorme Hilfe, denn viele der Felder waren Zusatzfelder und für mich von gar keinem Interesse, und ich mußte mehrfach die TAB-Taste betätigen, um zu einem für mich relevanten Feld zu gelangen, wo ich dann nur Name, Straße und Ort eingeben wollte und auch konnte. Als ich aber den Namen dieser Dame aufrief, indem ich den Punkt „Persönliche Adressen verwenden“ anklickte, waren statt der sechs eingetragenen Adressen nur drei sichtbar, und der geneigte Leser möge raten, welche Adresse nicht unter den Dreien war! Ich schaute nach, ob vielleicht drei der sechs reingehackten Adressen womöglich nicht korrekt gespeichert und demnach nicht angenommen worden waren. Aber siehe da, alle sechs Adressen waren vorhanden. Warum die Hälfte von ihnen aber dann nicht sichtbar ist, wenn man beim Verfassen eines Briefes das persönliche Adressbuch verwenden will, verstehe ich nicht.

Ich muß immer alles zehnmal öfter üben als ein normaler Mensch mit normaler (technischer) Begabung. Ich kann auch nie selbst eine Sache herausfinden, sondern brauche immer jemanden, der mir die Schritte erklärt, die ich dann auswendig lernen und mehrfach üben muß, um sie dann auch in der Praxis anwenden zu können. Dadurch, dass ich alles zehnmal üben muß, kann ich mir die Schritte auch recht gut merken. Aber der Transfer von einem Schritt auf einen neuen, gelingt mir nicht. Jede neue Sache ist dann so, als hätte ich noch nie an einem PC gesessen und alles will wieder völlig neu geübt sein. Warum das so ist, wo ich doch eigentlich nicht (offiziell) lerneingeschränkt bin, versteht niemand. Nun werde ich warten müssen, bis meine Helferin in ein paar Tagen wieder kommt, und mir dann wieder Schritt für Schritt die nächsten „Bewegungen“ zeigt, die ich dann wieder mehrfach einüben und einproben muß, damit sie mir im „Ernstfall“ auch gelingen. Da darf aber dann nichts Unvorhergesehenes dazwischenkommen, und es muß absolut ruhig sein, es darf keine Hektik herrschen, und ich muß mir jeden Schritt laut vorsagen, damit auch wirklich alles klappt. Ich würde mir so wünschen, dass doch mal jemand rausfindet, was das für eine Teilleistungsproblematik ist, dass ich mit solchen Dingen solche Probleme habe, was doch so eine arge Diskrepanz zu meinem sonstigen Leistungsvermögen darstellt. Daß man nicht überall gleich gut sein kann, ist mir klar, aber ein derartiger Unterschied zwischen den einzelnen Begabungen, wo ich doch viel mit dem PC zu tun habe, und insgesamt kein niedriges Leistungslevel habe, will mir nicht einleuchten. Irgendwann klappt es dann doch, und dann wechsele ich zu einem etwas anbieterfreundlicheren System. Aber dafür muß ich erst die 100 Briefmarken abarbeiten, und da ist ja n och Potential zum Üben da, und einige Leute können sich jetzt über Weihnachtspost freuen.

Mein Handy kann sprechen

Schon länger hatte ich mir ein Handy mit Sprachausgabe gewünscht. Da diese Geräte aber sehr teuer sind, bzw. die aufgespielte Sprachausgabe fast 300 Euro kostet, und dann noch die Kosten des Mobiltelefons selbst hinzukommen, welches ein Symbian-Handy sein muß, habe ich mich bisweilen immer damit beholfen, die entsprechenden Nummern auf meinem Notizgerät zu speichern, dort bei Bedarf abzuhören und ins Handy zu tippen. Das wurde aber mit zunehmender Sehverschlechterung immer schwieriger, und die Tasten meines Handys klemmten ab und zu, oder ich verwählte mich. Mir war das so zu unsicher, und daher beschloß ich, auf ein sprechendes Handy zu sparen.

Als ich ungefähr nach drei Monaten das Geld und noch was darüber hinaus zusammen hatte, ging ich zu der Hilfsmittelfirma, die wir auch im Rahmen unseres Radioprojektes schon interviewt hatten. Damals zeigten die uns einige Handys, und es stellte sich obendrein heraus, dass ein Bekannter von mir dort zu arbeiten angefangen hatte. Ich ging also zu diesem Laden, und der Bekannte meinte, ich hätte vorher anrufen sollen, denn dann hätte er mir ein N82 zeigen können. Das sei ein Handy, mit dem ich zurechtkommen würde. Denn ich wollte eines mit erhabenen und eher kleineren Tasten. Heuzutage haben die Handys alle sehr breite und flache Tasten, die fast ineinander übergehen, wobei man mit meinem schlechten Tastsinn nicht erfühlen kann, wo die eine Taste endet und die andere beginnt. Bei diesem schon etwas älteren Handy würde das problemlos für mich sein. Ich ging nach Hause, und er meinte, er würde sich mal umschauen wegen dieses Handys. Schon am Nachmittag rief er an, ich solle doch mal eben schnell vorbeikommen, eine Kundin habe ein N82 vorbeigebracht, um es reparieren zu lassen, und ich hätte die Chance, mir so ein Modell nun mal anzusehen. Da der Laden genau in meine Ecke gezogen war, rannte ich hinunter und wurde von meinem Bekannten abgeholt. Das Handy war wirklich gut zu ertasten, war noch eines der nicht ganz so verschwindend kleinen Moodelle, die man heutzutage zwischen Ohr und Mund fast hin- und herschieben muß, um hören und sprechen zu können. Das N82 hat eine große Taste für „Abheben“ und eine große für „Auflegen“. Ich sagte zu und bestellte das Handy. Mein Bekannter sagte, dass er es bei ebay suchen müsse, da es das Handy im Handel nicht mehr gäbe. Es würde so um die 14 Tage dauern. Nach ca. 2 Wochen dachte ich, nun, jetzt könnte doch mal was kommen. Und so war es, genau nach zwei Wochen rief der Bekannte an, er habe ein neuwertiges N82 gefunden und würde mir jetzt die Sprachausgabe aufspielen. Alles in Allem würde es 500 Euro kosten. Damit war ich hoch zufrieden. Da ich mit einer Vertretung meiner Helferin den ersten E-Post-Brief schreiben und ausprobieren wollte, ob ich eine Mobil-TAN hörend „entziffern“ können würde, bestellte ich das Handy auf einen Freitag, da ich an diesem Tag mit einer Helferin beim Einkaufen war, und sie mich dann gleich direkt zu dem Laden bringen konnte. Das war machbar, und ich sollte ihn anrufen, wann wir mit Einkaufen fertig seien, damit er entscheiden könne, ob es bis zur Mittagspause noch hinkommen würde. Es klappte, und die Helferin und ich liefen zu dem Laden, der im zweiten Stock war. Da ich mit Wendeltreppen arge Probleme habe, haben wir immer den Lastenaufzug benutzen müssen. Dies ist ein uriges Teil. ES hat keine Fenster, nur eine Funzel, und man mußsich genau „mittig“ stellen, damit der Aufzug keine Probleme bekommt. Unten kommt man nur von innen hinein, obwohl auch eine Aufzugtür zur Straße zeigt, und man braucht einen Schlüssel, daher geht es nur, wenn jemand vom Personal dabei ist, also eben mein Bekannter. Wir stiegen ein, und ich amüsierte mich wieder köstlich über dieses „Kult-Teil“ von Aufzug. Meine Helferin zeigte Anzeichen davon, dass es ihr unbehaglich war. Oben angekommen musste mein Bekannter klopfen, damit ihm jemand vom Büro aufmachte, denn sonst hätte jeder einfach in das Büro stiefeln können, da der Aufzug direkt in den Laden fuhr. Ich war das ja schon gewohnt, aber meine Helferin war in schierer panik, schrie, „ich will raus“, da sie annahm, das sei eine Ausnahmesituation, weil er seine Kollegen rief und klopfte. Sie fing zu hyperventilieren an, und ich legte, sonst nicht so meine Art, meine Hand beruhigend auf ihren Arm. Ich hatte seltenst erlebt, dass andere mal Schwäche zeigten oder in einer Situation schwächer waren als ich. Sonst bin immer ich diejenige, die von anderen beruhigt werden muß. Drinnen angekommen war alles wieder OK, aber meine Helferin hatte noch Herzklopfen von dem Schrecken. Ich war schon so mit meinem neuen Handy beschäftigt, dass ich ihr nur ihren Zettel unterschrieb, ihr die Hand gab und ein paar Worte wechselte, dass ich auch in bestimmten Situationen solche Angstzustände kenne, beispielsweise, wenn der Wind in mein Gesicht peitscht. Später hatte ich ein schlechtes Gewissen, sie so auf die Straße gehen zu lassen und hatte schon Befürchtungen, dass sie schlecht nach Hause gekommen sei. Das war aber zum Glück nicht der Fall.

Das Handy wurde mir zunächst mal erklärt, beispielsweise, wo welche Taste ist, wie die Taste heißt, wie die Tastensperre aufgeht, welches die Talx-Taste ist, diejenige Taste, mit der man bestimmte Sprachbefehle aufrufen kann, wie z .B. das Vorlesen einer Zeile, des ganzen Fensters, des Batterie- und Empfangsstatus’, der nächsten Befehlsmöglichkeiten etc. Ich hatte extrem große Mühe, mir alles zu merken. Zunächst erklärte mir mein Bekannter, wie man einen neuen Kontakt eingibt. Ich konnte mir partout nicht merken, welche Taste ich wann drücken musste, wann ich die Funktionstaste, wann die Auswahltaste drücken musste, wann ich mit den Pfeilen rauf und runter, wann nach links und rechts fahren musste, ob ich nun in einem Untermenü war, oder ob ich eine Ebene höher gehen musste, wann ich auf „Auflegen“ drücken musste, um die Eingabe vollends zu beenden, wann nur auf Funktionstaste 2, um eine Ebene höher zu gehen. Ich war so verwirrt, dass ich schon aufgeben wollte. Mein Bekannter meinte, ich stünde mir selbst im Wege und würde mir dauernd sagen, dass ich das nicht könne. Ich ließ dies kommentarlos über mich ergehen und dachte, der weiß ja nicht, wie schwierig das ist, wenn man sich wegen der Dialyse fast nichts mehr merken kann. Irgendwann, so ca. nach zwei Stunden, wwar dann der Durchbruch geschafft, und ich konnte einen Kontakt alleine eingeben. Was mir auch große Probleme bereitet hatte, war, dass die Menüpunkte als Raster, also als Matrix angelegt waren, so dass man beim Runterfahren auf Punkt fünf, dann auf Punkt acht, und beim Hochfahren auf Punkt zwei landete, und nur dann die anderen Punkte ansteuern konnte, wenn man nach links oder rechts tippte. Da ich den Bildschirm ja nicht sehen konnte und mich sehr an eine visuelle Vorstellung klammern musste, fiel mir das Ganze sehr schwer, so abstrakt zu denken. Zu Hause übte ich dann weiter und stellte noch eine Nummer in die Kontakte. ES klappte, davon abgesehen, dass die Kurzwahl-Zuweisung leider doch noch zu schwierig war. Ich hörte mir abends noch die Gebrauchsanweisung an, die als synthetisch vorgelesenes DAISY-Buch auf meinem Handy im DAISY-MP3-Player gespeichert war. Als ich einige Dinge ausprobieren wollte, die ich in dem Handbuch hörte, wobei es mir sehr schwerfiel, im Handbuch herumzunavigieren, merkte ich, dass teilweise bestimmte Menüpunkte des DAISY-Buches nicht mehr vorgelesen wurden. Auf einmal war nicht nur die Stimme vom MP3-Player weg, sondern die synthetische Sprachausgabe des Telefons selbst war auch verstummt. Es war schon ein Uhr in der Nacht, ich war in Panik, schaltete das Handy mehrfach ein und aus, wobei ich aber nie wusste, wie fest ich auf den Ausschaltknopf drücken musste, und es sich dauernd ein- und ausschaltete, aber irgendwann, nach zehn Stoßgebeten zum Himmel, war es wieder angeschaltet, und die Sprachausgabe redete wieder mit mir. Aber als ich wieder ins Handbuch auf dem DAISYPLAYER des Handys gehen wollte, sagte mir die Stimme: „Kein DAISY-Buch verfügbar“. Ich habe es tatsächlich fertiggebracht, das Handbuch zu löschen. Irgendwie musste ich doch darüber lachen. Absichtlich wäre mir das sicher niemals gelungen. Einige Handgriffe hatte ich mir aus dem Handbuch doch noch gemerkt und konnte im Talx-Menü selbst einstellen, dass das Handy die eingehenden Anrufe mit Nummer oder dem in den Kontakten eingespeicherten Namen ansagen sollte, den Sekundenabstand dieser Ansage konnte ich ebenfalls ändern, auch schaffte ich es, die Art der Cursorbewegung, ob wort- oder buchstabenweise, zu ändern. Das Handbuch habe ich noch auf CD, aber ich traue mir nicht zu, das Handbuch mit dem USB-Kabel auf die Speicherkarte des Handys zu überspielen.

Glücklicherweise habe ich wieder Kontakt zu einem Bekannten, mit dem ich längere Zeit wenig zu tun hatte, da wir nur sehr sporadisch, aber dann sehr lang, miteinander telefonieren. Er hat genau das gleicheHandy und konnte mir noch eine Menge erklären. Mittlerweile habe ich das Prinzip von Menüs, Untermenüs und Ebenen soweit verstanden. Auch habe ich mit seiner Hilfe die Menüpunkte so eingestellt, dass sie nur untereinander kommen, und ich kann sogar die Menüpunkte dahin verschieben, wo ich sie haben will, so habe ich z.B. den Menüpunkt „System“, den ich öfter brauche, vom Platz 10 auf Platz 3 verschoben.

Da ich ja die Mobil-TAN von der E-Post lesen können will, riet mir mein Bekannter, die SMS auf „Weiterleiten“ zu setzen, da man dann in dem geöffneten „Dokument“ herumfuhrwerken und sich die Buchstaben einzeln vorlesen lassen kann. Mittlerweile habe ich den Cursor auf Buchstaben eingestellt, so dass ich mir auch ohne Weiterleiten die SMS buchstabenweise und mit Angabe der Buchstabennamen wie Anton, Berta, Cäsar, Dora… und auch Groß- und Klein-Buchstaben Vorlesen lassen kann, damit man sie besser versteht.

Das, was ich mit dem Handy machen will, kann ich schon ganz gut. Wenn ich in Urlaub fahre, möchte ich mal meine E-Mails damit lesen, damit ich keine wichtigen Nachrichten verpasse. Ich bin mal gespannt, ob das klappt. Mein Bekannter, der auch dieses Telefon hat, macht seine gesamte E-Mailkorrespondenz sowie alle Internet-Aktionen mit dem Handy anstatt mit dem PC. Er ist wirklich fit, und da habe ich jemanden an der Hand, den ich öfter mal um Hilfe bitten kann. So funktioniert Gott sei Dank das Handy, und ich komme gut damit zurecht.

Sonntag, 21. November 2010

Alles was einen "verblöden" lassen kann

Dass ich an geistiger Leistungsfähigkeit einbüße, liegt freilich auch an der Dialyse, was mir aber keiner glauben will. Aber meine geistige Leistungskraft hat rapide nachgelassen. So könnte ich mir heutzutage beispielsweise nicht mehr vorstellen, nochmal eine Fremdsprache zu lernen, obwohl ich das ja sogar an der Uni tat. Auch bin ich im Alltag viel zerstreuter, vergeßlicher und unkonzentrierter geworden, was sicher auch an den Vergiftungserscheinungen der Dialyse liegt. Da das nicht bei jedem so ist, und da dies von vielen als Ausrede verwendet wird, ist das bereits inflationär, und daher glaubt mir das keiner. Außer dumme Sprüche wie "ich kann mir auch weniger merken, Du wirst halt alt", (mit 42, wo andere mit 80 noch ein Seniorenstudium machen), höre ich nichts Anteilnehmendes.

Aber es gibt noch einen viel tieferen und verheerenderen Grund als die allmählich chronisch werdenden Vergiftungserscheinungen, nämlich etwas Chronisches, was die Seele zermürben und den Menschen systematisch kaputtmachen kann.

Ich möchte hier meinen Schmerz in die Welt schreien! Ich habe ein vollwertiges Studium gemacht, habe viele Erfahrungen und Erlebnisse gehabt, war in vielen Ländern, bin viel gereist, wohne alleine,…..

Dennoch sind alle um mich herum Besserwisser. Was ich erlebe, sind immer die Ausnahmen, was mein Gegenüber erlebt, ist immer allgemeingültig und verallgemeinerbar. Deckt sich mein Erlebnis mit dem Erlebten des Gegenübers, habe ich Glück, und mir wird huldvoll zugestanden, dass ich „recht habe.“ Deckt es sich nicht, dann sind meine Erfahrungen nur meine privaten Erlebnisse, die „man“ nicht verallgemeinern kann, was natürlich mein Gegenüber bestimmt, beschlie0t und festlegt.

Wenn ich etwas weiß, was der andere nicht weiß, dann kommt bestenfalls ein „kann schon sein“, schlimmstenfalls wird meine Information mit „weiß ich nicht“, weggewischt und dann das Thema gewechselt. Habe ich Glück, und mein Gegenüber hat das, was ich erkläre, schon mal gehört, dann kommt: „jaja, das stimmt.“ Dass andere so ein Verhalten auch stört, merke ich daran, dass, wenn ich sage: „Ja, das stimmt“, andere dann lachen, grinsen und sagen: „NATÜRLICH stimmt das.“ Oder wenn ICH sage: „Kann sein“, ein entüstetes „Das KANN nicht nur so sein, das IST auch so“, kommt. Wenn ich einmal sage: „Weiß ich nicht“, wird mir ein verärgertes: „Aber ICH weiß es“, entgegengeschleudert. Man sieht, andere sind also genauso „empfindlich“ wie ich, wenn ihr Wissen nicht anerkannt oder von anderen ob seiner Richtigkeit taxiert wird.

Selbstverständlich passiert es mir auch mal, dass ich, wie oben erwähnt, sage: „weiß ich nicht“, oder „kann schon sein“, worauf dann die anderen ebenso verärgert reagieren wie ich in umgekehrtem Falle, aber mir passiert das IMMER, während anderen das nur ab und zu so geht. Im Großen und Ganzen wird das Wissen und Fachwissen der anderen meist respektiert. Sind doch mal ein paar Besserwisser dabei, können andere getrost den Kopf schütteln und sagen: „Auf DEN bin ich jetzt nicht gerade angewiesen, wenn er MEINT, dass das nicht stimmt, was ich sage.“

Ich hingegen erlebe IMMER, dass mir keiner auch nur das SCHWARZE unterm Fingernagel glaubt, und nicht mal da, wo mein Fachgebiet ist, oder wo ich mich aufgrund meiner Lebensumstände auskenne. Ich weiß, dass (noch) niemand verstehen kann, warum man unter so etwas leidet, aber wer das nicht selbst erlebt, kann das nicht beurteilen. Daher werde ich jetzt ein paar Szenen skizzieren, um das, was ich tagtäglich erlebe, einmal deutlich zu m achen, und das möge der Leser noch hundertfach potenzieren, dann hat er oder sie ungefähr meine Situation erfasst:

Szene Eins:
Taxifahrer S.: Blinde dürfen nicht unterschreiben.
Ich: Doch, Blinde müssen auch unterschreiben, sonst kriegt man keinen Mietvertrag, keinen Arbeitsvertrag etc. Ich bin ja in der Blindenszene und habe das ja jahrelang so erlebt.
Taxifahrer S.: Dann haben Sie das einfach falsch gelernt.
Ich: Ich hab mich aber beim Blindenbund rechtlich erkundigt.
Taxifahrer S.: Ich hab ja auch nicht gesagt, Blinde DÜRFEN nicht unterschreiben, ich habe gesagt, Blinde BRAUCHEN nicht zu unterschreiben. (vgl. Anfang der Konversation oben)
Ich: Aber wenn man nicht unterschreibt, dann bekommt man keinen Vertragsabschluß.
Taxifahrer S.: Ich könnte Ihnen ja Gott weiß was hinlegen.
Ich: Dann ist das meine Verantwortung, das nachprüfen zu lassen oder mit nach Hause zu nehmen oder einen Sehenden mitzunehmen.
Taxifahrer S.: Das sagt einem doch schon der gesunde Menschenverstand, dass ein Blinder nichts unterschreiben kann.
Ich: Wenn Sie mir die rechtliche Stelle nennen, wo das steht, lasse ich mich gerne belehren.
Taxifahrer S.: Belehren, ich will Sie ja nicht belehren, das sagt aber schon der gesunde Menschenverstand, das haben Sie eben falsch gelernt.
KEINE Chance.
MERKE: Ich will nicht IMMER Recht haben, aber da, wo ich mich auskenne, darf ich das auch beanspruchen, oder bin ich deshalb rechthaberisch? Wer ist in dem Beispiel rechthaberisch?

Szene zwei:
Schwester B. zu mir: Sie kriegen ja heute noch Ihr Cemplar.
Mitpatientin, Frau B.: Was ist Cemplar?
Ich: Das ist ein Vitamin-D-Analogon.
Schwester B. (mischt sich ein): Heißt das nicht AnalogA?
Ich: In der Einzahl ist es Analogon, in der Mehrzahl ist es AnalogA.
Schwester B.: Aber im Buch steht: „Vitamin D AnalogA“.
Ich: Weil es da in der Mehrzahl steh. Es ist wie mit PharmakON und PharmakA.
Mitpatientin Frau B.: Das heißt „PharmakUM“.
Ich: Das ist Griechisch, „um“ ist Lateinisch, und im Griechischen heißt es „ON“ in der Einzahl.
Mitpatientin Frau B.: Ich hab aber Pharmazie studiert, und da hieß es PharmaKUM.
Ich: Ich hab Sprachen studiert und bin medizinische Fachübersetzerin, und SIE sind zuständig, was in die Medizin reinkommt, und ICH dafür, wie es heißt.
Schwester B.: Das ist nur Ihre VERMUTUNG, dass es Pharmakon heißt, wir schauen das nach.
Ich: Ich vermute das nicht, ich weiß das, ich hab das im Studium gelernt.
Schwester B.: Sie haben doch nicht den Stein der Weisen oder sind allwissend.
Ich: Ich hab ja nicht gesagt, dass ich allwissend bin, aber das, was ich weiß, weiß ich ja.
Schwester B.: Wir können es doch nachschauen, man kann doch eine Vermutung haben.
Ich: Ich will nicht, dass das, was ich studiert habe, und worüber ich einen Abschluß gemacht habe, als eine bloße Vermutung dasteht, und dass andere es zur Vermutung herabstufen.
Schwester P., kommt dazu: Was heißt templum auf Deutsch: Tempel, und was ist die Merhzahl? -- templA.
Ich: Was ist die Einzahl von Lexika, etwa Lexikum? Ich bin medizinische Fachübersetzerin.
Schwester P.: Das mag ja sein.
Ich: Nein, das mag nicht so sein, das IST auch so.
Arzt kommt und wird gefragt und sagt „Pharmakon“.
Schwester P. schaut mich dabei an und sagt: DA, sehen Sie!
Ich: Warum, ICH hab doch gesagt, dass es Pharmakon heißt.
Schwester P. : Ich hab das ja auch zu Ihrer Bettnachbarin gesagt.
Ich zur Bettnachbarin: Glauben Sie mir jetzt.
Bettnachbarin Frau B.: Nein, ich glaube Ihnen nicht.

MERKE: Alle Leser werden mich jetzt wieder als rechthaberisch, belehrend, besserwisserisch, beharrlich und kindisch erleben und werden mir wieder raten, „Hauptsache, Du selbst weißt, dass es stimmt, was Du gelernt hast. Der Klügere gibt nach.“ Wenn das immer so ist, dass der Klügere nachgibt, und dass es egal ist, wer recht hat: WARUM FÄLLT es dann anderen so schwer, nachzugeben? Ich will ja nicht IMMER Recht haben, aber IMMER Unrecht haben, ist auch schlimm.

Szene drei:
Taxifahrer A.: Wir waren heute beim Mac und haben VEGIBURGERS gegessen.
Ich: Ja, die (vedschibörgers) kenne ich auch.
Taxifahrer A.: Ja, die vedschibörgers sind gut. (Ich wundere mich schon, dass der anstandslos meine nicht betont verbessernd vorgetragene sondern so nebenbei richtig ausgesprochene Variante übernimmt.“
Doch da kehrt der Teufel zurück.
Er sagt: ACH halt, NEIN, ICH sag „VEGIBURGERS“, denn ich kenn mich ja nicht aus.
(Dass ICH mich auskenne und er meiner Aussprache hätte vertrauen können, spielt ja wieder mal keine Rolle).
Ich: Mir glaubt ja wieder mal keiner.
Taxifahrer A.: Ich sag das so, weil ich das will.

Immer sind alle so störrisch. Mein Ex sagt auch immer Rezeiwer anstatt Receiver, und das mit Fleiß. Bei anderen ist man immer dankbar und vertraut deren Können und Kenntnissen, wenn sie etwas gesagt bekommen.

Szene vier:
Ich: Ich schau grad „In der Hitze der Nacht“, da ist dieser Schwarze, der den Fall aufklärt.
Taxifahrer T.: Das heißt nicht Schwarzer sondern Farbiger.
Ich: Aber die nennen sich doch selbst so.
Taxifahrer T.: Ja, die selbst dürfen sich ja auch so nennen.

Szene fünf:
Ich: Der XY ist doch Iraner.
Taxifahrer A.: Die Exil-Iraner sagen „PERSER“!


Dauernd müssen mir andere erklären, wie etwas heißt, wie man etwas richtig sagt, ob ich das wissen will oder nicht, ob es mich interessiert oder nicht. Jetzt kann man sagen, umgekehrt machst Du das doch bei anderen auch so. NEIN, ich spreche es ganz beiläufig richtig aus, und Menschen, die mich und meine Qualifikation kennen und mir vertrauen SOLLTEN, könnten das getrost übernehmen und nicht sagen: „Da kenn ich mich nicht mit aus.“ Ich bestehe nur darauf, dass das, was ich sage, so stimmt, wenn andere mich korrigieren. Von mir aus verbessere ich andere nicht, DAS LIEGT MIR FERN. Aber ich lasse mich auch nicht dauernd von anderen verbessern und bestehe dann schon darauf, dass das, wie ich es gelernt habe, so stimmt, da ich es begründen kann, und da gehe ich auch nicht von ab. Mir reicht das aber nicht, ich hätte schon auch gerne, dass mir mal jemand was glaubt, und nicht alle statisch bleiben und kein Austausch stattfindet, bzw. dieser nur eine Einbahnstraße in meine Richtung bleibt, umgekehrt aber andere nie was von MIR mal annehmen.

Szene sechs:
Ich: Du kannst mir noch das von silly überspielen.
Bekannter T.: DASS DU das englisch aussprichst, das ist eine DDR-Band.
Ich: Na und, deshalb ist silly doch englisch und heißt „albern“.
Bekannter T.: NEIN, das ist nicht englisch, das ist aus der DDR.
Ich: Ja, aber grade dort haben sie doch so viele ausländische Namen gehabt, wie Jacqueline, Maik (mit ai) etc.
Bekannter T.: Aber silly ist nicht englisch.
Ich: Freilich ist es englisch!
Bekannter T.: Wenn Du meinst. (Aha, es steht in jedem Wörterbuch, aber jetzt ist es mal wieder nur meine Privatlogik)
Ich (lautstark): Ich hab schließlich Englisch studiert, und wenn das nicht englisch ist und nicht „albern“ heißt, dann zerreiße ich hier und jetzt mein Diplom!
Bekannter T.: Wenn Du jetzt mal runterkommst mit Deinem „ich weiß“! Das ist eine Abkürzung, die die dort grade noch haben durchgehen lassen. Das steht irgendwo bei WIkipedia.
Ich: Von was soll das eine Abkürzung sein, und ist City, eine andere Band, dann auch eine Abkürzung und auch nicht englisch?
Bekannter T.: Das ist auch eine Abkürzung:
Ich: Ich sag aber silly auf Englisch.
Bekannter T. : Du wirst schon sehen, dass alle aus dem Osten lachen.
Ich: Andere nehmen doch von mir auch nichts an, dann darf ich das doch auch so sagen, wie ich will. Dauernd korrigieren andere meine Sprache.

Ich darf nicht so störrisch sein. Dass andere auch lachen, wenn jemand VEGIBURGER oder MAISONETE (anstatt maisonette) sagt, das rührt diejenigen, die so störrisch sind, ja auch nicht. ICH darf mir also nichtleisten, auch individuell etwas so zu machen, wie ICH es will!

Sage ich „Lükra“ zum Strechstoff namens Lycra, werde ich von der Verkäuferin kritisiert, das heißt LEIKRA. Sage ich LEIKRA, heißt es: DU musst aber auch immer alles Englisch aussprechen. Demnächst Frage ich vorher bei jedem Wort an, wie der andere es ausgesprochen wünscht. Ich bin mittlerweile zu einem geistigen Chamäleon geworden und passe mich nur noch dem Empfinden anderer an, ich selbst habe kein Recht auf Wissen, Meinung und eigene Erfahrungen.

Immer werde ich genau da kritisiert, wo ich eigentlich gut bin. Es ist das Letzte und Einzige, was ich kann, das Einzige, wo ich fit bin, und genau da wollen sie mich immer treffen. Ich glaube, dass andere mich unten haben wollen und bewusst oder unbewusst (vielleicht vom Teufel geleitet, der mich kaputtmachen will), immer genau da ansetzen, wo sie mich noch treffen können. Bei allem anderen habe ich mich ja bereits damit abgefunden, dass die anderen lebenserfahrener, lebensklüger und intelligenter sind, aber die Sprache ist das einzige, was mir geblieben ist. Auch finde ich es sehr übergriffig, jemanden gerade bei seiner Sprechweise zu kritisieren, denn das ist etwas Persönliches. Das erlaubt man sich bei anderen auch nicht, aber bei mir macht man das laufend so. Intuitiv spüren die Menschen, dass ich da fit bin, und dass ich in einer Sache überlegen bin, können sie nicht ab, denn das würde ihr Selbstbewusstsein und ihr Selbstwertgefühl und ihre Ehre zerstören, wenn jemand wie ich in einer Sache überlegen wäre.

Szene sieben:
Bettnachbarin Frau A.: Dass die immer Shunt sagen und dafür kein deutsches Wort haben.
Ich: Sagen Sie halt Fistel, das ist ein deutsches Wort.
Schwester M.: Das ist nicht Deutsch.
Ich: Doch, das kommt ja vom Lateinischen, fistula, und das ist ein Lehnwort, so wie fenestra zu Fenster wurde.
Schwester M.: Nein, das ist kein richtig deutsches Wort.
Ich: Ja, das ist ja eingedeutscht, so wie fenestra auch.
Schwester C kommt ins Zimmer.
Schwester M.: Ist Fistel ein deutsches Wort oder nicht?
Schwester C.: Ja freilich.
Ich: Ja, sehen Sie.
Schwester M. : Aber das ist doch kein deutsches Wort.
Schwester C: Nein, eigentlich nicht, wie Computer ja auch nicht.
Ich: Doch, es ist ja eingedeutscht.
Schwester M. : Ich bleibe dabei, Fistel ist vielleicht eingedeutscht, aber es ist KEIN deutsches Wort.

KEINE CHANCE!

Ich weiß, dass das für alle Leser wieder so rüberkommt, dass ich rechthaberisch bin. Mit mir streitet immer jeder, und immer bin ich der Verlierer, immer hab ich das Nachsehen, immer weiß der andere alles besser. Ich bin schuld daran, ich reize die anderen irgendwie, dass die das so machen MÜSSEN. Aber ich glaube nicht, dass ich das selbst tue. Es ist eine „Vorschaltung“. Ich spreche ganz normal, aber dann dreht irgend eine Energie das Ganze so um, dass es beim anderen so ankommt: DU MUSST ihr widersprechen, DU DARFST ihr nicht recht geben, Du DARFST nichts glauben.
Ich antizipiere schon die Gedanken der Leser: Ist doch egal, ob einem geglaubt wird. Es ist nicht egal, wenn das dauernd vorkommt. Frage: Wenn man sich um einen Cent streitet, und immer der andere den Cent kriegt, und man selbst immer leer ausgeht, und dies Milliardenmal im Leben so ausgeht, man aber NULLmal den Cent erhält, wer wird dann arm, und wer hat es dann dringend nötig, auch mal den Cent zu kriegen? Wenn es doch NUR ein Cent ist, warum kann der andere, der so viele davon hat, nicht mir wenigstens EINMAL einen Cent lassen? Ich meine jetzt nicht, dass mir betont gnädig recht gegeben wird, wobei das dann so aussieht, als hätte der andere doch recht, aber er würde mir mit „also GUUUUT“ zustimmen, damit ich Ruhe gebe, und damit die Arme auch mal recht hat. Dann steht er noch besser da und hat erst recht Recht.
ABER: Wenn das alles doch ACH so unwichtig ist, wer recht hat, warum bin dann immer ICH der Verlierer? Wenn andere so gut damit leben können, auch mal Unrecht zu haben, warum gewinnt dann doch immer der andere? Doch nicht etwa, weil die anderen tatsächlich wirklich immer recht haben? Kann es wirklich sein, dass ich tatsächlich NIE recht habe? Gibt es so jemanden überhaupt?
Es liegt sicher nicht an meiner Intensität, die andere dann dazu reizt, mich verlieren zu lassen. Das würde ja heißen, dass ich schon mit dieser Intensität auf die Welt gekommen bin, und dass andere mir daher von Geburt an nie recht geben konnten. Das stimmt aber nicht: Ich bin ganz normal auf die Welt gekommen, aber ich habe NIE Recht bekommen, und daher habe ich es so dringend nötig, und daher kommt auch meine Intensität, recht zu bekommen. Würde oder KÖNNTE ich das lassen, würden die anderen aber deshalb AUCH nicht nachgeben. Denn die anderen haben ein Problem damit, überhaupt auch nur EINMAL (gegenüber mir) im Unrecht zu sein, während MEIN Problem ja darin besteht, IMMER im Unrecht zu sein. Ich habe KEIN Problem damit, anderen mal Recht zu geben. Aber ich habe ein Problem damit, anderen IMMER recht geben zu müssen! Und deshalb werde ich als rechthaberisch hingestellt, während andere, die (mir gegenüber) nie nachgeben, als ganz gesund hingestellt werden. Klar können die souverän rüberkommen, und ich bin der Schreihals, und wer schreit, hat nie recht. Dass das aber ein Ausdruck meiner Schwäche und OHNMACHT ist und nicht ein Ausdruck meines mangelnden Wissens und UNVERMÖGENS, und dass das einfach ein scheiß Spiel ist, wo ich als der UNSOUVERÄN, der nie nachgeben kann, rüberkomme und daher als die Schwächere, das sieht keiner.

Um auf die Frage in der Überschriftszeile zu kommen: Ich bin deshalb so dumm geworden, da ich mir nichts mehr merken kann. Das liegt unter anderem daran, dass ich schon so oft vor lauter Verzweiflung über meine ohnmächtige Situation mit dem Kopf gegen die Wand geschlagen bin, um dem inneren Schmerz einen fühlbaren Schmerz entgegenzusetzen. Aber es liegt auch daran, dass ich mich vor lauter Kummer auf nichts mehr konzentrieren kann und daher gar nicht aufpasse, was irgendwo erklärt wird. UND es liegt NICHT zuletzt an den anderen: Denn dadurch, dass ich immer denken muß, der nächste belehrt mich ohnehin wieder eines Besseren, merke ich mir nichts mehr und bin bei allem unsicher, ob ich es richtig verstanden habe, oder ob nicht wieder ein Besserwisser kommt und sagt, das sei nicht so. Ich denke dann: „Morgen sagt mir eh wieder jemand anderer, dass es anders ist, warum also mir das merken?“ Ich habe keine sichere Wahrnehmungsgrundlage mehr. Ein anderer kann sich sagen: Ich hab das studiert, ich weiß, dass das stimmt.“ Er kann sich sagen: „Ich kann a nderen viel erklären, die glauben mir das auch, weil sie meine Kompetenzen kennen.“ Das macht die Sicherheit, die man braucht, um sich etwas zu merken und es als Tatsache abspeichern zu können.

Bei mir läuft das aber so:
A sagt mir eine Tatsache, damit gehe ich zu B. B sagt, was A sagt, ist Blödsinn, Du darfst nicht immer allen alles glauben, B ist richtig. Mit B gehe ich dann zu A, der mir aber wiederum sagt: „WAS B Dir da gesagt hat, ist kompletter Blödsinn, Du musst auch mal was glauben, was man Dir sagt und sollst nicht alles in Zweifel ziehen.“ Dann kommt der schlaue C und sagt: „Sei doch EINFACH DU selbst und glaube, was DU willst.“ Aber D sagt dann wieder, ich solle nicht so stur sein, denn sonst würde mich jeder auslachen, wenn ich das nicht glaube.

Welcher Leser sich gedanklich jetzt noch nicht „aufgelöst“ hat, dem sei noch ein fiktives Beispiel zur Erläuterung hinzugefügt:


Ich: Die Erde ist eine Kugel.
Anderer: Nein, das ist doch eine Scheibe, man kann doch drauf herumlaufen.
Ich: Aber ich habe im Erdkundeunterricht…
Anderer: IM ERDKUNDEUNTERRICHT, was ist schon das, was man in der Schule lernt. Da hast Du nicht richtig aufgepasst, das hast Du verkehrt verstanden, und außerdem hat mir bisher noch kein Lehrer beweisen können, dass es eine Kugel ist.
Ich: Es gibt aber doch Luftaufnahmen.
Anderer: Wer sagt denn, dass die echt sind, heutzutage kann man doch alles fälschen.
Ich: Die kommen doch in den Nachrichten.
Anderer: Ja und, in den Nachrichten bringen sie auch öfter Falschmeldungen, und außerdem sind die Bilder so konstruiert, damit man die GANZE Erde auf einmal sehen kann, DESHALB ist das in Kugelform photographiert.
Ich: Glaub ich nicht. Kann ich mir nicht vorstellen. Die Wissenschaftler werden doch wohl wissen, was sie erforscht haben, und daher habe ich es ja.
Anderer: Was ist schon Wissenschaft.
Ich: Aber viele sagen, dass die Erde eine runde Kugel ist.
Anderer: Wie viele sagen das, Du kennst halt nur die Ausnahmen, die so was sagen.
Ich: Das wäre ja reiner Zufall, wenn ich nur Ausnahmen kennen würde.
Anderer: Das wird nur so propagiert, weil die Leute es glauben wollen.
Ich: Das kann ich mir nicht vorstellen.
Anderer: Dann reicht Deine Vorstellungskraft aber nicht sehr weit.
Ich: Aber so vorstellungsarm bin ich ja auch nicht, aber DAS kann nicht sein, das ist doch seit Galilei bewiesen..
Anderer: Also gut, wenn DU das so siehst, dann ist die Erde eben eine Kugel.
Ich: Aber es steht überall in den Büchern.
Anderer: Jaja = Leck mich,! (Schneller Themenwechsel, ich bleibe als Verlierer zurück.)

Oft weiß ich genau, dass das stimmt, was ich sage, aber ich komme argumentativ nicht gegen andere an.

Szene acht:
Taxifahrer A: Ich glaube, dass es einige Dialysepatienten gibt, die eigentlich gar nicht an die Dialyse müssten, sondern die man Gehirn gewaschen hat, damit die Ärzte was verdienen, und die Werte sind vielleicht an der Grenze.
Ich: Das kann ich mir nicht vorstellen.
Taxifahrer A: Dann reicht Ihre Vorstellungskraft aber nicht sehr weit.
Ich: Ja, dass Bandscheiben operiert werden, wo es nicht nötig ist, und dass Gebärmuttern entfernt werden, wo es unnötig ist, damit die ihren Schein kriegen, das kann ich mir aber durchaus vorstellen.
Themenwechsel.

Regel: Bin ich skeptischer und pessimistischer als mein Gegenüber, habe ich eine blühende Phantasie und denke zu negativ. Bin ich optimistischer und glaube solche Räuberpistolen nicht, dann habe ich ein nicht sehr weitreichendes Vorstellungsvermögen.
Ergo: Die Weite meines Vorstellungsvermögens hängt von der Einschätzung der Welt meines Gegenübers ab.

Wie soll mensch sich da noch irgend etwas merken oder vorstellen?

Ein paar Ansätze zur Verbesserung gibt es bereits. Im Chor habe ich es jetztschon erreicht, daß sie mir bei englischen und spanischen Liedern mal glauben, wie es ausgesprochen wird. Mir ist das oft so peinlich, daß ich einfach etwas sagen MUSS, und da geht es ja um öffentliche Auftritte. Vorher hat mich eine lahmgelegt mit dem Argument, der Henrico Iglesias singt das auch so, und daher gehört es so. KEINE CHANCE. Aber ich hab mir ein Herz gefaßt und bin zur Chorleiterin und sagte, daß ich es SEHR schade finde, daß sie nicht davon profitieren, jemanden im Chor zu habem, der ihnen die Aussprache beibringen kann und diese Gelegenheit verstreichen lassen. Das nächste Mal kam sie und meinte, "Ja, Du hast recht, ich hab den südamerikanischen Schüler gefragt, das D wird wirklich nicht mitgesprochen." Na super, das lernte ich in der ERSTEN Spanischstunde. Da darf ich mir ja wirklich was drauf einbilden, daß mir da eine sagt, daß ich recht habe, 'TÜRLICH hab ich recht, bei so einer banalen und trivialen Sache. Wäre ja noch schöner, wenn ich DAS nicht wüßte. Das wäre so, als ginge ich zu ihr und würde sagen: "Ja, ich hab meinen BRuder gefragt, der ist Musiker, und der hat bestätigt, daß das D nach dem C auf der Tonleiter kommt. Es ging ja schließlich nicht um hochtrabende Fragen, wo ich mir auch unsicher gewesen wäre, und wo wir beide hätten nachfragen müssen. .WENN ICH mir nämlich bei etwas unsicher bin, dann sage ich das IMMER dazu. ICH behaupte nichts, was ich nicht wirklich sicher weiß, ansonsten sage ich: "ich vermute, ich denke, ich meine, ich glaube, ich finde..." Aber was ich weiß, das weiß ich. Und da sollte ich auch ENDLICH mal Vertrauensvorschuß und Vorschußlorbeeren kriegen, denn ich hab das gelernt, und da sollte man mir SOVIEL für FÜNF CENT zutrauen!

Einmal hatte ich Glück.
Bekannter R.: Fürth gehört NICHT zu Franken, es gehört NUR zu Bayern.
Ich: Das gehört auch zu Franken.
Bekannter R.: Warum sagen sie dann im Zug immer „Fürth, Bayern, Hauptbahnhof“?
Ich: Weil es auch ein Fürth in Hessen gibt.
Bekannter R.: Das gehört aber NICHt zu Franken, es ist nur Bayern unterstellt.
Da kamen Gott sei Dank zwei Bedienungen, und ich, ganz verzweifelt, dass ich jahrelang was Falsches geglaubt haben soll: Gehört Fürht auch zu Franken?
Bedienungen: Wir fragen unseren Chef. -- (wenig später): Der Chef meint, es gehört nicht nur zu Bayern, sondern auch zu Franken.
Bekannter R. glaubt es aber immer noch nicht, aber auch die Überzeugungsversuche der zwei Bedienungen haben nicht gefruchtet.

Bin ich jetzt zufällig immer nur von störrischen Leuten umgeben, oder werden die so, weil ICH so stur bin? Bin ich besserwisserisch? Ich halte mich sehr zurück, korrigiere nichts, weil es mir nicht zusteht, oder zumindest wenig.

Einmal ist mir genau dies dann zum „ Verhängnis geworden.
Pfleger M: „Architektisch ist das aber nicht sehr schön.
Ich weiß, wie es richtig heißt, sag aber nichts, da ich ja weiß, was er meinte.
Pfleger M.: Das heißt ja eigentlich „architektonisch“, Frau … wissen Sie das nicht, da hätten Sie mich doch korrigieren müssen.
Ich bin die Blamierte, denn wie soll ich im Nachhinein „beweisen“, dass ich es gewusst hätte, und das war mir dann auch zu blöd. WIEDER einen Cent verloren! Wäre nicht so schlimm, wenn es nicht schon der schätzungsweise 123556666777. wäre. Soviele Gehirnzellen sind mir sicher auch schon kaputtgegangen.